Russische Piloten auf der Militärbasis in Syrien.
Dmitriy Winogradow/RIA NovostiDie Terrororganisation „Islamischer Staat“ hat am Donnerstag ein Video ins Netz gestellt, in dem unter dem Titel „Bald, sehr bald“ mit Terroranschlägen in Russland gedroht wird. Das Video dauert fünf Minuten und zeigt Szenen grausamer Hinrichtungen durch den IS als auch Ausschnitte von Kampfeinsätzen. Der Sprecher spricht akzentfreies Russisch. Zu sehen sind Moskau und Sehenswürdigkeiten in Kasan wie die Kul-Scharif-Moschee. Die Worte „bald, sehr bald“ sind nach jeder neuen Drohung zu hören.
Die russische Regierung kündigte an, das Video der in Russland verbotenen Terrormiliz durch die Geheimdienste prüfen zu lassen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte: „Ich habe Meldungen zu dem Video gelesen, es selbst aber nicht gesehen. Ich kann weder dessen Echtheit noch die Glaubwürdigkeit der Informationsquellen beurteilen. Das ist ein Fall für unsere Geheimdienste.“
Den Anstoß für das Drohvideo haben vermutlich die Luftangriffe Russlands auf IS-Stützpunkte in Syrien gegeben, meint Georgy Mirsky, Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen an der Russischen Akademie der Wissenschaften. Seit der Islamische Staat vor einem Jahr ein Kalifat ausrief, kämpft die Organisation gegen die Regierungen des Iraks und Syriens. Derzeit befindet sich schon die Hälfte des Iraks und fast die Hälfte Syriens unter der Kontrolle des IS, bemerkt der Experte. „Solange sie gekämpft und sich mit der Konsolidierung beschäftigt haben, hatten sie keine Zeit für Russland. Aber nach den Luftangriffen hat sich alles verändert. Jetzt hassen sie uns sogar noch mehr als die Amerikaner oder Briten“, sagt Mirsky.
Russland sei zum Opfer der politischen Situation geworden, findet Sergej Gontscharow, Vorsitzender der internationalen Assoziation von Veteranen der Antiterror-Spezialeinheit Alfa. Daran seien auch die westlichen Medien schuld: „Diese arbeiten sehr konsequent an einem Meinungsbild: Russland als Erzfeind des IS.“ Man müsse die IS-Drohungen sehr ernst nehmen, sagt er und fügt hinzu: „Ich hoffe, dass unsere Geheimdienste das verstehen.“
Laut einer aktuellen Umfrage des Lewada-Zentrums sind die Russen wegen möglicher Terroranschläge sehr besorgt: 48 Prozent befürchten Anschläge schon in naher Zukunft. Bemerkenswert ist, dass die Umfrage nur wenige Tage vor der Flugzeugtragödie in Ägypten durchgeführt wurde. Als Absturzursache kommt auch ein Terroranschlag infrage.
Um die Terrorgefahr zu eliminieren, müssen russische Geheimdienste so gut vorbereitet und geschult werden wie die israelische Polizei, fordert Georgy Mirsky. „Sie verfügen über langjährige Erfahrung in der Terrorbekämpfung.“ Außerdem brauche es Leute, die sich dem Anti-Terror-Kampf anschließen, sich in Terrororganisationen einschleichen und von dort aus als Hintermänner fungierten.
Der Antiterror-Veteran Gontscharow meint, dass Russland über gute und einsatzbereite Geheimdienste verfüge. „Sie arbeiten zwar nicht immer einwandfrei, aber sie können zumindest sicherstellen, dass die Vorgänge in unserem Land kontrollierbar sind. Im Ausland ist das eher problematisch“, sagt der Experte.
Am wichtigsten aber sei die Sicherheit bei nationalen und internationalen Linienflügen, fügt Sergej Gontscharow hinzu. „Geheimdienste müssen die Grenzkontrollen übernehmen. Andernfalls können wir die Sicherheit unserer Bürger nicht gewährleisten. Denn Islamisten haben in jedem europäischen Land Einfluss und man kann nicht kontrollieren, ob beispielsweise jemand von den Flughafenmitarbeitern ein Terrorist ist, der eine Bombe mit an Bord schmuggelt“, gibt der Experte zu bedenken.
Flugverbote, beispielsweise in die Türkei und nach Tunesien, wie die Staatsduma kürzlich forderte, hält Gontscharow jedoch für einen Fehler. „Dadurch kann Russland zum Geächteten werden, das wäre wie ein neuer Eiserner Vorhang. Das wäre falsch.“
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