Russische Biologen könnten einen neuen Weg in der Krebsbehandlung finden.
Alamy/Legion MediaIn jeder unserer Körperzellen passieren täglich bis zu 20 000 kleine „DNA-Pannen“. Gründe dafür sind Einwirkungen durch UV-Strahlen, ionisierender Strahlung, oxidativem Stress, Schadstoffen und vielem mehr. Risse in der DNA-Doppelhelix führen zu Mutationen und provozieren so schwere Krankheiten wie Alzheimer, das Louis-Bar-Syndrom und Krebs.
Wer weiß, wie das Leben aussähe, wenn ein ganzer Komplex von Proteinen und Alarmmolekülen des Körpers nicht auf die ständigen DNA-Störungen reagieren würde. Sie erkennen diese, wägen Korrekturmöglichkeiten ab und verbinden die gerissenen Fäden miteinander. Den Reparaturmechanismus an proteinfreien DNA-Abschnitten haben Swetlana Choronenkowa, Forscherin an der Moskauer Lomonossow-Universität, und Grigory Dianov, Professor an der Oxford University, erst im vergangenen Jahr entdeckt.
In vielen Fällen erfolgt die Reparatur dank eines besonderen Enzyms – der RNA-Polymerase. Das Enzym bewegt sich am DNA-Strang entlang, scannt ihn und registriert Störungen des Moleküls. Es löst eine kaskadenartige Reaktion aus, durch die der beschädigte Abschnitt wiederhergestellt wird. Das Enzym „erkennt“ die Schäden jedoch nur in einer von beiden DNA-Ketten. Bis vor Kurzem blieb unklar, wie die „Reparatur“ der zweiten DNA-Kette erfolgt.
„Ein Teil der Oberfläche der DNA-Doppelhelix ist versteckt, weil sie mit spezifischen Proteinen – Histonen – ineinandergreift. Auf diese Weise ist unser gesamtes Genom verpackt“, erklärt Wassili Studitski, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Biologie-Fakultät der Moskauer Lomonossow-Universität.
Gemeinsam mit Kollegen vom Fox Chase Cancer Center der Temple University in Philadelphia haben Studitski und sein Team nun nachgewiesen, dass die Heilung von Rissen an den inneren „versteckten“ Abschnitten der DNA-Doppelhelix erfolgt. Diese Entdeckung wurde Anfang Juli im wissenschaftlichen Magazin „Science Advances“ veröffentlicht.
Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass selbst jene DNA-Abschnitte, die mit den Histonen verbunden sind, mithilfe der RNA-Polymerase „repariert“ werden können. Wobei diese Proteine dem Enzym auch helfen, Schäden festzustellen.
Mithilfe der Histone bilden sich eine Art DNA-Schleifen. Die RNA-Polymerase kann sich an ihnen entlang bewegen. Während sie neben gerissenen Stellen halt macht, „stiftet sie Panik“ und löst eine kaskadenartige Reaktion aus, um mit den „Reparaturen“ zu beginnen. Dabei hilft allein schon die schleifenförmige Art der DNA-Verknüpfung mit den Histonen, Risse festzustellen. Die Wissenschaftler vermuten, dass sich die Schleifenform oder die DNA-Struktur in der Schleife bei einer Beschädigung verändert.
Während der Versuche haben die Wissenschaftler DNA-Risse an bestimmten Stellen durch spezielle Oxidationsmittel wie Wasserstoffperoxid herbeigeführt. Auf diese Weise untersuchten sie, wie die Schleifen die Geschwindigkeit der RNA-Polymerase beeinflussen. Es stellte sich heraus, dass man die Schleifenbildung vorprogrammieren kann. In Zukunft soll diese Erkenntnis helfen, verschiedene Krankheiten, die durch DNA-Störungen verursacht werden, zu behandeln und ihnen vorzubeugen.
„Wenn man die DNA-Kontakte gegenüber den Histonen widerstandsfähiger macht, steigert man die Effizienz der Schleifenbildung und die Chancen für eine Reparatur, wodurch das Krankheitsrisiko verringert wird. Wenn man aber diese Kontakte destabilisiert, kann man anhand von Nanotransportern, welche die Arzneimittel am gewünschten Ort freisetzen, den Tod der befallenen Zellen vorprogrammieren. Auf diese Weise könnte man Krebs heilen und vorbeugen“, erklärt Studitski.
Vorerst müssen die Wissenschaftler ihre Hypothese aber noch nachweisen. Es sei möglich, so Studitski, dass der Prozess sich als komplizierter erweise und dass sich in der DNA gleich mehrere Schleifentypen bilden können. Um dahinter zu kommen, muss man die Schleifenstruktur beschreiben, den DNA-Reparaturmechanismus nachvollziehen und feststellen, welche Störungen der DNA-Struktur er beheben kann.
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