In der „Blutskirche" wurde Alexander II. ermordet. Foto:Lori/Legion Media.
Die Ermordung Rasputins ist wohl das „berühmteste" Verbrechen in der Stadt Sankt Petersburg, nicht zuletzt auch wegen seines nachhaltigen Einflusses auf die Geschichte Russlands. Täglich besuchen Hunderte Touristen das Jussupow-Museum, um einen Blick auf die berühmten Gemächer des Fürsten Felix Jussupow zu werfen, dem Schauplatz des Verbrechens.
Doch den Ruf einer „düsteren Stadt" hat die Metropole im Norden schon lange vor der Ermordung Grigori Rasputins erworben. Dunkle Verschwörungen, blutige Morde und die Legenden von den Geistern Ermordeter sind auf ihre eigene Art und Weise nicht weniger anziehend als die bezaubernden Fassaden des Newski-Prospekts.
Das Michael-Schloss: der „unheimliche Palast"
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Einer der „unheimlichsten" Paläste im Zentrum Sankt Petersburgs ist das Michael-Schloss, auch bekannt unter dem Namen Ingenieur-Schloss. Das Paradoxe ist: Als uneinnehmbare Festung gebaut, wurde das Schloss zur tödlichen Falle für seinen Hausherren. Heute kann man sich die beeindruckende Befestigungsanlage von einst aufgrund der späteren Umgestaltung des Schlossvorplatzes nur noch schwer vorstellen. Zu Lebzeiten des Zaren Pawel war der Platz, auf dem das Denkmal Peters I. steht, von einem Wassergraben umgeben. Kanonen thronten auf den Zugbrücken.
Doch auch die besten Sicherheitsvorkehrungen waren zwecklos, denn die Offiziere der Wachmannschaft waren an der Verschwörung beteiligt. Argamakow, der Generaladjudant des Zaren, führte die Verräter geradewegs zu Pawels Schlafgemach. Hauptmotiv der Verschwörung soll vor allem der Wahnsinn des Zaren und die daraus resultierende Sorge um das Schicksal Russlands gewesen sein. Für die Verschwörung rottete sich eine beeindruckende Truppe zusammen. Zu den bekanntesten Namen zählen der General-Gouverneur Sankt Petersburgs Pjotr Palen, der Vize-Kanzler Nikita Panin sowie die Gebrüder Subow. Im Übrigen war Platon Subow der letzte Günstling der Zarin Katharina II.
Auch die Kommandanten von vier Garderegimentern und eine Vielzahl Offiziere schlossen sich der Verschwörung an. Angeblich wusste sogar der Sohn des Opfers, der spätere Zar Alexander I., von der Verschwörung. Sein ganzes restliches Leben lang gab er sich selbst die Schuld an der Ermordung seines Vaters.
Doch eigentlich war ein Mord am Zaren gar nicht beabsichtigt, er sollte lediglich entthront werden. „Die folgenschwere Katastrophe geschah vollkommen unerwartet", ist in alten Geschichtsaufzeichnungen zu lesen. Pawel versuchte sich zu verstecken, wurde jedoch gefunden und seine Festnahme verkündet. Es folgte ein Handgemenge, wobei Nikolai Subow den ersten Schlag mit einer goldenen Tabakdose ausführte.
Einer Version der Geschehnisse zufolgt starb Pawel bereits durch diesen Schlag gegen seine Schläfe. Eine andere Version besagt, dass er wild zusammengeschlagen und mit einem Seidenschal erdrosselt wurde. Öffentlich wurde bekanntgegeben, der Zar sei „an einem Hirnschlag verschieden".
Im Michael-Schloss waren Pawel gerade einmal 40 Tage vergönnt. In den letzten Tagen vor seinem Tod soll er sich selbst im Spiegel als Erdrosselten mit gebrochenem Genick gesehen und unter akuter Atemnot gelitten haben.
Die "Blutskirche"
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Der eleganten Kirche im russischen Stil ist der Versuch anzusehen, die Moskauer Basilius-Kathedrale zu kopieren. Ein krasser Kontrast zu dem Ereignis, in dessen Angedenken die Auferstehungskirche errichtet wurde. Bis heute ist nicht klar, weshalb gerade des Volkes Wille den Tod des Zaren forderte. Alexander II. war kein Tyrann, wie sein Vater oder Großvater, und ebenso kein Schwächling, wie sein Sohn und sein Enkel. Den offiziellen Beinamen „der Befreier" hatte er sich redlich verdient, denn während seiner Regierungszeit wurde die Leibeigenschaft in Russland endlich abgeschafft. Nichtsdestotrotz war er das Ziel hartnäckiger Mordversuche, bei denen man sich um mögliche Kollateralschäden keine Gedanken machte. Am 1. März, als Alexander II. gerade in seinen Winterpalast zurückgekehrt war, explodierte eine Bombe, die zum Glück nur die Kutsche beschädigte. Als der Zar ausstieg und den Attentäter Nikolai Russakow zur Rede stellen wollte, warf ihm der Terrorist Ignati Grinewitzki eine zweite Bombe direkt vor die Füße.
Im Innern der Auferstehungskirche, im Volksmund auch Blutskirche genannt, finden sich noch heute Teile eines Gitters und des Straßenpflasters von dem Ort, an dem der Zar tödlich verletzt wurde. Die Hintermänner der Verschwörung, Sofie Perowskaja und Andrej Scheljabow, waren lange Zeit Namensgeber zweier nahegelegener Straßen.
Der Jussupow-Palast: Tatort des „berühmtesten" Verbrechens
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Eines der bekanntesten Petersburger Verbrechen ereignete sich am 17. Dezember 1916 in der Residenz des Fürsten Jussupow am Fluss Mojka. Die Verschwörer versuchten ihr Land zu retten, indem sie die Zarenfamilie vom Einfluss des Wanderpredigers Rasputin befreien wollten.
Die Umstände der Tat finden sich längst in jedem russischen Geschichtsbuch: Unter dem Vorwand eines Treffens mit der Gemahlin Jussupows wurde Rasputin in den Fürstenpalast eingeladen. Dort wurde er, so heißt es, mit Mandelkuchen bewirtet, dem Zyankali beigemischt war. Anschließend verpasste man ihm ein Dutzend Kugeln, doch trotz allem gelang Rasputin die Flucht. Auf der anschließenden Verfolgungsjagd wurde er jedoch schnell eingeholt, gefasst und im Flüsschen Malaja Newka ertränkt.
Die Leiche wurde dank der Blutspuren auf der Brücke bald darauf gefunden und von Tauchern aus dem eisigen Wasser gefischt. Der balsamierte Körper wurde heimlich im Alexander-Garten von Zarskoje Selo bestattet, und zwar an der Stelle, an der gerade die Kirche des Seraphim von Sarow errichtet wurde. Doch schon ein Jahr später drangen Soldaten der revolutionären Armee zum Grab vor und vernichteten die Gebeine des Toten. 2005 wurde auf der vermutlichen Grabstätte Rasputins in Zarskoje Selo ein Kreuz mit einer entsprechenden Inschrift aufgestellt.
Der Jussupow-Palast beherbergt heute die Ausstellung „Rasputin: Legenden und Realität". In den restaurierten Räumen des Palastes werden Konzerte und Bälle veranstaltet, auf denen sich in Frack oder Krinoline gekleidete Männer und Frauen von Welt vergnügen. Für Normalsterbliche werden stündlich ab 11 Uhr Führungen angeboten, von denen sich eine sogar ausschließlich der Ermordung Rasputins widmet.
Die Admiralität
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Am 30. August 1918 wurde in der Empfangshalle des Kommissariats für innere Angelegenheiten, das in der Admiralität auf dem Palastplatz untergebracht war, der Vorsitzende der Petersburger bolschewistischen Tscheka umgebracht. Moissei Urizkis Mörder, der Nachwuchspoet Leonid Kannegießer, gelangte auf seinem Fahrrad zum Ort des Verbrechens. Er konnte zwar nach dem Attentat flüchten, kam allerdings nicht all zu weit. Kannegießer wurde nur wenige Straßen weiter gefasst, verhaftet und bald darauf hingerichtet. Als schreckliche Folge dieses Meuchelmordes verkündeten die Bolschewiken den Roten Terror.
Kannegießer hatte vor seiner Hinrichtung erklärt, dass er sich mit dem Attentat für die Erschießung eines Freundes und jungen Offiziers rächen wollte. Später wurde versucht, den Anschlag den Sozialrevolutionären zuzuschreiben und ihn mit dem Moskauer Attentat auf Wladimir Lenin am selben Tag in Verbindung zu bringen.
Leonid Kannegießer entstammte einer wohlhabenden jüdischen Gelehrten-Familie und gehörte zum Kreis jener, die man am ehesten als Bohéme bezeichnen könnte. Der ansehnliche Jüngling war ein Poet und zugleich der Politik zugeneigt, was zu jener Zeit als schick galt. Kurzum: ein echter Revolutionsromantiker. Die Ermordung war offenbar weder von langer Hand vorbereitet, noch sonderlich gut durchdacht. Vielmehr war sie das Ergebnis einer seltsamen Eingebung.
Das Hotel Angleterre: Mord oder Selbstmord Jessenins?
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Im Jahr 1925 bereitete Sergej Jessenin, einer der besten und volkstümlichsten Dichter Russlands, eine Gesamtausgabe seiner bisherigen Werke vor. „In Russland sind fast alle Poeten gestorben, ohne die Herausgabe ihres vollständigen Werkes zu erleben. Ich aber werde meine miterleben", sagte Jessenin. Ende November wurden alle drei Bände in den Druck gegeben. Am 28. Dezember 1925 fand man Jessenin tot in seinem Zimmer im Hotel Angleterre auf. Sein letztes Gedicht verfasste er kurz vor seinem Tod in seinem Hotelzimmer: „Freund, leb wohl. Mein Freund, auf Wiedersehen...", stand mit Blut an die Wand geschrieben. Sergej Jessenin hatte zuvor darüber geklagt, dass es im Hotel keine Tinte gäbe, und seine letzten Verse mit seinem eigenen Blut geschrieben.
Die meisten Historiker und Biografen des Dichters stimmen darin überein, dass sich Jessenin selbst das Leben nahm. Zuvor hatte er sich wegen Depressionen in einer psychiatrischen Heilanstalt behandeln lassen. Erst in den 70er- und 80er- Jahren machte das Gerücht über die Ermordung des Dichters die Runde. Das Ganze sei lediglich als Selbstmord dargestellt worden – aus merkantilen Gründen, aus Eifersucht oder aber durch den Geheimdienst.
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