Mit dem Adoptionsverbot für US-Bürger reagiert die Staatsduma auf den Magnitskij-Akt der USA. Foto: RIA Novosti
400 Abgeordnete haben bei vier Gegenstimmen für das Gesetz gestimmt. Das Vorgehen der Parlamentarier mutet ein wenig seltsam an, denn einerseits sorgen sie sich um die russischen Kinder in den USA, ignorieren aber andererseits die miserable Situation im eigenen Land: Laut Statistiken sind in Russland in den letzten 20 Jahren 1220 adoptierte Kinder gestorben. Zum Vergleich: US-Bürger haben in dieser Zeit 60 000 russische Kinder adoptiert, von denen nur 19 gestorben sind.
Das so genannte Dima-Jakowlew-Gesetz sorgt für heftige Diskussion in der russischen Gesellschaft. Dima Jakowljew war ein russischer Junge, der in einem Auto seiner US-Adoptiveltern an einem Hitzschlag starb. Viele stellen
die Zweckmäßigkeit des Adoptionsverbots für US-Familien in Frage. Die Duma lässt sich davon jedoch nicht beeindrucken. Am vorigen Freitag wurde das umstrittene Dokument in erster Lesung verabschiedet. Die zweite Lesung war für den kommenden Freitag geplant, doch der Staatsrat beschloss, die Reaktion auf das Magnitskij-Gesetz zu beschleunigen.
Abgeordnete Olga Batalina (Einiges Russland) stellte in der gestrigen Plenarsitzung fest, dass die in der russischen Gesellschaft ausgebrochene Debatte „das Wichtigste" gezeigt habe: Die Interessen der Kinder müssten an vorderster Stelle stehen. Auch der kommunistische Abgeordnete Sergej Reschulski forderte eine entschlossene Antwort auf den Magnitskij-Akt.
Dmitri Gudkow (Gerechtes Russland) war einer der wenigen, die das Gesetz kritisierten. „Wir sollten nicht über dieses Thema spekulieren und Kinder zu Geiseln von politischen Auseinandersetzungen machen." Zugleich verwies er darauf, dass sich 100 000 Russen im Internet gegen die Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes geäußert haben. Sein Fraktionskollege Ilja Ponomarjow sagte: „Jeder normale Mensch weiß doch genau, dass wir auf das Magnitskij-Gesetz antworten, aber spekulativ und mit asymmetrischen Mitteln. Wir werfen das Thema Adoption auf, um den Diebstahl von 230 Millionen Dollar durch unsere anderen Mitbürger und den darauffolgenden Mord an Rechtsanwalt Magnitski in einem russischen Gefängnis zu decken."
Politologe Pawel Salin hält Moskaus Antwort auf das Magnitski-Gesetz für „perfide und zynisch". „Man sollte bedenken, dass die US-amerikanische Elite ihr Geld nicht in Russland aufbewahrt, sondern russische Geldsäcke ihre Mittel im Westen anlegen", warnte der Experte. Für das russische Establishment seien die US-Beschränkungen kein Problem, was sich jedoch ändern könnte, wenn andere westliche Länder dem Beispiel der USA folgen. „Sollte beispielsweise Großbritannien ein solches Gesetz verabschieden, wäre das ein herber Schlag für die russische Elite."
Experte Andrej Pionkowski hält das Dima-Jakowlew-Gesetz für „kannibalistisch". „Die Abgeordneten wissen doch, dass die Debatte über dieses Thema ein schreckliches Urteil für das ganze Land ist. In Amerika gibt es keine Waisenhäuser, und in Russland will niemand diese Kinder adoptieren", stellte er fest und verwies darauf, dass es in Russland viel mehr Zwischenfälle mit Kindern gibt als in den USA. „Es ist eine Schande, Demagogie über dieses Unheil zu betreiben."
Dieser Beitrag erschien zuerst bei RIA Novosti.
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