Im regulären Flugverkehr ist die Il-96 in Russland nicht im Einsatz. Aber sie wird für den Transport von Putin genutzt.
PressebildDie Langstreckenflugzeuge Il-96 des russischen Flugzeugbauers Iljuschin waren schon fast in Vergessenheit geraten. Selbst die staatliche russische Fluggesellschaft Aeroflot verbannte die Maschinen aus ihrer Flotte. Zu alt, nicht nur wegen ihrer vier statt der heute üblichen zwei Antriebe unwirtschaftlich und zudem unbequem, so lauteten die Argumente. Die Il-96 wurden von der US-amerikanischen Boeing 747 ersetzt. Dabei war die Il-96-300 noch in postsowjetischen Zeiten als Konkurrenz zum US-Unternehmen konzipiert worden.
Doch es zeichnet sich ein Comeback des russischen Fliegers ab. Denn seit dem Absturz einer russischen Passagiermaschine am 31. Oktober in Ägypten, bei dem alle 224 Menschen an Bord den Tod fanden, wird in Russland wieder neu über Flugsicherheit diskutiert. Die Absturzursache des Airbus ist noch nicht geklärt, ein technischer Defekt gilt nach wie vor als möglich. 14 Fälle von Flugzeugabstürzen mit Airbus-Maschinen soll es damit laut Medienberichten mittlerweile gegeben haben. Eine Anweisung des zwischenstaatlichen Luftfahrtkomitees MAK, auf den Einsatz bestimmter Modelle von Boeing zu verzichten, heizte die Diskussion noch weiter an.
Während die russischen Fluggesellschaften nun ihre Flotte überprüfen und erneuern wollen, kündigte der Chefkonstrukteur von Iljuschin, Nikolaj Talikow, am vergangenen Freitag in Uljanowsk an, dass das Unternehmen die Massenproduktion der Il-96 wiederaufnehmen wolle.
Die Il-96 war Ende der 1980er-Jahre das erste russische Großraum- und Langstreckenflugzeug, das nach intensiven Tests an den Start ging. Ein Flug führte 14 800 Kilometer von Moskau über Petropawlowsk, Kamtschatka und zurück, ganz ohne Zwischenstopp. 18 Stunden und neun Minuten war die Maschine in der Luft.
Piloten nennen die Il-96 auch im Vergleich mit der ausländischen Konkurrenz wartungsfreundlich und sicher. Die Il-96-300 verfügt etwa über ein Fly-by-wire-System, das durch ein mechanisches System zusätzlich unterstützt wird. Im Falle eines Elektronikausfalls lässt sich das Flugzeug manuell landen. „Sechsmal habe ich eine manuelle Landung durchgeführt. Der Ausfall der Bordelektronik war simuliert. Ich denke nicht, dass vergleichbare Flugzeuge anderer Hersteller diesen Test bestanden hätten“, sagt der Flugzeugprüfer Anatolij Knyschow. Sein Sohn Sergej Knyschow, der einst der jüngste Pilot einer Il-96 war und früher bei Aeroflot gearbeitet hat, ist ebenfalls von der Zuverlässigkeit und Sicherheit der Maschine überzeugt: „Seit 1993 ist die Il-96 im Einsatz. Es gab seitdem keinen einzigen Absturz.“
Dennoch fristete die Il-96 ein Schattendasein in Russland. Das war vor allem eine Folge der wohl überzeugenden Lobbyarbeit der westlichen Flugzeugbauer. Die Il-96 blieb im Hangar, obwohl eine Flugstunde rund 1 000 Euro günstiger sei als mit einer Boeing 767-300 ER, bemerkt Anatolij Knyschow.
Im regulären Flugverkehr ist die Il-96 in Russland nicht mehr im Einsatz. Aber sie wird für den Transport wichtiger Persönlichkeiten genutzt. Die russische Flugbereitschaft der Regierung besitzt acht Maschinen dieses Typs. Auch der russische Präsident fliegt damit. Interesse gab es zudem seitens Venezuelas, Perus, Chinas und mancher Nahostländer. Es sollen sogar entsprechende Verträge unterzeichnet worden sein, doch tatsächlich genutzt wird die Il-96 nur noch auf den Antillen und von einer kubanischen Fluggesellschaft.
2013 hat das russische Verteidigungsministerium den letzten großen Auftrag für Iljuschin vergeben und Auftankflugzeuge auf der Basis des Cargo-Flugzeuges Il-96 bestellt. Ein modernisiertes Modell sollte mehr als 65 Tonnen Treibstoff am Bord transportieren und 13 000 Kilometer nonstop leisten können. Zudem sollte es in der Lage sein, Raketenträger und Fernjäger während eines Kampfeinsatzes zu betanken. Die ersten zwei Flugzeuge dieses Typs sollten Ende 2015 auf den Markt kommen.
Nun könnten noch mehr Aufträge auf Iljuschin warten. Denn sollten weniger Airbusse und Boeings eingesetzt werden, muss Ersatz her. Ansonsten müssten rund 143 Millionen Fluggäste in Russland auf die Bahn oder das Auto umsteigen – rund 60 Prozent des russischen Gebiets sind aber nicht ans Eisenbahn- und Straßennetz angeschlossen. Es kursieren bereits Witze, dass die Russen in Zukunft wohl auf Hunde- oder Rentierschlitten umsteigen müssten.
Der frühere verdiente sowjetische Pilot Oleg Smirnow lobte in einem Interview mit dem Radiosender „Business FM“ die Weitsicht des russischen Präsidenten Putin. Dieser habe bereits 2014 den Handlungsbedarf erkannt, so Smirnow: „Damals ging es um die Il-114, nun setzt er sich für die Il-96 ein.“ Die Aufnahme der Massenfertigung dürfte für Iljuschin kein Problem darstellen, sodass die Il-96 möglicherweise schon bald wieder öfter am Himmel zu sehen sein könnte.
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