Russlands Eliten und ihre Wohltätigkeit

Swetlana Medwedjewa. Foto: RIA Novosti

Swetlana Medwedjewa. Foto: RIA Novosti

In Russland hat sich der westliche Typ der First Lady, die sich wohltätig engagiert und gleichzeitig das Image ihres Mannes aufwertet, noch nicht etabliert. Mit wenigen Ausnahmen scheuen die hochgestellten Beamten in Russland die Präsenz ihrer Frauen in der Öffentlichkeit.

In den Kreisen hochgestellter russischer Beamter herrscht die unausgesprochene Regel, wonach man seine Frauen so selten wir möglich dem Licht der Öffentlichkeit preisgibt. Gelegentlich sickern jedoch Informationen über ihre Frauen in die Presse durch. Etwa im Zusammenhang mit Korruptionsskandalen oder dem Medienwirbel nach einer Veröffentlichung von Beamteneinkommen.

Man weiß wenig über das wohltätige Engagement der nach einer Deklaration für das Jahr 2012 reichsten Frau eines Staatsdieners – der Gattin des ersten Vizeministerpräsidenten Olga Schuwalowa (ihr deklariertes Jahreseinkommen: ca. 5,1 Millionen Euro). Ihr folgen hinsichtlich des Jahreseinkommens Sumrud Rustamowa (die Frau des stellvertretenden Ministerpräsidenten Arkadij Dworkowitsch), Olga Mordkowitsch (die Frau des Bildungsministers Dmitri Liwanow), Maria Topilina (die Frau des Arbeitsministers) und Natalja Kwatschewa (die Frau des stellvertretenden Ministerpräsidenten Dmitri Kosak). Sie alle deklarieren mehrere Millionen hohe Einkommen, haben teure Autos und Yachten. Im Bereich der karitativen Tätigkeiten werden sie aber nicht erwähnt.

In einer der größten Wohltätigkeitsorganisationen Russlands, der Stiftung „Podari schisn“ (Schenke Leben) antwortete man auf die Frage des Engagements hochgestellter Damen: „Nein, da können wir wahrscheinlich nicht einen einzigen Namen nennen. Wahrscheinlich unterstützt uns die eine oder andere prominente Dame, aber nicht öffentlich und ohne uns oder den Medien etwas darüber mitzuteilen."

Die einstige First Lady Swetlana Medwedjewa ist zwar in der Wohltätigkeit engagiert, jedoch in einem sehr spezifischen Bereich. Seit 2007 steht sie dem Kuratorium des Programms „Geistig-moralische Kultur der heranwachsenden Generation Russlands“ vor. Auf dem offiziellen Internetauftritt dieser Organisation finden sich keinerlei Hinweise über konkrete Projekte. Es heißt dort nur, das Programm wolle „die Aufklärungs- und Bildungsarbeit für Jugendliche mit geistig-moralischem Inhalt füllen. Neben ihrem Mitwirken an diesem Projekt gehört Swetlana Medwedjewa dem Organisationskomitee des Festivals des orthodoxen Kinos für Kinder „Lutschesarnyj Angel“ an.

 

Von der umworbenen Gattin zur einflussreichen Chefin

Derzeit ist das Engagement in der Wohltätigkeitssphäre im Wesentlichen die Domäne von Gattinnen ehemaliger hoher Beamter. Alla Selenina, die Frau des Ex-Gouverneurs im Gebiet Twer Dmitri Selenin, steht der Wohltätigkeitsstiftung „Dobroe natschalo“ vor, die sich regionalen sozialen Projekten widmet. „Wir haben diese Stiftung im Jahr 2003 gegründet, als mein Mann sich entschieden hatte, bei den Gouverneurswahlen zu kandidieren. Wir wollten damit unter anderem die Wähler für uns gewinnen“, gibt Selenina offen zu. Im Ergebnis wurde nun aus dem Wahlkampfprojekt eine reguläre Wohltätigkeitsstiftung, die bis heute fortbesteht.

Wohltätiges Engagement ist für Gouverneursgattinnen einfacher als für gewöhnliche Bürger, selbst wenn die Gouverneure nicht mehr im Amt sind. „Die Vorsitzenden der Bezirksverwaltungen, Beamte, die schon zu Zeiten, als mein Mann Gouverneur war, in der Verwaltung arbeiteten, helfen uns alle“, erzählt Alla Selenina. „Wir pflegen weiterhin gute Beziehungen. Sie können uns zum Beispiel einen Bus zur Verfügung stellen, wenn behinderte Kinder vom Gebietszentrum nach Twer gefahren werden müssen“. Zu den Sponsoren von „Dobroe natschalo“ zählen die Unternehmen Audi, Danone, Wolschskij pekar und Rosneft. „Die Stiftung entwickelt sich weiter, ihre finanziellen Mittel sind nicht weniger geworden. Im Jahr 2012 haben wir etwa 233 000 Euro zusammengetragen. In diesem Jahr werden es nicht weniger sein“, erzählt Selenina.

Olga Rejman, die Gattin des ehemaligen Kommunikationsministers und Beraters von Präsident Medwedjew Leonid Rejman, gründete die Stiftung „Kto, jesli ne ja“, die Kindern in schwierigen Lebenssituationen hilft. Sie betont, dass beim Aufbau der Stiftung ihre Arbeitserfahrung nicht weniger wichtig war als ihr familiärer Status. „Im wesentlichen finanzieren wir unsere Arbeit aus Mitteln, die verschiedene Unternehmen spenden. Wir setzen deren soziale Programme um“, erzählt Rejman. „In der Regel handelte es sich um große internationale Konzerne wie L'Oreal oder PepsiCo. Es waren jedoch auch Spenden ausländischer Unternehmen wie Goldman Sachs oder Credit Swiss dabei". „Der Rückzug meines Mannes vom Posten des Präsidentenberaters hat die Arbeit der Stiftung nicht erschwert“, so Rejman. „Jahr für Jahr arbeiten Unternehmen mit uns zusammen, für die wohltätiges Engagement in den Regionen mit Hilfe unserer Stiftung mittlerweile Tradition ist."

Irina Tintjakow, verheiratet mit dem Ex-Finanzminister Alexej Kudrin, gründete im Jahr 2000 die Stiftung „Sewernaja korona“, die unter anderem Kinderheimen hilft. Tintjakowa betont, ihren Mann nicht um Unterstützung gebeten zu haben – sie suchte selbst nach großen Unternehmen mit einem Budget für karitative Arbeit und vereinbarte mit ihnen Termine zum Kennenlernen. Ihr Status als Gattin des Finanzministers jedoch, so räumt sie ein, war ihrer Sache nicht abträglich. „In großen Unternehmen, vor allem aus dem Ausland, hätte man sich nicht mit mir an einen Tisch gesetzt, wenn ich von der Straße gekommen wäre. So aber empfing man mich interessiert, hörte zu und half“, erzählte Tintjakowa.

 

Einflussreiche Gattinnen ermöglichen unbürokratische Hilfe

Die Frauen russischer Beamter werden in Wohltätigkeitsorganisationen mit offenen Armen empfangen. „Einerseits ist es klar, dass die Gattinnen hoher Beamter in der Öffentlichkeit nicht so bekannt sind wie zum Beispiel Popstars und nicht sonderlich effektiv für Spenden von Privatpersonen werben können“, schätzt Olga Drosdora, leitende Managerin der Agentur für soziale Informationen. „Auf der anderen Seite, und angesichts der Spezifik unseres Landes, ist das bedeutend, dass wir mit ihrer Unterstützung wichtige Probleme lösen können. Diese Hilfe ist wertvoller als staatliche Finanzspritzen es je sein könnten“.

Assja Salogina, Präsidentin der vom Fotomodel Natalja Wodjanowa gegründeten Stiftung „Obnaschennyje serdza“ bringt ein Beispiel an: Die Rechtsabteilung des Zentrums für Heilpädagogik arbeitete Änderungen am Zivilkodex aus, um ihn in Einklang mit der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu bringen. Natalja Wodjanowa telefonierte mit der Gattin des Vize-Premiers Arkadij Dworkowitsch, Frau Sumrud Rustamowa, und dank der Unterstützung durch Dworkowitsch wurde in diesem Jahr der erste Teil der Änderungen angenommen. Er betrifft die Gründung des Rechtsinstituts der beschränkten Geschäftsfähigkeit. Wir hoffen, dass im nächsten Jahr der zweite Teil verabschiedet wird, der die Formen der Fürsorge erweitert“.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in bei Kommersant.

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