Foto: Pressebild
Sohn und Drehbuchautor Nikita Wyssozki versucht zusammen mit Regisseur Pjotr Buslow die Faszination Wyssozkis zu ergründen. Die aufwändige Produktion Buslows, die dem Andenken des großen Künstlers gewidmet ist, zeigt einen Ausschnitt aus dem Leben des vom Volk vergötterten und von der Parteiführung gefürchteten Liedermachers und Künstlers mitten in der Sowjetära. Der Volkssänger bediente sich musikalisch überall im russischen Genre der "Estrada" - beim Schlager, beim Chanson, bei der Folklore. Seine Texte sind kraftvoll, die Melodien schlicht und die Gitarrenbegleitung einprägsam, wie man es von Franz Josef Degenhardt oder Bob Dylan kennt.
Noch heute gilt Wyssozki als heldenhafter Mythos, dem alle verfallen waren. Er war nicht nur der bekannteste Liedermacher der Sowjetunion, sondern gilt in Russland als größter Barde des 20. Jahrhunderts. Nahm er doch unerschrocken Stellung zu Themen, die es im Amtsrussisch damals gar nicht gab - Prostitution, Verbrechen oder Antisemitismus. Weil er dem sowjetischen Staat ein ständiger Dorn im Auge war, gab es kaum Platten von ihm, im staatliches Radio und Fernsehen war er kaum zu hören, die Staatsverlage schnitten ihn. Dennoch war er äußerst populär: Seine Konzerte wurden von den Jugendlichen mitgeschnitten und die Tonbandaufnahmen nach dem Prinzip des "Samisdat" ("Selbstverlag" für alternative, nicht systemkonforme Literatur, Musik und Kunst) über illegale Kanäle verbreitet, so dass sie ein Millionenpublikum erreichten. Es ist Ironie des Schicksals, dass mit Wyssozkis erstem Engagement am gerade von Juri Ljubimow im Jahr 1964 gegründeten und später legendären Moskauer Taganka-Theater der erste Hauch von Glasnost zu spüren war. Hier begann sich Wyssozkis kraftvolle Stimme zu entfalten, die später einen kaum fassbaren, oppositionellen Einfluss haben sollte. Fast zeitgleich läutete Leonid Breschnew als Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU 1966 die "Zeit der Stagnation" ein. Je mehr Breschnew die Meinungsfreiheit einschränkte, desto lauter erzählte Wyssozki von den Schattenseiten der Sowjetunion. Je häufiger in den öffentlichen Medien die Siege in der Produktion oder bei der Ernte gefeiert wurden, desto heftiger fiel Wyssozkis literarische und musikalische Antwort aus.
"Sie banden das Echo und stopften ihm den Mund mit einem Knebel." So klagt eines der Wyssozki-Lieder. Es war ein Echo, das "Antwort auf Schreie" gab. Jeder in der Sowjetunion verstand den Sinn zwischen den Zeilen: Die "Erschießung des Echos" war eine Parabel auf das Totschweigen der Wahrheit in den offiziellen Medien.
Immer noch ist die ungeheure Popularität des Dichters und Sängers Wyssozki der Nachwelt nur schwer zu vermitteln. Er selbst lieferte auf einer in Frankreich aufgenommen Platte den Versuch einer Erklärung: "Man fragt mich oft, ob ich im Krieg war, ob ich zur See gefahren bin, ob ich Pilot war ... Nein, ich schreibe einfach nur in der ersten Person; ich sage immer "ich", und wahrscheinlich irritiert das die Leute." Der Sänger sang von Bauern, von Eisenbahnern, von Soldaten und von Trinkern. Seine Helden sprachen häufig ein gewöhnliches Russisch, sie luden zur Identifikation ein. Auch deshalb liebte sein Publikum ihn abgöttisch. "Seine Themen", sagte der Dichter Juri Trifonow am Grab Wyssozkis, "sind ein anatomischer Atlas der wunden Punkte unserer Gesellschaft.“ Bis heute besuchen die Russen sein Grab auf dem Wagankower Friedhof in Moskau. Blumen und Fotos bringt man ihm mit, dieser oder jener trinkt auch einen Schnaps auf sein Wohl oder raucht eine Zigarette zur Erinnerung an ihn. Denn die Zigarette ging dem Sänger kaum aus, und ein Gläschen konnte er nicht ablehnen.
Während Dissidenten wie Andrej Sacharow oder Waldimir Bukowski von der Staatsmacht in Verbannung und Isolation getrieben wurden, war Wyssozki als großer und im Volk beliebter Künstler nahezu unantastbar. Nicht selten konnte er gemeinsam mit dem Taganka-Theater ins westliche Ausland reisen. Marina Vlady, die bekannte französische Filmschauspielerin mit russischen Wurzeln und ab 1970 seine dritte Ehefrau, lebte eine Zeitlang mit ihm in Moskau. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Schauspieler in Film-und Theaterproduktionen. Im Alter von nur 42 Jahren starb Wyssozki 1980 in seiner Wohnung an Herzversagen, eine Alkoholabhängigkeit mag daran ihren Anteil gehabt haben. Seine Beisetzung auf dem Wagankower Friedhof sollte in aller Stille erfolgen, weil in jenen Tagen die Olympischen Sommerspiele in Moskau liefen. Obwohl der Tod des großen Künstlers in allen sowjetischen Medien unerwähnt blieb, verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer, und das Begräbnis geriet zur größten nicht staatlich verordneten Demonstration, die Moskau je erlebt hatte.
Der aktuelle Film über Wyssozki berichtet auch davon und von seinem Scheintod und seiner Wiederbelebung mittels einer Adrenalin-Injekton. Der Zuschauer erlebt einen von seiner Sucht gezeichneten Wyssozki, der wieder mal ein halblegales Konzert in der sowjetischen Provinz gibt. Er erzählt von einem menschlich handelnden KGB-Offizier, der ein Geständnis des Sängers zerreißt und ihn vor einer Falle bewahrt. Denn der Film geht auch als Geheimdienst-Thriller durch: Der KGB beobachtet und verfolgt Wyssozki und versucht, ihn zum Schweigen zu bringen.
Obwohl der ganze Film sehr emotional angelegt ist und alles ziemlich weit vorn an der Rampe spielt, bleibt es fraglich, ob sich der deutsche Kinogänger darauf einlässt, sich ein unverstelltes Bild von der Größe und der populären Macht des größten russischen Barden zu machen.
Deutscher Trailer
Das Filmfestival Russische Filmwoche in Berlin zeigt die Deutschlandpremiere des Films „Wyssozki – Danke, für mein Leben“ einen Tag vor dem offiziellen Kinostart. Der Eröffnungsfilm wird am 30. November im Delphi-Filmpalast präsentiert.
Mehr Informationen finden Sie unter http://russische-filmwoche.de/
Die Redaktion Russland HEUTE verlost 5 x 2 Kinokarten für diesen Film, der ab dem 1. Dezember in deutschen Kinos (http://wyssozki.de/kinos.htm) zu sehen ist. Die 5 ersten Leser, die sich bei uns unter vaulina@kaisercommunication.de mit dem Stichwort „Wyssozki – Danke, für mein Leben“ melden, bekommen je 2 Freikarten per Post zugeschickt.
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