Chodorkowski: Kein Mandela, kein Robin Hood, kein Solschenizyn

Michail Chodorkowski während der Pressekonferenz in Berlin am 22. Dezember 2013. Foto: Reuters

Michail Chodorkowski während der Pressekonferenz in Berlin am 22. Dezember 2013. Foto: Reuters

"Ist die Welt ein Stück besser geworden, jetzt wo der Mann wieder in Freiheit ist, der Anfang der 1990er Jahre wie andere Komsomol-Funktionäre seine privilegierte Stellung dazu genutzt hat, sich ein Milliardenvermögen zu ergaunern?"

Nein, er ist keine Lichtgestalt. Kein Messias, kein Revolutionär, kein Heiliger. Auch kein Nelson Mandela, kein Robin Hood, nicht einmal ein neuer Solschenizyn.

Michail Chodorkowski hat seinen Mitmenschen unermesslichen Schaden zugefügt. Warum tun einige in diesem Lande also so, als sei die Freilassung des Oligarchen eine frohe Botschaft für uns? Ist die Welt ein Stück besser geworden, jetzt wo der Mann wieder in Freiheit ist, der Anfang der 1990er Jahre wie andere Komsomol-Funktionäre seine privilegierte Stellung dazu genutzt hat, sich ein Milliardenvermögen zu ergaunern?

Die einzige Ungerechtigkeit, die ich im Falle Chodorkowski erkennen konnte, war die berühmte Frage „warum nur er?". Hinter Gitter gehörten eigentlich auch alle anderen, die wie er den Zusammenbruch der Supermacht UdSSR dazu genutzt haben, die Konkursmasse untereinander aufzuteilen. Dabei waren ihnen alle Mittel recht. Ihr Aufstieg brachten es mit sich, dass die Masse ihrer Mitbürger immer ärmer und ärmer wurde, dass Rentner verhungerten, Kranke sich keine Behandlung mehr leisten konnten, dass das Bildungsniveau stark nachließ, die Geburtenrate sank... Jeder, der das Russland der Jelzin-Ära erlebt hat, weiß Bescheid. Zugegeben, Chodorkowski musste nicht deshalb ins Gefängnis, sondern weil er sich mit Putin angelegt hatte. Aber er saß dort keineswegs als Unschuldiger.

Mit der Begnadigung hat der Präsident Stärke gezeigt. Er entscheidet, wer sitzt und wer frei herumlaufen darf. Ein Signal an die Elite: Ihr habt freie Hand, solange ihr brav seid. Lupenreine Demokratie ist das nicht, aber jemand wie Michail Chodorkowski ist bestimmt nicht der geeignete Mann, dies zu ändern. Auch wenn uns sogenannte Russland-Experten einreden wollen, seine Entlassung habe in Russland große Freude und Hoffnung ausgelöst, denn „die Russen" hätten ein Faible für Märtyrer, so ist das einfach nur Blödsinn. Mag sein, dass Mitleid mit den Schwachen, den Duldern eine typisch russische Tugend ist, aber ein Milliardär taugt nicht für diese Rolle. Der Versuch, ihn zu Ikone aufzubauen, ist im Westen erfolgreich. In Russland wird das nicht klappen und ich hoffe nur, dass es nicht unsere Steuergelder sind, die dafür verbraten werden.

Auch diejenigen, die die Schwächung Russlands für ein erstrebenswertes Ziel halten, sollten eigentlich bestrebt sein, unser Geld zielgerichtet einzusetzen. Für die Unterstützung der Bolschewiki hatte das deutsche Reich im I. Weltkrieg umgerechnet etwa 75 Millionen Euro ausgegeben. Schließlich wurde Lenin in dem berühmten plombierten Eisenbahnwaggon nach Petersburg geschickt. Die Rechnung schien aufzugehen, Russland schloss einen Separatfrieden. Ob das Entstehen der Sowjetunion aber letztlich im Sinne der deutschen Steuerzahler war, darf bezweifelt werden.

Alexander Solschenizyn, dessen Werke in hohen Auflagen verlegt und in die Regale fast aller Bibliotheken der westlichen Welt gestellt wurden, war eine moralische Autorität, ein echter Dissident. Hier hatte sich die Investition der

westlichen Geheimdienste gelohnt. Mit Chodorkowski wird sich dieses Spiel nicht wiederholen lassen. Zum einen bringt der Kandidat für die Rolle nicht die nötigen Voraussetzungen mit. Zum anderen sind die Russen heute vorsichtiger mit Idolen, die vom Westen re-importiert werden.

Apropos Steuergelder für Ikonen: Die ukrainische Führung hatte ja vorgeschlagen, die EU könne für schlappe 20 Milliarden Euro die Assoziation haben und die ukrainische Madonna Julia Timoschenko obendrauf. Was denken wohl Griechen und Spanier über diesen Vorschlag? Wollen wir uns noch so eine frohe Botschaft zum Jahresende leisten? Ein Geschenk an uns alle? Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Joachim Gauck und Klaus Kleber uns diesen Deal als großartige Investition in die Sache der Freiheit anpreisen.

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