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Eine soziologische Erhebung unter Russen, die das Meinungsforschungsinstitut WZIOM am 12. Juni, dem Tag Russlands, durchführte, ergab, dass über die Hälfte der Befragten (62%) keinen Widerspruch darin sahen, patriotisch gesinnt zu sein und einen Ausländer heiraten zu wollen. Die Liebe zu Russland sollte nach ihrer Meinung einem Familienglück im Ausland nicht im Wege stehen.
„Ich bin mit meiner Tochter und meinem russischen Mann nach Deutschland gezogen, als ich 37 Jahre alt war“, erzählt die Russin Arina, die ihren vollen Namen nicht nennen möchte. „Mein Mann war Musiker und wollte dort mit seiner beruflichen Karriere weiterkommen. Nach ein paar Jahren hatten wir in Berlin Fuß gefasst, wir konnten uns auf Deutsch ganz gut verständigen. Mein Mann war ständig auf Tournee, wir trennten uns. Ich beschloss, in Deutschland zu bleiben, wegen meiner Tochter“.
Arina lernte über Partnerbörsen im Internet deutsche Männer kennen, sie traf sich mit einigen, allerdings ohne Erfolg. „Die Männer waren meist älter, als sie es in ihrem Profil angegeben hatten. Sie suchten außerdem keine romantische Beziehung, sondern eine Frau für die Hausarbeit“, erzählt Arina. „Dann fing ich an zu studieren, ich ließ mein russisches Diplom in Deutschland anerkennen und schrieb das auch in mein Profil bei der Partnerbörse. Das Interesse der Männer ging daraufhin schlagartig zurück. Ich wurde nur noch ein bis zwei Mal am Tag angeschrieben, früher bekam ich 10-15 Zuschriften. Dennoch lernte ich über dieses Internetportal meinen künftigen Mann kennen. Zum ersten Treffen brachte er mir einen großen Strauß Rosen mit. Wir leben jetzt schon einige Jahre zusammen und wohnen in seinem Haus. Einen festen Job fand ich nicht, ich bin für die Hausarbeit zuständig. Mein Mann arbeitet in einer Rechtsberatungsstelle. Er übernimmt alle Kosten für den Haushalt und gibt mir und meiner Tochter jeden Monat noch ein Taschengeld“.
Frauen, die im Ausland eine Familie gegründet haben, verlassen Russland nicht unbedingt für immer. Manche kehren nach Jahren in ihre Heimat zurück und bringen die ganze Familie mit nach Russland. So war es bei Maria aus Nischni Nowgorod.
„Ich habe meinen künftigen Mann während einer Griechenlandreise kennengelernt. Damals war ich 30 Jahre alt, er war 37“, erinnert sich Maria. „Wir blieben danach über Internet im Kontakt und beschlossen, eine Familie zu gründen. Ich kündigte meine Arbeitsstelle und zog zu meiner neuen Liebe nach Griechenland. Dort bekam ich ein Kind von ihm. Griechen sind unglaublich hingebungsvolle Väter. Mein Mann half mir bei allem. Die Hausarbeit teilen sich die Eheleute in Griechenland normalerweise gerecht auf. Infolge der europäischen Wirtschaftskrise 2008 verlor mein Mann seinen Arbeitsplatz. Es war so gut wie aussichtslos für ihn, wieder Arbeit zu finden. So beschlossen wir, nach Russland zu ziehen. Heute leben und arbeiten wir in Russland, unsere Urlaube verbringen wir in Griechenland. Man sollte keinen „Ausländer“ heiraten, sondern einen Menschen, den man liebt. Dann ist es nicht wichtig, wo man lebt“.
Feinheiten der Wahl
Analytiker der internationalen Heiratsagentur „Love Mage“ kamen zu dem Ergebnis, dass Amerikaner bei Russinnen die begehrtesten Ehemänner sind, auf Platz zwei der Beliebtheitsskala stehen Deutsche, an dritter Stelle Italiener. Ausländer, die eine Ehe mit einer Russin anstreben, legen in der Regel Wert darauf, dass die potentielle Partnerin die jeweilige Fremdsprache gut beherrscht, auch in schwierigen Situationen bei guter Laune bleibt, zurückhaltend, ordentlich und aufmerksam ist.
Nach Angaben der Agentur kamen Auslandsehen bei Russinnen Mitte der 1990er Jahre in Mode, als die UdSSR auseinandergefallen war und sich der so genannte „Eiserne Vorhang“ geöffnet hatte. Zum Jahr 2004 hin war diese Tendenz leicht rückläufig. Experten vermuten hier einen Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und dem gestiegenen Wohlstand der russischen Bevölkerung.
Einen ausländischen Mann kann man im Urlaub oder, je nach Beruf, bei der Arbeit kennenlernen. Der häufigste und leichteste Weg ist das Internet – hier kommen soziale Netzwerke, Fachforen und Singlebörsen in Frage. Einige Frauen nutzen die Dienste professioneller Partnervermittlungsagenturen.
Swetlana Chudjakowa, die Chefin der internationalen Heiratsagentur „Swetlana“, berichtet, dass 90% ihrer Kundschaft Frauen aus Russland und Männer aus Europa sind: „Frauen, die einen Ausländer heiraten wollen, haben in der Regel einen Hochschulabschluss, eine Arbeit und sind materiell versorgt. Sie sind zwischen 30 und 50 Jahre alt. In Russland gelten sie bei den Männern schon als alt und haben kaum Chancen, einen Mann zu finden. In Europa dagegen fängt man mit 30 gerade einmal an, über eine Familiengründung nachzudenken“.
Nach der Erfahrung von Alla Lukitschewa, Fachanwältin für internationales Recht des Moskauer städtischen Anwaltskollegiums „Soglassije“, lassen Russinnen sich nur selten bei einer Eheschließung mit einem Ausländer rechtlich beraten. Vor der Ehe seien sie verliebt und nicht an praktischen Fragen interessiert. Fragen wie ein Ehevertrag oder die Klärung einer möglichen Verschuldung des Auserwählten fielen daher meist unter den Tisch. Diese mangelnde Vorsorge führe häufig später zu Problemen, so die Anwältin.
„Frauen, die beispielsweise einen Ägypter, Algerier, Iraner oder Syrer heiraten, können im Falle einer Scheidung ihr Kind normalerweise nicht mitnehmen nach Russland. Die dort geltenden Gesetze sehen das nicht vor. Und diejenigen, die einen Europäer oder Amerikaner zum Lebenspartner erwählen, vergessen in der Regel zu überprüfen, ob er vorbestraft oder mit einem großen Kredit belastet ist und wie es um seine finanzielle Situation bestellt ist. Einige werden dann jedoch mit einer gerichtlichen Aufforderung überrascht, einen großen Teil ihres Einkommens für die Tilgung eines Kredites ihres neuen Mannes zu verwenden“, weiß Anwältin Alla Lukitschewa zu berichten.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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