Naturfilmer Jörn Röver.Foto: www.studio-hamburg.de
Ich dachte ich sehe nicht richtig, als ich Anfang Januar in Deutschland an einem Kino vorbei lief und vor einem großen Plakat, das einen neuen Film ankündigte, stehen blieb. Ich sah nur das erste Wort – „Russland“ und war sehr erstaunt, denn an Hollywood-Blockbuster hat man sich ja gewöhnt, aber ein Kinofilm über Russland ist doch recht außergewöhnlich. Dann kamen auch noch Zuschauer aus dem Kino, die wohl gerade eben diesen Film gesehen hatten und ich dachte ich höre nicht richtig – denn sie waren begeistert. Viele sagten so etwas wie: „Ich glaube ich muss unbedingt nach Russland, ich muss dieses Land sehen“. Das hat mich erstaunt, weil man in Europa Begeisterung im Zusammenhang mit Russland eher selten erlebt.
Abenteuer Russland
Nachdem ich selbst diesen Film gesehen habe kann ich sagen: ich muss nach Russland. Und das, obwohl ich in Russland lebe. Aber jetzt weiß ich, dass ich nichts über mein Heimatland weiß und sehr wenig davon gesehen habe. Ich stellte mir die Frage, warum nicht schon früher ein Film wie dieser produziert worden war. Der Naturfilmer, Regisseur und Drehbuchautor von „Russland- im Reich der Tiger, Bären und Vulkane“ Jörn Röver erzählte in einem Interview, dass solch aufwendige und risikoreiche Produktionen, wie diese es war, einfach niemand machen will. Deswegen lag das Projekt auch lange Zeit in seiner Schublade. Bis der Zeitpunkt kam, an dem es möglich wurde diese Idee zu verwirklichen.
Wie genau dies zustande gekommen ist und was ihn persönlich an Russland fasziniert hat erzählte er im Interview für Russland HEUTE.
RH: Wie kamen Sie auf die Idee einen Film über Russland zu drehen?
Jörn Röver: Zunächst gab es die Idee mit dem ORF eine Serie über Sibirien zu drehen. Daraus wurde nichts. Dann haben wir das ganze größer gemacht, also auf ganz Russland erweitert. Neben den Dreharbeiten war immer ausschlaggebend, ausreichend internationale Co-Partner zu finden, um auch genug Geld für lange Drehzeiten zu haben. Am Ende waren es neben den deutschen Sendern NDR und WDR National Geographic, Animal Planet, S4C und Channel One.
RH: Was war für Sie das inspirierende an dieser Idee?
Jörn Röver: Ich war als Junge, also in den Siebzigern, bereits im damaligen Leningrad. Sehr beeindruckend, aber kein Naturerlebnis. Die Inspiration kam eher daher, dass man über die Natur Russlands so wenig weiß und sieht. Das Land ist bis heute ein großes Geheimnis geblieben.
RH: Wie liefen die Drehvorbereitung, mit welchen Schwierigkeiten wurden sie konfrontiert?
Jörn Röver: Vorbereitungen zu großen Naturfilmen, also Recherchen, Genehmigungen usw. sind immer aufwändig. Da macht Russland keine Ausnahme. Schwieriger als anderswo waren neben den vielen Zuständigkeiten, was Genehmigungen betrifft, die oft fehlenden Kontaktleute bzw. Wissenschaftler vor Ort, die genau sagen konnten, wo man die Tiere gut filmen kann. In Tansania zum Beispiel gibt es spezielle Scouts, die einen direkt bis zum jagenden Geparden im Nationalpark fahren. Oft gibt es Forscher, die Tiere mit Sendern versehen und so ihren genauen Standort kennen. Die Vorarbeiten für Russland haben schließlich ein Jahr gedauert.
RH: Und wie lange haben dann die Dreharbeiten in Russland gedauert?
Jörn Röver: Wir haben mal zusammengerechnet und sind auf insgesamt 1.200 Drehtage gekommen. Vor Ort wurde etwa zwei Jahre gearbeitet. Einige Teams länger, andere kürzer, je nach Region.
RH: Wie viele Teams waren insgesamt an den Dreharbeiten beteiligt, wie war die Arbeit organisiert?
Jörn Röver: Für jede der sechs Regionen - Kaukasus, Ural, Sibirien, Ussurien, Arktis, Kamtschaka - war immer ein Hauptteam zuständig. Einige haben sich untereinander ausgeholfen. Für besonders schwierige Aufnahmen, wie den Amurtiger, kamen weitere Teams, auch russische hinzu. Insgesamt waren etwa 10 Tierfilmerteams unterwegs.
RH: Was hat Sie an Russland besonders fasziniert?
Jörn Röver: Jeder hat ja nur einen kleinen Ausschnitt von Russland gesehen. Aber die Größe, die Einsamkeit und Unberührtheit der Landschaften ist überwältigend. Das ging Allen so. Das Russland, das wir sonst sehen und zu kennen glauben ist der dichter besiedelte Westen. Dahinter aber erstreckt sich die größte Wildnis der Erde. Das ist mit Nichts auf der der Welt sonst zu vergleichen.
RH: Haben Sie auch negative Erinnerungen?
Jörn Röver: Nun ja, es gab schon schwierige Momente mit Behörden, Verantwortlichen vor Ort. Meist Missverständnisse, die sich bald aufklärten. Ein Hubschrauber mit Filmteam im Südkaukasus, während jenseits der Grenze gekämpft wird, sorgt schon für Irritationen bei der Armee... Ich muss aber sagen, dass einen Bürokratie und Verbote in allen Ländern verfolgen. Gerade haben wir enorme Schwierigkeiten bei Flugaufnahmen in Deutschland gehabt.
Ansonsten war Russland einer der gefährlichsten Orte, an dem unsere Tierfilmer je waren. Das lag zum einen an den Fortbewegungsmitteln, ältere Flugzeuge und Hubschrauber. Ein Hubschrauber ist direkt nach den Dreharbeiten abgestürzt. Ein Ballonfahrer ist gegen einen Berg geprallt, der Kameramann 10 Meter in die Tiefe gestürzt. Und es gab einen enormen Bergrutsch im Tal der Geysire in Kamtschatka, der fast ein Filmteam begraben hätte.
RH: Was war Ihnen wichtig mit diesem Kinofilm dem Zuschauer zu vermitteln?
Jörn Röver: Der Film soll dem Zuschauer die Größe und das Unbekannte, die Eigenheit des Landes nahe bringen. Selbst aus den Tiefen des Amazonasbeckens haben wir mehr gesehen, also über die Tierwelt Sibiriens. Etliche Tiere und Verhaltensweisen sind zum ersten Mal in Freiheit gefilmt worden, das Bergwisent, der Amur-Tiger am Pazifik oder der Desman im Ural.
Wir wollen mit unseren Filmen immer Begeisterung für die Natur vermitteln, um den Zuschauer für deren Erhalt zu motivieren. Dabei vermeiden wir erhobene Zeigefinger. Die gibt es in politischen Reportagen zur Genüge. Wir wollen die Zuschauer in eine Landschaft eintauchen, über die Tiere staunen und lachen lassen. Denn wir schützen nur, was wir lieben. Und das geht nicht über den Kopf, sondern den Bauch.
RH: Ist eine Dokumentation im Kino über Russland etwas, was Deutsche Zuschauer überhaupt anspricht?
Jörn Röver: Ja, sehr. Bereits die Fernsehserie war weltweit in 160 Ländern ein großer Erfolg. Russland ist nicht nur ein Mythos. Alle wollen Dinge sehen, von denen sie vorher nur gehört oder vielleicht noch nie gehört haben. Naturwunder der besonderen Art hat man bisher eher von Afrika und Südamerika erwartet. Außerdem ist natürlich nicht nur die Tierwelt, sondern auch die Landschaften und die große Musik im Film ein besonderes Kinoerlebnis. Einen Thriller kann man jeden Tag sehen. So ein wichtiges Stück unserer Erde nicht.
RH: Haben Sie persönlich bereit Zuschauer-Feedback bekommen?
Jörn Röver: Das Feedback ist überwiegend begeistert. Die TV-Serie hatte bereits die meisten Zuschauer aller Serien von Animal Planet und National Geographic in dem Jahr. Die Kinozahlen bisher lassen auf über 100.000 Zuschauer in Deutschland schließen. Für eine Dokumentationen sehr außergewöhnlich. Noch haben wir uns nicht um den Verkauf in weitere Länder gekümmert. Aber ich würde mich schon freuen, wenn auch die Menschen in Russland Gelegenheit hätten, den Film im Kino zu sehen.
RH: Haben Sie nun einen Lieblingsort in Russland?
Jörn Röver: Kamtschatka muss man schon gesehen haben, wenn man die Mittel dazu hat. Und was mich sehr fasziniert hat war der Kaukasus. Keine spektakulären Vulkane, aber so viele Pflanzenarten, so eine grandiose und vielfältige Landschaft. Ein wirklich magischer Ort. Davon gibt es nicht mehr so viele in unsere Welt. Ich könnte mir schon vorstellen in Russland zu leben, aber auch an vielen anderen Orten der Erde. Wenn man genau hinschaut ist unsere Erde fast überall bewundernswert. Ich hoffe, das bleibt auch so.
RH: Vielen Dank für das Interview.
Mehr Informationen zum Film auf der offiziellen Homepage.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!