Ein Flugzeug mit bis zu 20 Milliarden Euro Bargeld an Bord soll seit mehreren Jahren am Flughafen Moskaus stehen. Foto: ITAR-TASS
Eine unglaubliche Geschichte zirkuliert zurzeit in der russischen Presselandschaft: Einem Lieferschein zufolge sollen sich an Bord eines Flugzeugs, das aus Frankfurt kommend 2007 auf dem Flughafen Scheremetjewo landete, 200 Holzpaletten mit Banknoten befinden. Bankmitarbeiter schätzen, dass auf einer Palette Scheine im Wert von 100 Millionen US-Dollar oder Euro gestapelt werden könnten. Insgesamt könnte es sich also um Scheine handeln, die bis zu 20 Milliarden US-Dollar oder Euro wert sind.
Aus dem Lieferschein geht hervor, dass der Eigentümer ein gewisser 54-jähriger Farsin Koroorian Motlag ist. Seine Passangaben sind ebenfalls bekannt. In den Frachtpapieren sind außerdem der Identifikationscode der Fracht, die Flugnummer und andere Angaben genannt. In dem Dokument ist angegeben, dass das Flugzeug mit den Milliarden am 7. August 2007 in Moskau gelandet sei. Es stünde nun also seit mehr als sechs Jahren auf dem Gelände des Flughafens.
Das Geld scheint für Wohltätigkeitsstiftung bestimmt
In den Unterlagen des Flughafens findet sich kein Wort über den Empfänger dieser wertvollen Fracht. Wie durch den Korrespondenten in Erfahrung gebracht werden konnte, wurde das Geld von Farsin Motlag der ukrainischen Wohltätigkeitsstiftung „Welt der guten Menschen" gespendet.
Eine solche Organisation existiert tatsächlich in Moskau. Es ist außerdem bekannt, dass sie von einem Bürger der Russischen Föderation, dem 53-jährigen Alexander Schipilow aus Moskau, geleitet wird. Und eben dieser Schipilow versuche gegenwärtig, das Geld in Empfang zu nehmen. Informationen zufolge habe die Stiftung Schipilow bevollmächtigt, die Lieferung in Scheremetjewo abzuholen und diese im Flughafen auf seinen Namen zu lagern, bis die Stiftungsform und Satz den Empfang des Geldes ermöglichten.
Allerdings wurde der Spendenvertrag erst am 17. März 2013 unterzeichnet. Über die Abläufe vor dieser Schenkung schweigen sowohl die Geschäftsführung des Flughafens als auch die Zollbeamten. Auch Schipilow zog es bisher vor, sich nicht gegenüber Medienvertretern zu äußern.
Was könnte es mit dem Geld auf sich haben?
Der Anwalt Wadim Ljalin, Experte für Zollfragen, versucht Licht ins Dunkle zu bringen: „Glaubt man den Dokumenten, existiert die Fracht tatsächlich. Sie konnte bisher nicht ausgehändigt werden, weil der Empfänger offensichtlich nicht alle notwendigen Unterlagen vorlegen kann. Dabei hat der Absender ursprünglich gar keinen konkreten Empfänger angegeben, was höchst ungewöhnlich ist.
Die Vermutung liegt daher nahe, das Geld sei aus illegalen Geschäften oder anderweitig nicht ganz sauber. Wahrscheinlich wurde bereits zu Beginn der ganzen Geschichte ein Anspruch auf diese Fracht geltend gemacht, so eine Summe lässt man ja nicht mehrere Jahre auf einem Flughafen liegen. Um wen konkret es sich dabei allerdings gehandelt hat, liegt bis heute im Dunkeln.
Möglicherweise gab es einen Plan, wie dieses Geld entweder nach Russland hinein oder über Russland in andere Länder geschmuggelt werden könnte. Niemand würde schließlich eine solche Summe einfach losschicken, ohne einen Empfänger anzugeben. Es scheint jedoch entweder in der Planung oder der Durchführung einen Fehler gegeben zu haben, weswegen niemand die Ladung entgegennehmen konnte. Vermutlich ist die Variante mit der Stiftung nur ein weiterer Versuch, endlich an das Geld zu kommen".
Der lange Weg des Geldes bleibt unentdeckt
Geld, egal welcher Herkunft, in Stiftungen zu verwahren ist schließlich eine weltweit verbreitete Variante, um so Geld zu waschen oder Steuern zu sparen. Die Akteure waren sich offensichtlich sicher, dass die Herausgabe schneller und einfacher erreicht werden könne, wenn es sich um Spendengeld handelt. Dies würde erklären, warum der Spendenvertrag erst in diesem Jahr unterzeichnet wurde. Es stellt sich aber eine ganz andere Frage: Warum hat der Staat das Geld nicht längst schon konfisziert? Hierfür scheint allerdings keine Rechtsgrundlage gegeben zu sein, denn schließlich gibt es einen rechtmäßigen Besitzer. Dazu kommt, dass eine deutsche Bank es ausgezahlt und die Echtheit der Banknoten bestätigt hat."
Wie Medienvertreter in Erfahrung bringen konnte, haben sich Vertreter der Stiftung bereits an mehrere renommierte Fachanwälte mit der Bitte um
juristische Vertretung gewandt. Es wurde ein Honorar in Höhe von zwei Milliarden Euro geboten. Trotz dieser außergewöhnlichen Entlohnung war dennoch keiner der Anwälte bereit, dieses Mandat anzunehmen. Es wäre dennoch möglich, juristische Schritte einzuleiten, aber dies geschah bisher noch nicht.
„Der Zoll verlangt vermutlich, den Eigentümer des Geldes befragen zu können", vermutet der Experte. „Und zwar persönlich, nicht über andere Kanäle. Deshalb kam es auch zu diesen Problemen. Die Behörden müssen sichergehen, dass er auch wirklich der Eigentümer und nicht etwa nur ein Strohmann ist. Farsin Motlag jedoch hat dies bisher nicht getan. Den entsprechenden Dokumenten zufolge ist er in Teheran wohnhaft und iranischer Herkunft. Er wird im Zusammenhang mit Investitionen an verschiedenen Orten der Welt erwähnt, vor allem in Mauritius. Aber viel mehr Informationen sind nicht zugänglich, zumindest nicht für die Öffentlichkeit."
Eine anonyme Quelle beim russischen Geheimdienst deutet an, was der wahre Hintergrund des Geldes sein könnte: „Wir können zumindest nicht zweifelsfrei ausschließen, dass diese Banknoten aus dem Vermögen Saddam Husseins stammen", erzählt er vielsagend. „Obwohl ich es auch nicht beweisen kann, sehe ich es doch als ziemlich wahrscheinlich an. Theorien zufolge sollen sich aus dem Vermögen des ehemaligen irakischen Präsidenten weltweit noch bis zu 75 Milliarden Euro im Umlauf befinden."
Saddam Hussein soll während seiner Zeit an der Spitze des Iraks ein gewaltiges Vermögen angehäuft haben. Zu Lebzeiten wurde allein sein bekanntes Vermögen mit über 20 Milliarden Euro geschätzt, die zahllosen Möglichkeiten sich unentdeckt zu bereichern nicht eingerechnet. In den Verhören nach seiner Festnahme bewahrte er zu diesem Thema eisernes Schweigen.
Nicht jeder glaubt dieser abenteuerlichen Geschichte
„Der Betrag ist eigentlich dermaßen gewaltig, dass Zweifel an dieser Geschichte aufkommen sollten", stellt der führende russische Ökonom und Professor Nikita Kritschewskij fest. „20 Milliarden Euro, das entspräche knapp 7,5 Prozent des gesamten russischen Staatshaushalts 2011. Etwas
plastischer ausgedrückt könnte man damit die Wohnungsprobleme einer ganzen Generation in Russland lösen. Will man auf diese genannten Summen kommen, müssten auf den Paletten wohl nur Scheine im Wert von 500 Euro liegen. Der Umlaufwert dieser Scheine beträgt insgesamt ungefähr 290 Milliarden Euro – es müsste wohl jemand merken, wenn fast zehn Prozent dieser Scheine für mehrere Jahre auf einem Flughafen herumstehen. Unabhängig davon, wie viel Geld sich tatsächlich dort befindet, so ist es doch sehr wahrscheinlich, dass es zur Finanzierung krimineller Geschäfte dienen sollte."
Der Flughafen Scheremetjewo selbst dementiert die Gerüchte um das Flugzeug voller Banknoten gegenüber RIA Novosti entschieden. Immerhin sollten eventuelle Stellgebühren für das Flugzeug kein sonderliches Problem darstellen.
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