Vor 200 Jahren: Wie furchtlose Russen die Antarktis erschlossen

Während der Brite James Cook und sein italienischer Kollege Amerigo Vespucci noch vermuteten, dass es einen antarktischen Kontinent geben könnte, machten sich die Russen schon zu dessen Entdeckung auf. Wir blicken auf die spannende Geschichte der Erschließung der Antarktis zurüchk.
Unterwegs in der Antarkis heute

Ich bin mir sicher, dass es noch mehr Land gibt und wir bisher nur einen Bruchteil davon gesehen haben!“

Dies schrieb einst der britische Kapitän und Entdecker James Cook nach der Einfahrt in den Südlichen Ozean auf seiner Weltreise. Er verstand damals schon gut, dass es hart werden würde, den vermuteten antarktischen Kontinent zu erreichen – allein wegen der ungemütlichen Wetterbedingungen. Die russischen Abenteurer wussten das damals auch schon. Riskierten dennoch eine Reise in die unerforschten Gewässer.

Rivalen zur See

Das Russische Zarenreich und das Britische Imperium waren lange Konkurrenten auf den Weltmeeren. Als Cook dann öffentlich über den neuen unentdeckten Kontinenten am Südpol spekulierte, war klar, dass seine Erschließung durch die Briten nur eine Frage der Zeit sein könne. Zumal britische Robbenjäger schon damals regelmäßig die südlichen Meere besegelten.

Im frühen 19. Jahrhundert – in etwa zur Zeit der Napoleonischen Kriege – war die russisch-britische Rivalität in der Seefahrt besonders groß. Wer würde nun den wohl südlichsten Kontinenten der Erde als Erster betreten?

Den Russen war klar, dass die Briten also bald auch diesen Kontinent entdecken würden. Da sie selbst ja aber viel erfahrener im Besegeln vereister Meere waren, konnten sie ihren Rivalen zuvorkommen. Nach der Ersten Russischen Weltumseglung  unter dem Kommando von Iwan Krusenstern trauten sich die Russen eine solche Expedition zu. Und so machten sie bald schon ihre Schiffe eisfest und reisten bei unmenschlichen Wetterlagen in Richtung Südpol.

Gute Vorbereitung ist die halbe Miete

Fabian Gottlieb von Bellingshausen (1778 – 1852)

Am 16. Juli 1819 machten sich die zwei russischen Kriegsschiffe Mirny“ und Wostok“ vom nordwestrussischen Hafen in Kronstadt aus auf den Weg gen Süden und erreichten dann Mitte November Rio de Janeiro.  Der damals 41-jährige deutschbaltische Kapitän Fabian Gottlieb von Bellingshausen (1778 – 1852), der bereits an Krusensterns Weltumseglung teilgenommen hatte, wurde zum Leiter der Expedition bestimmt, die die erste Russlands und der Welt in den südlichsten Teil der Erde werden sollte.

Die Matrosen wurden gut ausgerüstet, nahmen große Vorräte fermentierten Kohls und Zitronen mit, weil diese Produkte lange haltbar sind und dennoch Vitamine und Mineralstoffe liefern.  An jedem Hafen auf dem Weg gen Süden tauschten sie Geld und kauften frische Früchte. Vitamine waren wichtig in der Matrosennahrung. Um nicht zu frieren, gab es an Bord auch einen großzügigen Rum-Vorrat.

Die Crew wurde zur vorbildlichen Einhaltung der Hygienevorschriften angehalten, sollte täglich die Kleidung lüften sowie Kajüten und Kabinen regelmäßig reinigen. Außerdem gab es an Bord sogar eine echte russische Banja.

Unterwegs in der Antarkis heute

Sicher auch aufgrund dieser strengen, aber nötigen Regulierungen, starb bei dieser Expedition nur ein Matrose – an dem berüchtigten sogenannten „Nervenfieber“ das bei manchen Menschen auftritt, wenn sie die Südpolarkreis passiert haben.

Die Wostok“ hatte eine Mannschaft aus 117 Mann unter Bellinghausens Kommando an Bord. Auf der „Mirny“ reisten außerdem noch 73 weitere Matrosen unter Kommando des gerade einmal 31-jährigen Leutenant Michail Lasarew. Die beiden Schiffe unterschieden sich aber nicht nur in ihrer Größe: Die „Mirny“ war von russischen Schiffsbauern konstruiert und gebaut worden und verfügte über zahlreiche besondere Vorkehrungen für den Fall einer dicken Eisdecke. Die „Wostok“ dagegen wurde nach britischen Plänen gebaut und hatte während der Antarktis-Expedition immer wieder Probleme. Sie musste regelmäßig repariert werden und sollte später noch eine negative Hauptrolle bei der eigentlichen Erschließung des Südpol-Kontinents spielen.

Michail Lasarew (1788 - 1851) im Porträt von Iwan Ajwasowskij

Außer der Matrosen gab es natürlich noch einen Arzt an Bord, einen Maler, einen Astronomie-Professor sowie einen orthodoxen Priester. Wozu der Priester? Erstens brauchten die Seemänner selbst manchmal auch geistlichen Beistand. Außerdem träumten die Seefahrer immer davon, möglicherweise zu treffende Einheimische zum Christentum bekehren zu können.

Auch Feuerwaffen und Kanonen waren an Bord – für den Fall, dass man sie nicht mit offenen Armen empfangen sollte. Die Waffen wurden letztlich nicht gebraucht. Aber auch das machte die Expedition nicht viel leichter…

Reisen und entdecken, entdecken und reisen

Blick auf die Forschungsstation am Südpol in der Ost-Antarktis. Sie wurde am 16. Dezember 1957 gegründet.

Von Rio aus steuerte die russische Expedition dann in Richtung der antarktischen Gewässer, wo die Mannschaft bald Neuland entdeckte. Sie passierten die zuvor von dem britischen Konkurrenten Cook entdeckten Sandwich-Inseln. Aber auch die Russen selbst entdeckten einige Inseln.

Am 28. Januar 1820 dann erreichten beide Schiffe das Antarktische Eis. „Mirny“-Kapitän Lasarew meldete „eine mächtige Eisdecke von großer Dicke soweit das Auge reicht“.  Die Russen hatten den Antarktischen Eisschild erreicht, der nahezu den gesamten Kontinent bedeckt. Der antarktische Winter  hatte gerade erst richtig begonnen. Darum kehrten die russischen Entdecker zunächst nach Port Jackson (Sydney) in Australien zurück und gönnten sich eine Pause.

„Unsere Schiffe waren ständig in Eisnähe. Die Mannschaft litt unter dem schneidenden Wind, der das Seeklima dort beherrscht, und noch mehr unter der dickflüssigen Dunkelheit sowie dem nassen und schweren Schnee, der hier oft und reichlich fällt. Der Frost begleitete unsere gesamte Reise. Die Eisberge reichten bis zu über 400 Fuß aus dem Wasser heraus (russische Fuß, umgerechnet etwa 120 Meter – Anm . d. Red.) und erstrecken sich im Durchmesser über bis zu 15 Meilen. Das ist, was wie hier üblicherweise sehen. Wir haben die grö0ten Vorsichtsmaßnahmen getroffen und legen größte Wachsamkeit an den Tag, um uns zu schützen. Der kleinste Fehler würde unsere Reise in den Ruin stürzen.“

Das schreibt Kapitän Bellinghausen in seinem Bericht aus Port Jackson an das Seefahrtministerium in Sankt Petersburg.

Ein knappes Jahr später – im Dezember 1820 – überquerten die zwei russischen Segelschiffe erneut den Südpolarkreis, um noch mehr Land zu erkunden. Nach einem Monat jedoch verfiel die „Wostok“ in einen so schlechten technischen Zustand, dass eine Weiterfahrt ein zu großes Risiko darstellte.  Darum mussten die Schiffe dann schon im Januar 1821 umkehren.  Die gesamte Antarktisreise dauerte 751 Tage.

Am 5. August liefen beide Schiffe wieder in Kronstadt ein, wo sie Zar Alexander I. höchstpersönlich begrüßte und der Mannschaft damit und den zahlreichen Verdienstorden eine große Ehre erwies.

Unterwegs in der Antarkis heute

Der nächste russische Besuch in der Antarktis ließ dann allerdings 136 Jahre auf sich warten. Erst 1959 erreichte die mittlerweile Sowjetische Antarktis-Expedition den Kontinent und errichtete dort die erste russische Forschungsstation in der Antarktis. Benannt ist sie nach dem kleineren der beiden Expeditionsschiffen, der „Mirny“.

>>> Überleben überm Polarkreis: Russen überstehen unmenschlichste Bedingungen

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