Beresowski war ein Verlierer, trotz seiner Milliarden und seiner Macht. Foto: AP
„Wer zuerst stirbt, hat verloren. Ich gewinne immer." Dieses dem Oligarchen Boris Beresowski zugeschriebene Bonmot hat für ihn zuletzt doch seine Gültigkeit verloren. Oder nicht? Der promovierte Mathematiker kokettierte gerne mit einem guten Dutzend angeblichen Anschlägen auf
sein Leben und dozierte über die statistische Wahrscheinlichkeit seines Überlebens. Beeindruckend ist sie schon, diese Statistik:
1994 überlebte Beresowski einen Autobomben-Anschlag, sein Chauffeur kam dabei ums Leben. Im selben Jahr starb der Journalist Wladislaw Listjew, damals Chef des Kanals ORT, ein Streit um Werbeeinnahmen soll das Motiv gewesen sein. Der Eigentümer des Kanals war Beresowski.
1998 erregte der KGB-Offizier Alexander Litwinenko öffentliche Aufmerksamkeit, als er im Fernsehen behauptete, er sein mit seinen Kameraden von seinen Vorgesetzen beauftragt worden, Boris Beresowski zu ermorden, für den Litwinenko seit längerem nebenberuflich arbeitete.
2003 starb Sergei Juschenkow, Vorsitzender der von Beresowski finanzierten Partei „Liberales Russland". Ins Gefängnis musste dafür sein Parteigenosse Michail Kodanjow, der die Tat aber vehement abstreitet und anstatt dessen Beresowski als den Anstifter benennt. Beresowski nutzte das Verbrechen als Beweis dafür, wie gefährlich er lebe und erhielt politisches Asyl in Grußbritannien.
2004 starb Paul Khlebnikov, Chefredakteur des russischen Forbes-Magazins und Autor des Buches „Der Pate des Kreml – Boris Beresowski und die Macht der Oligarchen". Als Mörder wurden tschetschenische Killer ausgemacht.
2006 starb Alexander Litwinenko, der Ex-KGB-Mann, der behauptet hatte, er hätte Beresowski liquidieren sollen. Er hatte sich inzwischen nach London abgesetzt, wo auch sein Geldgeber Beresowski weilte. Dort fristete er sein Dasein als Handlanger des Oligarchen, der ihm dafür immer weniger Geld zahlte. Litwinenko wurde mit radioaktivem Polonium vergiftet, im Westen gilt sein Tod als Werk des Kremls. Natürlich wies Beresowski auch dieses Mal wieder dezent darauf hin, dass eigentlich er das Opfer hätte sein sollen.
2008 starb Badri Patarkazischwili, Geschäftspartner Beresowskis, Philanthrop und Mafia-Pate. Sein Vermögen kam zum größten Teil an Beresowski, der sich in London zunehmend schwer tat, neue Einnahmequellen zu erschließen.
Jetzt hat sich das Gesetz der Serie gegen den abgehalfterten Strippenzieher gewendet. Und wie bei allen anderen hier genannten Fällen fragt sich die Öffentlichkeit in Russland und anderswo, was wirklich passiert ist. War es Beresowski selbst, waren es seine Gegner oder war es nur ein Zufall?
Ein Verlierer war Beresowski schon lange, trotz seiner Milliarden und seiner Macht. Beresowski verkörperte den Typus des Zockers, der sich den Zerfall des Sowjetsystems zu Nutze machte. Er wurde reich, ohne im eigentlichen Sinne unternehmerisch tätig zu sein. Er wurde mächtig, in dem vorgab, das Ohr der Mächtigen zu haben. Beresowski steht für nichts außer für Intrigen und Betrug. Damit stand er nicht alleine im postsowjetischen Russland. Aber keine zelebrierte diese Rolle so wie er. Doch auf die Dauer war das zu wenig. Wer nichts kann, außer Schummeln, der steht irgendwann vor dem Nichts. Jetzt ist es da, das Nichts, für Boris Beresowski. Der Wert der Gleichung seines Lebens ist Null, trotz aller Rechenkünste und Statistik-Tricks.
Dennoch zweifeln viele Russen daran, dass Beresowski wirklich tot ist. Man traut dem Mann einfach alles zu, auch dass er einmal mehr seinen eigenen Tod inszeniert hat. Aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist natürlich verschwindend gering.
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