Brennholz kombiniert mit Sonnenschein: Ein Haushalt in Ostsibirien nützt zur Wärmeerzeugung beide Energieformen. Foto: Getty Images/Fotobank
Russland - da denkt man wohl eher an lange dunkle Winter als an strahlend sonnige Tage. Doch das hindert private Unternehmen keineswegs daran, in den wachsenden Markt für Solarenergie einzusteigen. Die Entscheidung darüber, ob die Sonne langfristig mit herkömmlichen Energiequellen konkurrieren kann, steht zwar noch aus, aber nach Meinung einiger führender Anbieter hat Solarenergie ein sehr hohes Potenzial. Das sieht die Regierung anders. Sie setzt noch immer auf Erdöl und hat bislang wenig Förderprogramme für erneuerbare Energien – wie aus der Sonne – lanciert. Handelsminister Viktor Christenko drückte es so aus: „Gott hat Russland mit Kohle, Gas und Öl gesegnet, daher gibt es für die Produktion alternativer Energien keine Stimuli.“ „Zu Unrecht“, sagt Marat Saks von Solar Wind, einem Hersteller von Photovoltaikmodulen mit Sitz im südrussischen Krasnodar. „Russland ist auch mit viel Sonne gesegnet. Außerdem: Beim Verbrauch von Solarenergie ist Deutschland weltweit führend, und scheint dort etwa immer die Sonne?“
120 Millionen für russische Solaranlagen
Saks Firma produziert Module für den Export, aber man setzt auch auf einen expandierenden Binnenmarkt. „Wenn wir einen Auftrag von einem russischen Kunden bekommen, bearbeiten wir ihn bevorzugt, um die Entwicklung auf dem Binnenmarkt anzukurbeln“, sagt Saks.
Energieeffizienz
Die Millionenstadt Jekaterinburg 1500 Kilometer östlich von Moskau ist nicht nur die Hauptstadt des Urals, sie spielt momentan auch bei der Entwicklung von modernen und effizienten Energiekonzepten eine tragende Rolle. Derzeit wird dort unter Beteiligung deutscher Unternehmen ein Modell-Wohnhaus aus der Chruschtschow-Zeit unter Aspekten der Energieeinsparung grundsaniert. Nach dem Umbau soll der Energieverbrauch um bis zu 73 Prozent sinken. Wenn das Experiment gelingt, wird auch ein Großteil der umliegenden Wohnhäuser auf diese Weise saniert. Gleichzeitig prüft man weitere Möglichkeiten der Energieeinsparung in Gebäuden, aber auch im Verkehr und in der Abfall- und Wasserwirtschaft, etwa durch den Einbau von Thermostaten an Heizungen, Gebäudeisolierungen oder Energiesparlampen. Doch das hat seinen Preis: Nach einer Berechnung der deutschen Experten würde eine Investition von 3,6 Milliarden Euro eine Primärenergie-Einsparung von 44 Prozent ermöglichen.
Eine Reihe russischer Privatunternehmen gründete Joint Ventures mit dem staatlichen Technologieunternehmen Rusnano, um auf die lokale Nachfrage reagieren zu können. Gemeinsam mit Rusnano startet Solar Wind gerade ein 4,8 Milliarden Rubel (rund 120 Millionen Euro) teures Projekt zur Produktion doppelseitiger Photovoltaikmodule für den Binnenmarkt. Sie können auf beiden Seiten Sonnenenergie aufnehmen. Laut Saks gibt es weltweit nur wenige Hersteller für Solarmodule dieser Art. Bisher sei das Marktvolumen in Russland noch wesentlich kleiner als das Exportvolumen, erläutert er. Seine russischen Kunden seien Privatfirmen und Regionalverwaltungen, exportiert werde hingegen in mehr als 22 Länder, darunter Deutschland, England und die USA. Energiespezialisten gehen davon aus, dass Sonnenenergie in einigen Regionen eine echte Alternative zu herkömmlichen Energiequellen wie Gas und Öl ist. „Die Gegend um Krasnodar am Schwarzen Meer und die meisten Regionen Sibiriens haben eine Insolation (durchschnittliche Zeit der Sonneneinstrahlung) vergleichbar mit Südfrankreich. Die Region Transbaikalien östlich des Baikalsees weist sogar mehr Sonnentage als Spanien auf“, sagt Wassili Malacha, Umweltspezialist beim GUS-Rat für Elektrizität und Energie.
Mehr Sonne als in Spanien
Laut Malacha beträgt in Krasnodar die tägliche solare Einstrahlung pro Quadratmeter 4 bis 4,5 Kilowattstunden.
Hier wurde man auf die Möglichkeiten der Solarenergie aufmerksam, als 2006 von der Regierung ein Energieeffizienzprogramm ins Leben gerufen wurde.
Inzwischen sind in der Region Sonnenkollektoren auf einer Fläche von insgesamt 7000 Quadratmetern installiert. Die Zellen werden auch zum Erwärmen von Wasser genutzt: Das städtische Krankenhaus in Ust-Labinsk, einer Stadt 60 Kilometer nördlich von Krasnodar, wurde mit rund 600 Quadratmetern Photovoltaikzellen ausgestattet, die im Sommer den kompletten Warmwasserbedarf abdecken. Durch die Solarenergie spart das Krankenhaus jährlich ca. 1,5 Millionen Rubel (rund 40 000 Euro). Jewgeni Nadeschdin, Direktor des Internationalen Entwicklungszentrums für nachhaltige Energien der UNESCO (ISEDC), plädiert dennoch für einen besonnenen Ausbau der Solarenergie.
Sonne im Verbund mit erneuerbaren Energien
Zumindest Mittelrussland verfüge über zu wenig Sonneneinstrahlung, man solle sich deshalb auf den Süden und die Kaukasusrepubliken konzentrieren.
Wasserkraft wurde in der Sowjetunion zu einer wichtigen Energiequelle. Heute decken die großen Wasserkraftwerke mit 165 Milliarden Kilowattstunden fast 20 Prozent des russischen Energiebedarfs ab. Foto: Ria Novosti.
„Solarenergie hat auch in Russland Zukunft, doch nur in Verbindung mit anderen erneuerbaren und herkömmlichen Energien“, bestätigt Brigitte Schmidt von Eurosolar Deutschland. Ein weiteres Hindernis beim Ausbau der Solarenergie sind die hohen Baukosten der Kraftwerke. Sie liegen zwischen 7000 und 12 000 Euro pro Kilowatt installierter Leistung. Im Vergleich dazu liegen die Kosten für Kernkraftwerke bei 2200 Euro, für Wasserkraftanlagen nur bei 730 Euro pro Kilowatt. Eine Energieversogung duch Wasserkraftwerke und Biokraftstoffe sei deshalb letztendlich doch die bessere Option für Russland, meint der Kritiker Nadeschdin. Brennholz kombiniert mit Sonnenschein: Ein Haushalt in Ostsibirien nützt zur Wärmeerzeugung beide Energieformen.
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