Weltweit gingen Menschen für Frauenrechte auf die Straße.
ReutersDie Welt feierte die Amtseinführung des 45. US-Präsidenten Donald Trump auf ihre eigene Weise. Zum Symbol wurden die pinkfarbenen Strickmützen, genannt pussyhats, die Hunderttausende auf den Women’s-March-Protesten in 600 Städten weltweit trugen. Damit protestierten sie für Frauenrechte und gegen Sexismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Aktivistinnen hinter der Protestbewegung rufen die Trägerinnen und Träger dazu auf, „laut und stolz“ von sich hören zu lassen, „überall und egal wo in den kommenden Jahren“.
Die Demonstrationen fanden in vielen Ländern statt, darunter in den USA, Kanada, Australien und Afrika, aber auch in Europa wie in Deutschland oder Frankreich. Die Veranstalterinnen erklärten, die Proteste richteten sich nicht speziell gegen Trump. Dennoch ist die Politik des neuen Präsidenten und Milliardärs ausschlaggebend gewesen für die Aktion: Trump hatte sich im Laufe seines Wahlkampfes mehrfach beleidigend über Frauen geäußert.
Die Aktion begann mit einer Demonstration am Samstag in Washington, einen Tag nach der Inauguration von Trump. Auch Prominente wie Scarlett Johansson und Madonna nahmen daran teil. Feministen und Menschenrechtsorganisationen griffen die Idee von pussyhats auf und verbreiteten sie über die ganze Welt.
Auch in Russland wurde ein Women’s March für den 22. Januar angekündigt. Doch die Aktion fiel mit einer Teilnehmerin mager aus. Die angegebene Uhrzeit war wohl Schuld daran, dass niemand kam: Der Beginn wurde auf zwei Uhr nachts am Ufer der Moskwa angesetzt.
Beabsichtigt war das nicht, wie die Organisatorin Loretta Marie Perera auf Anfrage von RBTH erklärt: „Die Aktion war auf zehn Uhr angesetzt, ich weiß nicht, weshalb die Uhrzeit geändert wurde.“
Die junge Aktivistin war überzeugt von ihrem Plan. „Ich hatte die Idee, einen Women’s March in Solidarität mit allen Frauen weltweit zu organisieren. Ich wusste, dass es in Moskau nicht einfach werden würde – ich komme aus Singapur und habe in Peking gelebt, deshalb weiß ich, dass in einigen Ländern demokratische Demonstrationen nur eingeschränkt möglich sind“, behauptet die Wahl-Moskauerin. Tatsächlich gibt es in Russland keine Einschränkungen für Protestaktionen, diese müssen jedoch von den Behörden im Voraus genehmigt werden.Perera habe versucht, Menschen mithilfe von sozialen Netzwerken zusammenzubringen. Die Erwartungen seien nicht groß gewesen: „Ich habe mit höchstens jedem Zweiten gerechnet.“ Geplant sei nicht einmal ein Marsch gewesen, sondern ein Spaziergang durch die Stadt als Zeichen der Solidarität, erzählt die Aktivistin. Doch wegen der falschen Uhrzeit sei niemand gekommen. „Die einzige Teilnehmerin war ich. Ich ging entlang der Worobjowy Gory und machte Bilder“, berichtet sie.
In den sozialen Netzwerken tauchte gelegentlich die Frage auf, warum es in Russland keine Demonstrationen gab. Viele reagierten darauf empört.
„Die Ästhetik des Marsches erschließt sich mir nicht. Ich bin ein Mensch mit anderen Werten!“, schrieb beispielsweise der Facebook-Nutzer Sergej Martschenko. Andere vermuteten, dass das Konzept der knallrosa pussyhats zu frech für die russische Öffentlichkeit sei. Doch diese Bedenken ließen Kritiker nicht gelten: Bei den Massenprotesten 2011 bis 2012 haben man auf Moskaus Straßen Kostüme jeglicher Art gesehen, Demonstranten seien als Eier verkleidet gewesen oder gar als Kondome. Die Strickmützen würden wohl kaum jemanden beeindrucken.
Und doch ignorierten die russischen Oppositionellen und Aktivisten die weltweiten Women’s Marches. Als Einziger meldete sich Alexei Nawalny zu Wort: „Ein Marsch mit 500 000 Menschen und kein einziger Polizist ist anwesend. In Moskau würde bei einer Versammlung dieser Größenordnung der Ausnahmezustand herrschen“, schrieb Nawalny auf Twitter.
Die berühmte russische Feministin Maria Arbatowa versucht, das Schweigen der Opposition zu erklären. An den pussyhats habe es nicht gelegen, sagt die Aktivistin in einem Gespräch mit RBTH. „Unsere Geschichte im Umgang mit Frauenrechten ist völlig verschieden. In den USA ging die feministische Bewegung der sechziger Jahre Hand in Hand mit dem Schutz der Rechte von Homosexuellen und farbigen Migranten. In Russland ist das nicht so, hier wird alles einzeln betrachtet. Deshalb hat sich bei uns keine Lobby zum Schutz dieser Rechte herausgebildet. Parallelen sind unmöglich zu ziehen. Eine konsolidierte Frauenbewegung gibt es in Russland nicht“, konstatiert Arbatowa. Und die russische Opposition, so fügt sie hinzu, kümmere sich nicht um die Rechte von Frauen und Homosexuellen.Das Verständnis für die Women’s Marches fehlt den meisten Russen. „Was hat Trump den Frauen getan, vor allem außerhalb der USA?“, war eine der häufigsten Fragen im russischsprachigen Netz. Einige suchten nach Gründen für die Massen, die sich den Demonstrationen weltweit anschlossen. „Im Netz heißt es, dass kleinere Läden wie Schönheitssalons oder Yoga-Studios ihren Kundinnen für eine Teilnahme an den Protesten 35 US-Dollar und einen kostenlosen Bustransfer angeboten haben“, schreibt etwa Michail Kalaschnikow auf Facebook. Andere zweifelten grundsätzlich am Sinn von Anti-Trump-Protesten: „Wozu solche Aktionen nach den Wahlen? Das Ergebnis lässt sich schließlich nicht mehr ändern.“
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