Die Gopniki: Erfinder der Russenhocke

Gopniki ist eine Bezeichnung für halbstarke Kleinkriminelle, die nachts in den Randbezirken russischer Großstädte ihr Unwesen treiben.

Gopniki ist eine Bezeichnung für halbstarke Kleinkriminelle, die nachts in den Randbezirken russischer Großstädte ihr Unwesen treiben.

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Trainingsanzug, Lederjacke, Goldkettchen – so sieht heute in Russland der Inbegriff des klassischen Verlierers aus. Die Gopniki, wie sie auch genannt werden, machen ihren Mitmenschen aus Frust über das eigene Scheitern das Leben schwer. Wirklich ernst nimmt sie aber niemand.

Es war schon dunkel, als Witalij Kulagin eines Abends auf dem Heimweg durch die schmalen Straßen im Moskauer Westen fünf düsteren Gestalten begegnete – junge Männer, keiner älter als 25 Jahre und offenkundig alkoholisiert. „Na, was geht?“, sagte der Größte der Gruppe, der sich Kulagin in den Weg stellte. „Ich habe es eilig“, versuchte der Student abzuwiegeln. Da zückte sein Gegenüber ein Messer und fragte hämisch grinsend: „Hast du es immer noch eilig?“  

Was ihn zu seiner Reaktion bewegt hat, weiß Witalij Kulagin bis heute nicht. „Ja, ich muss weiter“, sagte er schlicht, schob den Kerl mit dem Messer beiseite und setzte seinen Weg fort. Er rechnete fest mit einem Angriff von hinten. Doch es passierte – nichts. Warum die Männer ihm nichts taten, kann er nicht erklären. Aber wer sie waren, das weiß Kulagin ganz genau: „Gopniki, wer sonst?“  

Eigene Regeln, eigener Stil

Mittlerweile wurde der Russenhocke bei Facebook und auf Instagram jeweils eine eigene deutschsprachige Seite gewidmet.

Gopniki ist eine Bezeichnung für halbstarke Kleinkriminelle, die nachts in den Randbezirken russischer Großstädte ihr Unwesen treiben. Meist handelt es sich um junge Männer mit geringer Bildung, denen ein Ziel und eine Perspektive im Leben fehlen. Sie sind vor allem in Grüppchen unterwegs in der Hoffnung, Opfer um Smartphones, Geld und andere Wertsachen zu bringen.   

Damit sind sie allerdings ein wenig aus der Zeit gefallen. Denn die Blütezeit der Gopniki war in den Neunzigern. Heute sind die jungen Rowdys für viele Russen nur noch eine schlechte Kopie der „großen Brüder“, wie man die einflussreichen Kriminellen der damaligen Zeit nannte. Dennoch halten die Gopniki an den Traditionen fest, beispielsweise an ihrem Ehrenkodex – ein ungeschriebenes Gesetz, nach dem ein Überfall abzulaufen hat.

Meist wird das Opfer mit einer harmlos anmutenden Frage angesprochen: „Hast du Feuer?“, „Wo kommst du her?“ oder „Was ist?“ Eine richtige Antwort auf diese Fragen gibt es natürlich nicht. Wer nicht gerade mit einem der „großen Brüder“ bekannt ist, ist sein Geld schon so gut wie los. Nur wer Glück hat, ergeht es wie Witalij Kulagin und kommt ungeschoren davon.

Foto: Mikhail Mordasov / TASS

Auch die typische Kleidung der Gopniki hat die Neunziger überlebt: Trainingsanzug, blankpolierte Schuhe, schwarze Lederjacke und Schiebermütze. Ranghöhere Gopniki betonen ihre Stellung gerne durch ein Goldkettchen. Wenn sie nicht gerade ihre Mitmenschen terrorisieren, hängen die Gangs in ihren Vierteln herum, trinken billiges Bier oder Wodka, streiten miteinander und knacken Sonnenblumenkerne, ein geradezu unverzichtbares Attribut der Gopniki – und das alles, so besagt es das Klischee, gerne in der als Russenhocke bekannt gewordenen Stellung.

Verloren haben die einst gefürchteten Kriminellen nur eines: ihr Ansehen. In den vergangenen Jahren wurde der klassische Gopnik in so vielen Filmen, Serien und Shows verspottet, dass dieses Image seine Beliebtheit selbst bei Kleinstkriminellen an Attraktivität eingebüßt hat. Inzwischen gelten die Gopniki vor allem als Gescheiterte, die ihre Misserfolge an Schwächeren auslassen. Sie sind schlicht die Verlierer.   

Eine randständige Erscheinung

Foto: PhotoXpress

Woher die Gopniki und die Bezeichnung selbst stammen, lässt sich nicht mehr genau nachvollziehen. Eine Erklärung geht auf die Staatliche Fürsorgegesellschaft für kriminelle Waisenkinder im Zarenreich zurück. Auf Russisch hieß sie abgekürzt „GOP“. Möglicherweise geht der Name aber auch auf das russische Wort „gop-stop“, zu Deutsch: „Straßenraub“, zurück. Ursprünglich waren die Gopniki eine Subkultur in der Sowjetunion, Jungs aus den Arbeitervierteln, die sich von den westlich geprägten Punks und Rappern unterscheiden wollten.  

 

Für die Soziologin Vera Gawriljuk charakterisiert diese Bewegung bis heute die Ablehnung alles Neuen und Ungewöhnlichen. Nur man selbst entspreche dem „Normalen“. Eine fehlerhafte Selbsteinschätzung, wie die Soziologin klarstellt: „Die Gopniki sind bloß eine randständige gesellschaftliche Erscheinung.“ Gefährlich sind die jungen Männer auch nicht nur wegen ihrer Gewaltbereitschaft: „Ihr Weltbild ist die aggressive Ablehnung sämtlicher Kulturgüter – Bildung, Toleranz, Arbeit, Streben nach Selbstverwirklichung und Weiterentwicklung“, mahnt Gawriljuk.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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