74% der Russen sind gegen eine Zulassung des Waffenbesitzes. Der Anteil der Befürworter eines freien Waffenverkaufes ist doch seit 1991 von 14% auf 22% gestiegen. Foto: ITAR-TASS
Sollte der russischen Bevölkerung das Recht auf Erwerb von Schusswaffen eingeräumt oder im Gegenteil der Verkauf selbst nicht-tödlicher Waffen verboten werden? Die öffentliche Debatte zu diesem Thema ebbt immer wieder ab, um danach mit erneuter Schärfe entfacht zu werden. Die Mehrheit der Russen indessen hat eine klare Meinung.
Die Forschungsgruppe ZIRKON ermittelte im Rahmen einer auf zwei Jahre angelegten Untersuchung zu dieser Fragestellung, dass die Mehrheit der Russen – mit Stand vom September 2012 waren es 74% – die Initiative ablehnt, Zivilpersonen die Aufbewahrung und das Führen von Pistolen und Revolvern für Zwecke der Selbstverteidigung zu erlauben. Nach statistischen Daten des Lewada-Zentrums sprachen sich bereits 1991 76% der Befragten einer Stichprobe gegen eine Zulassung des Waffenbesitzes aus. Experten von ZIRKON indessen berichten von einer geringfügigen Trendwende der öffentlichen Meinung in den vergangenen zwei Jahren. Der Anteil der Befürworter eines freien Waffenverkaufes ist von 14% auf 22% gestiegen. Soziologen sehen darin einen Erfolg der von den Befürwortern der Legalisierung initiierten Diskussionen. Immer mehr Zivilpersonen betrachten den Gebrauch von Schusswaffen als legitime Form der Selbstverteidigung.
Dabei ist der Besitz einer Schusswaffe für die Mehrheit der russischen Bevölkerung keineswegs ein unerfüllbarer Traum. Jeder Russe hat nach Vollendung des 18. Lebensjahres das Recht, glattläufige Gewehre und natürlich auch nicht-tödliche Waffen zu erwerben. Nach Angaben des russischen Innenministeriums besitzen in Russland ungefähr 5 Millionen Bürger Waffen. Den Erwerb kurzläufiger Schusswaffen hat der Gesetzgeber Zivilpersonen jedoch verboten, und an dieser Rechtslage wird sich in absehbarer Zukunft wohl auch nichts ändern.
Nach dem blutigen Drama vom Herbst vergangenen Jahres, als ein Moskauer Jurist sechs seiner Kollegen direkt in seinem Büro erschoss, kündigte die Regierung eine Verschärfung der für Zivilpersonen geltenden Regelungen des Waffenverkehrs an.
Auf die kürzlich von der Liberaldemokratischen Schirinowskij-Partei LDPR gestartete Initiative, den Bürgern Russlands für Zwecke der Selbstverteidigung den Einsatz einiger Kategorien kurzläufiger Schusswaffen zu erlauben, reagierte die Regierung dementsprechend abschlägig. In einer offiziellen Stellungnahme zum Gesetzentwurf der LDPR heißt es, ein freier Verkehr kurzläufiger Schusswaffen werde sich „negativ auf die öffentliche Sicherheit im Land auswirken."
Der Dumaabgeordnete Alexej Schurawlew ist davon überzeugt, dass es in Russland keine Kultur des Umgangs mit Waffen gibt und deren freier Umlauf zu nichts Gutem führen kann. „Dutzende Millionen Schusswaffen und nicht-tödliche Waffen sind im Besitz unserer Mitbürger. Häufig machen Hitzköpfe von ihnen Gebrauch, weil sie nichts Besseres zu tun haben", erklärt er.
Ein schnelles Ende der Kontroverse zwischen Anhängern und Gegnern der Legalisierung ist nicht in Sicht. Selbst einige prominenter Politiker verschiedenster Lager treten für das Recht auf Waffenbesitz ein. Waffen im Besitz der Zivilbevölkerung betrachten sie als „letzte Verteidigungslinie im Kampf gegen die Kriminalität". Ihre Rechnung ist einfach: Je mehr legale Waffen in den Händen der Bürger, desto weniger Straftaten. „Das Mitführen einer Waffe bedeutet nicht, dass sein Besitzer von ihr Gebrauch machen wird. Ein Krimineller aber weiß nicht, ob sein potentielles Opfer bewaffnet ist, und das wird ihn abschrecken", glaubt der bekannte Jurist Michail Barschtschewskij.
Soziologische Studien ergaben, dass Russen, die nach eigenen Angaben persönlich Opfer von Straftaten wurden, sich doppelt so häufig für eine Legalisierung von kurzläufigen Schusswaffen aussprechen und fast um das 2,5-fache häufiger zum Erwerb einer solchen Waffe bereit sind wie Befragte ohne vergleichbare Erfahrung.
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