Angestellte im öffentlichen Dienst sollen in Russland bleiben. Foto: Sergej Kusnezow/RIA Novosti
Nach den tragischen Ereignissen in der Ukraine und aufgrund der verschärften außenpolitischen Spannungen mit Westeuropa hat die russische Regierung einer Reihe von Mitarbeitern der staatlichen Gewaltorgane empfohlen, ihren Urlaub nicht außer Landes zu verbringen. Die Anordnung gilt demnach für Mitarbeiter der Polizei, des Katastrophenschutzes, des Föderalen Dienstes für den Strafvollzug, des Föderalen Dienstes für Drogenkontrolle, Richter und Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft. Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes FSB unterliegen bereits seit mehreren Jahren einem Ausreiseverbot. Sie dürfen nach einer internen Anweisung des Geheimdienstchefs Aleksandr Bortnikow im Jahre 2011 nicht mehr ausreisen.
Angestellte im föderalen Dienst ist die Ausreise nur noch in Notfällen gestattet, um zum Beispiel kranke Angehörige zu besuchen oder selbst medizinische Hilfe zu erhalten. Darüber hinaus hat auch das russische Außenministerium den russischen Bürgern empfohlen, nicht in Länder zu fahren, die mit den USA Auslieferungsabkommen geschlossen haben. Das gilt für mehr als 100 Staaten, darunter die Türkei, Ägypten, Thailand, Israel sowie die meisten europäischen Länder.
Im Internetforum police-russia.ru ist zu lesen, dass die russische Polizei ihren Mitarbeitern bereits seit Anfang Mai keine Ausreiseanträge mehr
Das Ausreiseverbot betraf im Frühling 2014 eineinhalb Millionen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden.
- Das russische Innenministerium hat derzeit 1 113 172 Mitarbeiter, davon sind 914 525 Polizisten.
- Der Föderale Dienst für Drogenkontrolle hat 34 785 Mitarbeiter, die Staatsanwaltschaft 48 386.
- Es gab 2014 in Russland 25 015 Richter der öffentlichen Gerichtsbarkeit und 67 369 Mitarbeiter an den Gerichten.
- An den Schiedsgerichten arbeiten 4 053 Richter und 11 347 weitere Mitarbeiter.
unterzeichnet habe. „Es sind alle Mitarbeiter versammelt worden und uns wurde erklärt, dass man erst nach seiner Entlassung das Land verlassen darf", lautet einer der meistgelesenen Beiträge der Plattform. In anderen Beiträgen heißt es, dass in einigen Sicherheitsbehörden die Reisepässe der Mitarbeiter eingesammelt wurden. Andere schreiben, der Auslandsurlaub sei im Prinzip erlaubt, aber nur bei Behörden, deren Leitung solche Fragen individuell entscheide. In den meisten Fällen aber lasse man niemanden ausreisen, ist in dem Forum zu lesen.
„Als ich die Nachricht das erste Mal gehört habe, fand ich das nicht gut", sagte Jaroslaw N. (25), Mitarbeiter der Polizei im Moskauer Gebiet im Gespräch mit RBTH. "Ich war traurig und enttäuscht, dasselbe fühlten auch meine Kollegen. Im Prinzip wurde uns nicht offiziell verboten, ins Ausland zu reisen. Denn das widerspricht ja dem Recht auf Freiheit in der russischen Verfassung", so Jaroslaw weiter. Das Ausreiseverbot werde laut ihm nur ‚empfohlen', das heiße, dass jeder sein Urlaubsziel mit dem Vorgesetzten absprechen müsse. Gebe dieser sein Einverständnis, dann dürfe man ins Ausland fahren. "Aber das passiert kaum. Niemand reicht deswegen Klage bei Gericht ein. Und diejenigen, die das vor Gericht bringen wollen, haben ohnehin schon längst vor, aus dem Dienst auszutreten", so Jaroslaw.
Seinen Worten zufolge, stehen auf der Liste der verbotenen Zielländer merkwürdigerweise alle Staaten, die ein Auslieferungsabkommen mit den USA haben, nur die USA selbst nicht. "Urlaub in Russland ist leider sehr teuer. Wer bisher in den europäischen Ländern Urlaub gemacht hat, sucht nun nach Alternativen, zum Beispiel in den Ländern der GUS. Ich fahre gerne Snowboard – mal sehen, wie es mit meinem Urlaub in der Schweiz dieses Jahr klappt."
Sicherheitsbedenken oder Korruptionsbekämpfung?
Mehr als die Hälfte aller Russen spricht sich gegen das Ausreiseverbot aus, das zeigen die Ergebnisse einer Umfrage der Organisation Obschestwennoe Mnenie (zu Deutsch „Allgemeine Meinung"). Ganze 71 Prozent der Russen lehnen diese Verordnung ab. Das meistgenannte Argument lautete: Jeder hat das Recht, Urlaub zu machen, wo er möchte. Nur ein Drittel der Befragten unterstützt das Verbot. Für das Ausreiseverbot sprechen sich meist Personen im Alter von über 60 Jahren, Personen mit
Hochschulbildung, Moskauer und Personen mit einem monatlichen Einkommen von weniger als 9 000 Rubel (etwa 188 Euro) aus.
Das Innenministerium begründet diese Empfehlung offiziell mit der Sorge um die Sicherheit seiner Mitarbeiter, wie das Journal „Kommersant-Wlast" berichtet. Auch Aleksandr Kanschin, Vorsitzender des Direktorenrats des nationalen Verbands der Reserveoffiziere, erachtet das Ausreiseverbot als notwendig, um die Beamten zu schützen. „Wenn die internationalen Beziehungen eines Landes problematisch sind, können die Mitarbeiter seiner Sicherheitsbehörden Provokationen ausgesetzt sein. Nicht nur bei Dienstreisen, sondern auch im Urlaub kann es zu Konflikten kommen", sagte Kanschin im Gespräch mit RBTH. Er fügte hinzu: „Ich bin sicher, dass es sich dabei nur um eine zeitlich beschränkte Maßnahme handelt und die Reisepässe bereits pünktlich zur nächsten Urlaubssaison wieder zurückgegeben werden. Die internationalen Beziehungen werden sich wieder normalisieren."
Wjatscheslaw Inosemzew, Leiter des Forschungszentrums für die postindustrielle Gesellschaft, glaubt allerdings, die Sicherheitsbehörden wollten mit dem Ausreiseverbot ihr patriotisches Image pflegen. „Warum sollten Staatsbeamte auch Urlaub im Ausland machen?", fragt er. Einen anderen Grund sieht der Leiter der Gewerkschaft der Polizei Moskaus und der Oblast Moskau, Michail Paschkin. Er hält das Verbot für eine Maßnahme im Kampf gegen die Korruption. „Insolvente Tourismusagenturen berichten, dass die vermögenden Kunden aus den
Sicherheitsbehörden ausbleiben – also diejenigen, die gewisse Summen durch Korruption gewonnen haben und dieses Geld für einen Urlaub im Ausland ausgeben", so der Gewerkschaftsleiter. Wenn es schon nicht gelinge, diese Verbrechen gänzlich zu unterbinden, so könne man diese Leute zumindest zwingen, dieses Geld im eigenen Land auszugeben, meint Paschkin. „Ich würde den niedrigen Angestellten die Ausreise erlauben, zum Beispiel den Mitarbeitern im Einsatz- und Streifendienst oder in privaten Sicherheitsdiensten, die bislang nicht straffällig geworden sind", sagt er. Doch die Praxis gebe der Verordnung schließlich recht, wie der Gewerkschaftsleiter erzählt: Die Polizisten seien zwar zunächst über das Ausreiseverbot empört gewesen, doch dann hätten sie alternative Urlaubsorte gefunden und sich wieder beruhigt. Daher glaubt Paschkin, eine solche Maßnahme könnte auch helfen, den Tourismus in Russland zu entwickeln.
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