Vorstadtsiedlungen und „Gated Communities" liegen im Trend. Foto: 28-300.ru
Eine Schande sei es, was auf dem russischen Markt für Wohnimmobilien vor sich gehe, entfuhr es Igor Schuwalow vor einigen Wochen auf dem Wirtschaftsforum in St. Petersburg. Wie könne es sein, so der
Zahlen
53 Jahre muss ein durchschnittlicher Moskauer auf seine eigene Wohnung sparen.
20 Prozent Gewinn kann eine Moskauer Immobilie ihrem Besitzer einbringen, wenn er sie nach einem Jahr wieder verkauft.
Vizepremier, dass für viele Russen die eigenen vier Wände unerschwinglich blieben, während Bauherren und Investoren riesige Gewinne einstrichen? Für den Durchschnittsbürger lässt der Immobilienmarkt in der Tat wenig Raum zum Träumen. 53 Jahre müsse ein Moskauer auf eine Eigentumswohnung sparen, errechnete die Zeitung Argumenty i Fakty. In den übrigen Großstädten seien es immer noch 20 bis 30 Jahre. Auf zahlungskräftige Käufer hingegen warten satte Renditen: „Während in Europa die Erträge gewöhnlich bei zwei bis drei Prozent liegen, können Moskauer Immobilien Investoren zwischen 15 bis 20 Prozent im Jahr einbringen", sagt Oleg Reptschenko vom Immobilienportal IRN.ru.
Immobilienblase Sotschi
Wegen der großen Nachfrage könne man auch langfristig von einer Wertsteigerung von mindestens zehn Prozent ausgehen, dazu kämen
die laufenden Mieteinnahmen. „Auch bei einer Wirtschaftsflaute ist nicht zu befürchten, dass die Preise allzu stark fallen. Selbst nach der Finanzkrise 2008 haben sie nur um 30 Prozent nachgegeben – und das bei einem überhitzten Markt", sagt Reptschenko. Im Durchschnitt kostet der Quadratmeter in der Hauptstadt heute zwischen 2500 und 4500 Euro. Damit ist der Höchststand von Ende 2008 fast wieder erreicht. „Eine Immobilienblase", so Reptschenko, „ist dies jedoch nicht." Hingegen sei etwa in Sotschi ein massives Überangebot entstanden. Selbst im Vorfeld der Winterolympiade 2014 stiegen die Preise dort nicht mehr, und nach den Spielen werde es schwer, Käufer zu finden.
Auch der Architekt Jürgen Willen sieht den russischen Immobilienmarkt wieder im grünen Bereich. Der Deutsche baut derzeit zwei Villen westlich von Moskau an der Millionärsmeile Rubljowka. In der Entwurfsphase ist außerdem eine Wohnanlage nahe des sogenannten Deutschen Dorfs, wo Diplomaten und Geschäftsleute leben. „In der Krise
sind die Bauherren vorsichtiger geworden. Es zählt nicht mehr nur die Masse, sondern Qualität", so Willen. Diese Haltung decke sich mit den Ansprüchen der wachsenden Mittelschicht. Die legt Wert auf ein gepflegtes soziales Umfeld und funktionierende Infrastruktur – Schulen, Ärzte, Parkplätze. Der Trend greife auch auf die russischen Regionen über. In Omsk entwickelt Willen ein ganzes Stadtviertel unter besonderer Berücksichtigung der Nachhaltigkeit: Er verwendete hochwertige Materialien und ließ neben Grünanlagen ein Netz von Fahrradwegen anlegen.
Qualität dank Mittelschicht
Trotz der Attraktivität von Wohnimmobilien müssten ausländische Investoren wohlüberlegt handeln, warnt Jelena Jurgenewa vom Immobilienberater Knight Frank. Beim Weiterverkauf der Immobilie fällt eine Steuer von 30 Prozent an – erst wenn ihr Wert also um mehr als ein Drittel gestiegen ist, ist das Geschäft auch wirklich lohnend. Außerdem wird der Handel mit Immobilien in Rubel abgewickelt: Da kann es wegen der unterschiedlichen Kurse beim An- und Verkauf zu empfindlichen Verlusten kommen.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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