Eines der Highlights des Festivals "Das Fest" war der Festzug über den Platz, an dem bayerische Musiker, ein Ritter, Jongleure und Männer auf Stelzen teilnahmen.
Alexandra PoljakowaUnzählige Zelte mit Bier, Würstchen und Fleisch, lange hölzerne Tische und Bänke, Männer und Frauen in bayrischen Trachten – so sah am vergangenen Samstag der Industrieplatz am WDNCh, dem Allrussischen Ausstellungszentrum in Moskau, aus. Vor dem Modell einer Wostok-Rakete, mit der Juri Gagarin 1961 ins Weltall flog, stand eine große, grüne Bühne, von der pausenlos Musik schallte. Die Besucher des Geländes ließen sich von der enormen Hitze des Tages nicht stören und tanzten energisch vor der Bühne.
Das Festival der deutschen Traditionen mit dem schlichten Titel „Das Fest“ findet in Russland seit fünf Jahren statt. Anfangs wurde es in Sankt Petersburg veranstaltet, doch dann wandten sich die Vertreter des größten russischen Bierunternehmens Baltika an die Organisatoren und „Das Fest“ zog nach Moskau um. Das deutsche Holsten-Bier wird auch in Russland hergestellt und so wurde die Marke zum Mitveranstalter und Hauptgetränk des Festivals.
„Wir wollten den Besuchern die Möglichkeit geben, den wahren Geschmack von Deutschland zu erleben“, sagt Mitorganisator Dmitri Aschman. Also ein russisches Pendant zum Oktoberfest, doch mit einer Besonderheit: „Wir haben es mit einem Musikfestival kombiniert, denn beim Oktoberfest treten keine Bands auf“, erklärt Aschman. Letztes Jahr war Scooter da, dieses Jahr spielten Bravo und Uma2rman, „zwei gute russische Gruppen“, wie der Veranstalter sagt.„Wir wählen Musiker, die uns sympathisch sind, und auch kleinere lustige Gruppen, die den Leuten helfen, sich zwischen den Zelten im Laufe des Tages nicht zu verlaufen“, fügt er hinzu. Das Programm, das in diesem Jahr mehr als 50 000 Besucher anzog, dauerte bis spät in die Nacht und bot weit mehr als nur Tanzen.
Fässer auf ein Podium aufzurollen, finden die Besucher des Festivals von Jahr zu Jahr besser. Foto: Alexandra Poljakowa
Viele Gäste ließen sich traditionelle Zöpfe flechten und färben oder künstliche farbige Schnurrbärte und Augenbrauen ankleben. Vor dem „Deutschen Schönheitssalon“, wo diese optischen Veränderungen durchgeführt wurden, bildete sich eine der längsten Schlangen des Festivals. Für etwas geringeres Interesse, dafür aber nicht weniger Belustigung sorgte ein Spiel an einem anderen Stand: Fässer auf ein Podium aufrollen. „Dieses Spiel ist auf die deutsche Tradition zurückzuführen, bei der Fässer mit Bier aufgefüllt und an einen kühlen Ort gerollt wurden. Die Organisatoren haben einen Wettbewerb daraus gemacht, da es tatsächlich gar nicht so leicht ist, ein Fass in Bewegung zu bringen“, erklärte Sergej Golubtzow, Vertreter von Holsten.
Eines der Highlights des Festivals war der Festzug über den Platz, an dem bayerische Musiker, ein Ritter, Jongleure und Männer auf Stelzen teilnahmen. Doch auch wer abseits der Bühne und der zentralen Straße wandelte, konnte deutsche Kultur erleben – so liefen ein Akkordeonspieler und ein jodelndes Mädchen mit Zöpfen auf dem Gelände umher.
Frisch aus dem Schönheitssalon: Dina und ihr Freund. Foto: Alexandra Poljakowa
Jeder Gast hatte eigene Vorstellungen von der deutschen Kultur – die meisten waren zufrieden damit, was sie auf dem Festival sahen. „Es ist toll hier, die Atmosphäre ist sehr freundlich und positiv. Es ist schön, hier zu sein. Genau so stelle ich mir die deutsche Kultur vor: bayerische Würstchen, Bier, Tanzen, Zöpfe und Spaß“, fasste Dina ihren Besuch zusammen.
„Die deutsche Kultur ist hoch entwickelt, ihre Traditionen sind sehr alt. Wir können viel davon übernehmen“, meinte die Besucherin Natalia zu RBTH. Auch sie war von dem Open-Air-Festival sehr angetan: „Dieses Festival war so herzlich und intim. Es hatte eine gute Atmosphäre, sehr ungezwungen und gesellig“, fand die Rentnerin.Doch für manche wurde die deutsche Kultur zu knapp dargestellt: „Für mich bedeutet deutsche Kultur Ordnung, gute Teamarbeit, qualitativ hochwertige Autos. Ich denke, hier wurden nur die gängigen Stereotypen aufgegriffen: Bier, Würstchen, bayrische Tracht. Ich habe auch mehr Deutsche erwartet, gesehen habe ich keine“, bedauerte beispielsweise Julia Kulakowa. Und sie muss es wissen: Sie unterrichtet Deutsch.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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