EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Iran-Außenminister Mohammed Dschawad Sarif während der Pressekonferenz nach den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm in Wien.
Photoshot/Vostock PhotoAm Dienstag erzielten die Vertreter der Sechsergruppe aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats Russland, USA, China, Frankreich und Großbritannien plus Deutschland mit dem Iran eine Einigung über das iranische Atomprogramm. Die Sanktionen gegen den Iran sollen nun schrittweise aufgehoben werden. Der Iran unterwirft sich im Gegenzug Beschränkungen und Kontrollen. Der russische Präsident Wladimir Putin begrüßte das Abkommen und sagte, die Welt habe erleichtert aufgeatmet.
Das russische Außenministerium erklärte, der politisch-diplomatische Weg, den Russland immer propagiert hätte, habe gesiegt. Man hoffe, das Abkommen trage dazu bei, dass Atomwaffen nicht weiter verbreitet werden. Wie Außenminister Sergei Lawrow sagte, sei Russland aktiv an der Umsetzung des Abkommens beteiligt. Angereichertes Uran aus dem Iran werde nach Russland exportiert, im Gegenzug würde natürliches Uran in den Iran geliefert. Russland wird auch am Umbau der iranischen Anreicherungsanlage Fordo teilnehmen.
Bereits im April einigte man sich auf wichtige Eckpunkte des Abkommens. Der Iran stimmte damals zu, die Bestände an Zentrifugen und angereichertem Uran zu reduzieren. Außerdem wurde der Umbau mehrerer Atomanlagen vereinbart und eine stärkere Überwachung durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA). Offen geblieben waren Fragen zum bestehenden Waffenembargo und der Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran.
Die jetzt erzielte Einigung sieht ein Verbot von Waffenkäufen durch den Iran befristet auf fünf Jahre vor. Die Sanktionen werden aufgehoben. Über die Einhaltung des Abkommens durch den Iran wacht eine Kommission, die der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini unterstehen soll. Falls der Iran gegen das Abkommen verstoßen sollte, können die Sanktionen innerhalb von zwei Monaten wieder eingeführt werden.
Russische Experten zeigen dennoch wenig Euphorie über die Einigung. Dmitrij Jestafjew, Mitglied des Zentrums für politische Studien (PIR-Centr), bewertet die Chancen, dass das Abkommen auch tatsächlich umgesetzt wird, nur mit „50 zu 50“. Innerhalb des Irans sei die Zustimmung zum Kompromiss keinesfalls sicher, erklärt er.
Auch Pjotr Topytschkanow, Mitarbeiter des Programms „Nichtverbreitungsprobleme“ am Moskauer Carnegie-Zentrum, stellte fest, es gebe „sowohl im Westen als auch im Iran einflussreiche Gegner dieses Abkommens“. Vieles hänge davon ab, wie diese sich verhalten werden, so Topytschkanow. Fraglich ist laut Jestafjew auch, inwieweit Russland an der Umsetzung des Abkommens tatsächlich beteiligt sein wird.
Der russische Außenminister gab sich hingegen zuversichtlich, dass die Umsetzung des Abkommens die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Moskau und Teheran stärken wird. „Wir haben sehr große Pläne für die Entwicklung der iranischen Nuklearenergie“, verkündete Lawrow.
Rajab Safarow, Generaldirektor des Zentrums für die moderne Iranforschung, meint, dass die Aufhebung der Sanktionen für russische Unternehmen Perspektiven auf dem iranischen Markt nicht nur im Energiesektor, sondern auch in den Bereichen Chemieindustrie, IT, im Eisenbahnbau und weiteren Wirtschaftsbereichen eröffnen könnte. Eine große Zukunft prophezeit er auch der militärisch-technischen Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern.
Das zeigte sich bereits in einem von Russland bestätigten Abkommen über die Lieferung von russischen S-100-Luftabwehrsystemen an den Iran. Laut Medienberichten könnten im Militärsektor Verträge im Wert von 20 bis 70 Milliarden US-Dollar (18 bis 64 Milliarden Euro) umgesetzt werden.
Jestafjews Meinung nach braucht „Russland den Iran als wichtigen Partner“. „Der Iran wird (in Russland) in erster Linie als Wirtschaftspartner angesehen. Die Ideologiebasis des Irans ist für uns bislang noch zu exotisch“, um eine politische Partnerschaft zu betreiben, sagt er. Der Iran erfülle zudem eine weitere wichtige Rolle für Russland, betont Jestafjew, nämlich den eines Nord-Süd-Transportkorridors unter vorwiegend russischer Kontrolle. Auf diesem Weg könnten Waren aus Indien und anderen Ländern Südasiens über den Iran und Russland in den Norden und Westen Europas gelangen. „Der Iran ist für Russland im Sinne einer Herausbildung einer Außen- und Außenwirtschaftspolitik als neuer Vektor wichtig“, resümiert Jestafjew.
In russischen Medien werden die wirtschaftlichen Folgen einer Aufhebung von Sanktionen gegen den Iran, die den Wiedereinstieg der Iraner auf dem Erdölmarkt bedeuten würde, diskutiert. Konkret geht es dabei um die Möglichkeit sinkender Preise für russisches Erdöl. Doch so eindeutig ist dieser Fall nicht, sagen Analysten.
„Betrachtet man die Sache rein pragmatisch, dann wäre der Wiedereinstieg der Iraner ungünstig, denn der Iran ist ein recht großer Spieler auf dem Erdölmarkt“, meint Rajab Safarow. Er schätzt: „In einem halben Jahr wird der Iran neue Kapazitäten haben. Der Iran wird täglich ein bis eineinhalb Millionen Barrel Erdöl auf den Markt bringen.“ Er geht jedoch davon aus, dass sich das nur vorübergehend negativ auf Russland auswirken werde, da die Erdölförderung von der OPEC kontrolliert wird. Teheran wird seiner Ansicht nach wieder so viel Erdöl fördern wie vor der Einführung der Sanktionen. Saudi-Arabien, das die Fördermenge damals um die iranische Quote steigern durfte, wird hingegen die Erdölförderung zurückfahren müssen, glaubt Safarow.
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