Wie man mit Moskau klarkommt

Moskau ist laut, anstrengend und gefährlich: Die Straßen der Stadt gehören den Autos. Moskau ist neureich und teuer, aber sicher keine „Stadt des Lächelns“. Oder doch?

In Moskau wird nicht gelebt, in Moskau wird gearbeitet: Die Taxifahrer und Gastarbeiter aus den ehemaligen Sowjetrepubliken sind hier, um Geld zu verdienen. Die Auslandsdeutschen leben in einem eigenen Distrikt, abgeschirmt von der Außenwelt. Auch die Moskauer selbst kapseln sich in ihren Domizilen ab. Wenn sie einkaufen oder spazieren gehen, laufen sie immer die gleichen Wege ab. Alle, die in Moskau heimisch sind, nutzen die Stadt so, wie sie ist, ohne etwas an ihr ändern zu wollen.


Marina Schamidowa aus Belgorod kam vor fünf Jahren zum Studieren hierher. „Es ist anstrengend, jeder hat es eilig. Dafür kann ich um zwei Uhr nachts noch einkaufen gehen. Der pulsierende Rhythmus und die Hektik stimulieren mich, und ich liebe das Moskauer Nachtleben“, sagt sie. Aber kann sie von der Vielfalt als Studentin mit wenig Geld überhaupt profitieren? „Die Stadt ist wirklich sehr teuer“, gibt die 22-Jährige zu. Die Mieten seien hoch und ein Coffee to go koste so viel wie ein Café au lait auf der Champs-Élysées. „Aber man verdient dreimal mehr als in der Provinz. Nimm Moskau so, wie es ist, und du wirst es lieben“, lacht Marina und steigt eilig in die Metro, um es rechtzeitig zu einem ihrer drei Studentenjobs zu schaffen. 


Wer als Ausländer nach Moskau kommt, den erwartet Kälte, menschlich und klimatisch. Im Sommer kann es aber bis zu 40 Grad heiß werden, und die Moskowiter sind gar nicht so mürrisch, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Wer sich zu lächeln traut, bekommt meistens auch ein Lächeln zurück. Vielleicht nicht gerade von der uniformierten Dame am Metroschalter, aber auf jeden Fall von der Piroggenverkäuferin auf der Straße. 


Immer schön höflich bleiben


„Ich habe mir angewöhnt, immer besonders höflich zu bleiben. Meistens tauen die unfreundlichen Kassiererinnen in den Supermärkten dann auf“, sagt Lena Edich, die 33-jährige Projektleiterin des Deutsch-Russischen Forums. Moskau, das ist die Schnittstelle zwischen Ost und West. Seine Dimensionen zeigen sich vor allem in der Architektur: riesige Plätze, pompöse Gebäudekomplexe, ambitionierte Wolkenkratzerprojekte wie Moscow City. 


Die Größe, die Deutsche vielleicht als russische Weltmachtsansprüche identifizieren, ist dem Russen Alltag. Sein Land ist eben riesig, und daher sind auch sechsspurige Einbahnstraßen normal. Unwohl fühlt er sich schon eher in München oder Baden-Baden, seinen erklärten Lieblingsreisezielen in Deutschland, weil dort „alles so klein und eng“ ist. „Ich hatte mir die Stadt laut, monumental und sehr teuer vorgestellt. Und genauso ist sie“, sagt Michael Gordian. Der 27-jährige Mitarbeiter des Deutschen Historischen Instituts in Moskau findet die Stadt auf den ersten Blick nicht schön, aber aufregend und 
„irgendwie wild“. Hier könne es passieren, dass einem abends auf dem Gehweg ein Auto entgegenkommt und einen fast überfährt. Aber ebenso, dass man im Club von einem Moskauer Ehepaar auf ein Gläschen Wein eingeladen wird, um vom Leben in Deutschland zu erzählen. 


Alle 40 Sekunden eine U-Bahn


„Die Stadt macht Spaß, wenn man sich nicht einschüchtern lässt, in der Metro auch mal zurückschubst und sich auf Neues einlässt“, sagt Gordian, „im Supermarkt zum Beispiel nicht nur die überteuerten Westprodukte kauft, sondern auch einmal die leckeren und günstigen Lebensmittel aus Russland.“ Und der Tipp für das Moskauer Nachtleben: „Wodka in Karaffen.“ Dann fühle man sich gleich russischer.
Moskau ist auch die Stadt der unzähligen Theater, der kleinen Clubs mit Livekonzerten; eine europäische Stadt, deren Zentrum kunterbunte Kirchen schmücken, als seien sie dem Morgenland entsprungen; in der alle 40 Sekunden eine U-Bahn fährt und es von allem zu viel und gleichzeitig zu wenig gibt; wo das Leben pulsiert und beinahe alles möglich ist – wenn man dazu bereit ist.


Kathrin Aldenhoff ist ifa-Redakteurin bei der Moskauer Deutschen Zeitung.



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