Wladimir Martynenko, der Fahrer des Schneeräumfahrzeuge war höchstwarscheinlich beim Einsatz am 20. Oktober 2014 betrunken. Foto: Artjom Korotajew/TASS
Dem Bericht der Flug-Untersuchungskommission zufolge haben die Ereignisse, die zum tragischen Unfall führten, ihren Anfang genommen, noch bevor Total-Chef Christophe de Margerie am 20. Oktober 2014 an Bord der Falcon gegangen war. Während die Besatzung auf ihren einzigen Passagier wartete, fuhren drei Schneeräumfahrzeuge auf das Flugfeld, begleitet von dem Fahrzeug des Schichtleiters des Flughafendiensts Wladimir Ledenew.
Vor dem Ausfahren hätten sie alle eine medizinische Untersuchung durchlaufen müssen, bei der ein Arzt die Pulsfrequenz und den Blutdruck misst. Diese Untersuchung wurde jedoch mit der Begründung ausgesetzt, dass sie zu einer Verzögerung im Flugablauf geführt hätte. Es ist daher möglich, dass sowohl Wladimir Ledenew als auch Wladimir Martynenko, der Fahrer eines der Schneeräumfahrzeuge, bei ihrem Einsatz betrunken waren.
Wie Experten feststellten, kam es um 19 Uhr Ortszeit im Bereich des sogenannten Zentralkreuzes, an dem sich die Start- und Landebahnen des Flughafens treffen, zu einem starken Verkehrsaufkommen. Beteiligt waren neben den beiden Schneeräumfahrzeugen und den Begleitfahrzeugen auch ein Minibus der Elektriker sowie der Schlepper, der den französischen Falcon 50 in die Startposition gebracht hatte. Zudem war noch ein Fahrzeug der Baubrigade vor Ort. Alle Fahrzeuge fragten ordnungsgemäß nach der Erlaubnis zum Überqueren der jeweiligen Start- und Landebahn an.
Als Letzter stellte der Fahrer des Minibusses die Anfrage zum Überqueren der Start- und Landebahn. Gleich darauf fuhr Wladimir Martynenko unerwartet in seinem Schneeräumfahrzeug dem Elektriker hinterher. Wie die Experten feststellten, hatte der erfahrene Fahrer „die Orientierung verloren". Wahrscheinlich hatte der betrunkene Wladimir Martynenko das Schlusslicht des Minibusses für die Lichter des anderen Schneeräumfahrzeugs gehalten, dem er eigentlich hätte folgen müssen.
Als Martynenko auf die Zentralkreuzung zufuhr und seinen Fehler bemerkte, wurde er unsicher und begann „Handlungen auszuführen, die jeglicher Logik widersprachen". So stoppte er sein Fahrzeug, setzte zurück und versuchte zu wenden. „Ich dachte, dass ich meine Mannschaft finden und einholen kann, weil ich mich auf dem Flughafengelände gut auskenne", sagte der Fahrer später während des Verhörs aus.
Der Schichtleiter Wladimir Ledenew hat während dieser Zeit übrigens weder versucht, das verlorengegangene Schneeräumfahrzeug zu finden, noch den Vorfall an den Fluglotsen zu melden. Eine Reaktion zeigte nur der Fahrer des Geländewagens Alexej Kiseljow, der mit seinem betrunkenen Chef Lebedew unterwegs war. „Ich hörte das Röhren der Motoren des
startenden Flugzeugs und sah sofort den Feuerblitz", berichtete er.
Die Besatzung der französischen Falcon 50, die eine Starterlaubnis von der Lotsin Swetlana Kriwsun erhalten hatte, setzte zum Start an. „Was für ein Auto kreuzt dort den Weg?", konnte einer der Piloten seinen Kollegen noch fragen. Einen Versuch, den Start abzubrechen, unternahmen die Piloten allerdings nicht. Das Flugzeug hatte den sogenannten Unumkehrbarkeitspunkt bereits überschritten.
Der Business-Jet berührte mit dem rechten Rad das Dach von Martynenkos Schneeräumfahrzeug, drehte sich in der Luft und stürzte auf das Flugfeld. Infolge des starken Aufschlags und eines einsetzenden Brands kamen alle drei Besatzungsmitglieder und der einzige Passagier ums Leben.
Die Fluglotsin Kriwsun erklärte, dass sie die Starterlaubnis erst gegeben hätte, nachdem sie die Start- und Landebahn von dem Turm aus begutachtet und sie auf dem Übersichtsindikator geprüft hatte. Laut der Untersuchung sei der Wagen tatsächlich plötzlich an der Kreuzung aufgetaucht. Die Fluglotsin konnte das Wendemanöver des Wagens nicht sehen.
Trotzdem befindet sich Kriwsun unter den Angeklagten. Zusammen mit ihr
richtet sich die Anklage auch an ihren Vorgesetzten Alexandr Kruglow, den Flugleiter Roman Dunajew und die Mitarbeiter des Bodendienstes Ledenew und Martynenko. Die Fluglotsen haben, davon geht die Untersuchungskommission aus, gegen die Dienstanweisungen verstoßen.
Die Anwälte der angeklagten Fluglotsen sagten der Zeitung „Kommersant", dass sie die Ergebnisse der Untersuchung kennen und diese als Beleg für die Unschuld ihrer Mandanten ansehen würden. Klar ist, dass es sich derzeit nur um vorläufige Erkenntnisse handelt, die wahrscheinlich die Grundlage für einen Abschlussbericht des internationalen Flugkomitees zu den Ursachen des Unfalls bilden werden. An den Erkenntnissen der Flugexperten werden sich auch die Mitarbeiter der Ermittlungsbehörde orientieren, wenn sie die finalen Klagen formulieren.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kommersant.
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