Foto: PhotoXPress
Am Moskauer Luftfahrt-Drehkreuz herrscht eine kuriose Situation: Die drei größten russischen Flughäfen konkurrieren miteinander und kämpfen um Fluggesellschaften, Passagiere und Fracht. In der Sowjetunion war die Situation ganz entspannt: Die Moskauer Flughäfen hatten ihre Aktivitäten nach geografischer Ausrichtung aufgeteilt: Scheremetjewo war der modernste und größte. Über ihn wurden die internationalen Verbindungen abgewickelt. Domodjedowo bediente Sibirien, den Fernen Osten sowie Mittelasien sowie das Wolgagebiet und den Ural. Wnukowo kümmerte sich traditionsgemäß um die Flugziele in der Ukraine, Weißrussland, den baltischen Staaten und im Schwarzmeergebiet.
Der Zerfall der Sowjetunion schenkte alle drei Flughäfen die Freiheit und Unabhängigkeit, was nicht immer von Vorteil war. Scheremetjewo blieb in staatlicher Hand, von Wnukowo wurde ein 75%-iger Anteil der Moskauer Stadtregierung übereignet, der Flughafen Domodjedowo wurde vollständig privatisiert und durch die Unternehmensgruppe East Line betrieben. Heute belegt er die Spitzenposition im Passagierumsatz. 2011 fertigte er 25,7 Millionen Passagiere ab. Scheremetjewo brachte es auf 22,6 Millionen Passagiere und Wnukowo auf 8,2 Millionen .
Bereits 2010 wurden Überlegungen laut, dass der gegenseitige Wettbewerb der Flughäfen für Effizienzverluste verantwortlich sei. Deshalb könne, so die Überlegungen des Luftfahrtministeriums, eine Vereinigung der drei Flughäfen und die Gründung einer Gesamt-Verwaltungsgesellschaft die internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Ursprünglich sollte der Staat in der neuen Gesamtgesellschaft lediglich über eine Sperrminorität verfügen, die eigentliche Kontrolle aber den Privatgesellschaftern von Domodjedowo übertragen. Im Dezember 2010 wurden die Vermögenswerte der Flughäfen analysiert. Sie wurden bei Wnukowo auf 500 bis 700 Millionen US-Dollar, bei Scheremetjewo auf 1,6 - 2,4 Milliarden US-Dollar und bei Domodjedowo auf 4,1 - 5,1 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Wladimir Putin, damaliger Ministerpräsident, proklamierte im April 2011, dass zuerst die staatlichen Flughäfen Scheremetjewo und Wnukowo vereinigt werden, um sie "technologisch auf Vordermann zu bringen" und sie anschließend "zu einem entsprechenden Marktwert an den Markt zu bringen". Putin versprach "eine deutliche Vergrößerung des Fracht- und Passagierumsatzes" sowie Einsparungen im Staatshaushalt durch eine effektive Infrastruktur.
Parallel sickerte durch, welcher Grund für die Privatisierung noch vorgelegen haben könnte: Die neue Flughafengesellschaft sollte an einen großen ausländischen Investor verhökert werden. Glaubt man Igor Lewitin, dem Verkehrsminister der Russischen Föderation, würden ausländische Unternehmen Schlange stehen, um konkrete Verhandlungen mit der russischen Regierung aufzunehmen.
Der lange Weg zur Privatisierung im Paket
Die Verschmelzung der Flughäfen erweist sich jedoch als kompliziert. Schon deshalb, weil die Eigentumsstrukturen ziemlich verworren sind. Die Vermögenswerte des Flughafens Wnukowo gehören einer gemischten Gesellschaft, an der wiederum eine Gruppe Privatinvestoren um Witalij Wanzew beteiligt ist. Wanzew wäre bereit, seine Anteile gegen solche der fusionierten Gesellschaft einzutauschen, verkaufen will er nicht. Für den Staat wird es so schwerer, das Paket an einen neuen Investor zu verkaufen. Domodjedowo gehört der Investorengruppe East Line. Diese Eigentümer sind bereit, den Flughafen meistbietend zu verkaufen.
Bereits im Herbst 2011 begann die East Line Group selbst, einen Käufer zu suchen. Sie forderten für den Airport Domodjedowo mehr als fünf Milliarden US-Dollar, doch die Interessenten winkten ab und waren nicht bereit, mehr als 3,5 Milliarden US-Dollar auf den Tisch zu packen. Als einziger Bewerber ist nun die Summa Group des dagestanischen Geschäftsmannes Sijawudin Magomedow noch im Rennen. Im Frühjahr 2012 wurde bekannt, dass diese Gruppe bereits mit der russischen Sberbank über einen Kredit in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar für den Kauf des Flughafens verhandelt.
Doch der Taxwert von Domodjedowo könnte fallen. Nach dem Bombenanschlag vom Januar 2011, der 37 Menschenleben forderte, standen sowohl das Management als auch die Eigentümer des Flughafens wegen unzureichender Sicherheitsmaßnahmen in der Kritik. Dazu kommt, dass der Bau der dritten Start- und Landebahn durch das Verkehrsministerium der Russischen Föderation bis auf weiteres verschoben wurde. Außerdem muss bis spätestens 2014 mindestens eine der beiden vorhandenen Start- und Landebahnen renoviert werden. Dadurch wird der größte Moskauer Flughafen zeitweise mit nur einer Start- und Landebahn auskommen müssen und kaum das hohe Passagieraufkommen halten können. Dies wird logischerweise dazu führen, dass ein Teil der Fluggesellschaften nach Wnukowo abwandern wird, wo vor kurzem ein neues Terminal eröffnet worden ist, oder nach Scheremetjewo, wo gerade eine dritte Startbahn gebaut wird. Auch die Lufthansa bedient seit kurzem nicht mehr allein Domodedowo, sondern auch Wnukowo.
Synergieeffekte oder Konkurrenz?
Experten sehen verschiedene Szenarios für die weitere Entwicklung. Möglicherweise gewinnt der Staat mit der Summa Group einen etwas weniger spröden Verhandlungspartner als die East Line. Die Realisierung des Vorhabens, die Flughäfen zunächst unter einem Dach zu organisieren und danach zu privatisieren, erscheint unter diesen Umständen realistisch. Die Alternative wäre, dass Domodedowo eigenständig bleibt und in Konkurrenz zu den fusionierten staatlichen Flughäfen Scheremetjewo und Wnukowo ausgebaut wird. Andere Analysten sind der Meinung, dass Summa Group das gesamte Moskauer Luftkreuz unter seine Kontrolle bringen will.
Alexej Komarow, ein Kenner der Materie, glaubt, dass die Erhaltung des Wettbewerbs im Moskauer Hub der Luftfahrt zugute käme. „Die Konzentration aller Flughäfen in einer Hand birgt signifikante Risiken. Wenn sich das Management des Super-Flughafens als ineffektiv herausstellt, wird das alle drei Flughäfen treffen.“
Komarow erinnert daran, dass schon so manches frühere Projekt zur Konsolidierung der staatlichen Aktiva im Luftverkehrsbereich gescheitert sei. Das scheint die russischen Beamten nicht abzuschrecken. Sie sind überzeugt, dass die Aufhebung des Wettbewerbs im Moskauer Luftfahrt-Hub mehr Bewerber für die künftige Betreiber-Gesellschaft anziehen werde und ein höherer Erlös aus der Privatisierung zu erzielen sei. Die Erfahrungen mit der Übertragung des Sankt-Petersburger Flughafen Pulkowo an ein internationales Konsortium unter Führung der deutschen Fraport AG sind positiv. Es erhielt eine dreißigjährige Konzession und steigert seitdem das Betriebsergebnis. 2011 hat Pulkowo sich erstmals unter die ersten drei russischen Flughäfen geschoben und Konkurrent Wnukowo abgehängt.
Kyrill Slepynin und Alexej Jekimowskij arbeiten für das Magazin "Russischer Transport".
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