Den 400. Jahrestag der Romanow-Dynastie feierten junge Monarchisten am 4. November 2013 mit einem Russischen Zarenmarsch in Moskau.
Alexander Vilf/RIA NovostiDiese Zahlen sind für Russland nicht neu. In den letzten fünf Jahren wollte etwa ein Viertel der Einwohner den Zaren zurück. Damit verbunden ist häufig die Hoffnung, dass sich ein vom politischen Tagesgeschäft unabhängiger Monarch am besten um das Wohl des Landes kümmern könne.
Obwohl die Nachfahren des Königshauses Romanow regelmäßig eingeladen werden nach Russland zurückzukehren, gibt es bislang keinerlei konkrete Schritte zur Errichtung einer Monarchie. Im Gegenteil: In den politischen Eliten ist dies kein ernsthaftes Thema. Der Sprecher der Staatsduma hält eine solche Änderung des Staatssystems für aussichtslos, selbst Präsident Wladimir Putin sieht das Ganze ohne Optimismus.
Interessant ist etwas anderes: Unter den Befürwortern der Monarchie befindet sich erstmals eine Mehrheit von jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jahren. Diese Altersgruppe entspricht denjenigen, die vor wenigen Wochen in 100 russischen Städten an Straßenprotesten teilgenommen hatten. Nach Einschätzung von Soziologen gehören zu den Monarchisten vor allem Einwohner der großen Metropolen Moskau und Sankt Petersburg, aktive Internet-Nutzer sowie Anhänger von nichtparlamentarischen Parteien. In den traditionellen Medien findet das Thema kaum statt. Es gibt auch keine konkreten Vorschläge für potenzielle Zaren. Die Monarchisten diskutieren vor allem im Internet.
„Mein Vater ist ein liberaler Demokrat, meine Mutter und mein Bruder sind unpolitisch. Ich habe mich seit Kindesalter auch außerhalb der Schule für Geschichte begeistert und kam allmählich zum Monarchismus", erzählt der 18-jährige Alik Danieljan im Gespräch mit RBTH. Im beliebtesten sozialen Netzwerk Russlands, Vkontakte, betreibt er die Gruppe "Monarchie Enklave" mit fast 14 000 Abonnenten.
Die Gründe, warum junge Menschen nichts gegen eine Monarchie einzuwenden haben, liegen für ihn auf der Hand. Die alte Generation, die durch und durch kommunistisch geprägt worden sei, schaffe allmählich Platz für ihre jungen Nachfolger. Diese bemerkten ihrerseits zunehmend, wie inkonsistent die moderne Republik sei.
"Russland braucht einen Zaren!" und "Die Monarchie ist die beste Staatsordnung, die die Menschheit überhaupt noch kennt!" steht auf den Schildern der Teilnehmern des Russischen Zarenmarschs. / Alexander Vilf/RIA Novosti
"Die Republik bringt niemanden hervor, der in der Lage ist, das Land zu regieren. Sie bringt nur Menschen hervor, die bei den Wahlen gewinnen wollen, um persönlich davon zu profitieren", sagt Alik. Er ist davon überzeugt, dass es unter einer Monarchie ganz anders laufe. Es sei eine großartige Möglichkeit, die Kontinuität der herrschenden Elite zu wahren. Das Wichtigste sei die Tatsache, dass diese Elite sich nicht die Hände schmutzig machen müsse, um an die Macht zu kommen.
Diese Idee predigen die jungen Monarchisten auch in anderen Gruppen in den sozialen Netzwerken. Sie alle vereinige die Hoffnung, dass eine Monarchie Egoismus verhindere und Stabilität schaffe, erklärt WZIOM-Direktor Stepan Lwow im Gespräch mit RBTH.Zu allen anderen Themen, so Lwow weiter, gebe es keine einheitliche Meinung. Das betreffe beispielsweise die Frage, ob es sich um eine absolute Monarchie mit einem absoluten Herrscher handeln solle oder eher um eine parlamentarische Demokratie wie in Spanien oder Großbritannien? Das alles sei diskutabel. Im Mittelpunkt stehe stets der Glaube, dass ein solches System Freiheit und Demokratie fördern würde und effizienter sei.
„In unserem Land“, erklärt Lwow, „gibt es keine Menschen mehr, die unter dem Zaren lebten. Deshalb kann man bei dieser Sache nicht von Erfahrung sprechen. Andererseits wurde diesen jungen Menschen nicht ständig eingeredet, dass die Monarchie archaisch, teuflisch und schlecht sei. Das moderne Schulsystem verfolgt nicht das Ziel, die Monarchie schlecht darzustellen. Daher verwundern mich die Ergebnisse nicht", so Lwow zusammenfassend.
Im heutigen Russland gibt es nur eine offiziell angemeldete monarchistische Partei - die "Monarchische Partei Russlands" mit 47 regionalen Gruppen. In den Medien machen diese Monarchisten überwiegend mit Aufsehen erregenden Aktionen auf sich aufmerksam.
So waren es Mitglieder dieser Partei, die die Bücher von Joanne K. Rowling und Wladimir Sorokin verbrannten, eine Gay-Pride-Parade in Moskau verscheuchten, einen Spielzeugaffen im Rahmen einer antidarwinistischen Aktion beerdigten und den Slogan "Orthodoxie oder Tod!" verkündeten, der vom Gericht als extremistisch eingestuft wurde. Ein russischer Millionär bat die Regierung des pazifischen Landes Kiribati um Erlaubnis, drei unbewohnte Inseln kaufen zu dürfen, um darauf die russische Monarchie zu neuem Leben zu erwecken, was abgelehnt wurde.
Der Millionär Anton Bakow, Kopf der Monarchischen Partei Russlands, trägt mit seinem Verhalten nicht zu einem guten Image seiner Partei bei. / Vitaliy Belousov/RIA Novosti
In Anbetracht all dessen sei es nur wenig verwunderlich, dass der Großteil der Bevölkerung die Monarchisten für eine Trachtengruppe hält, so Konstantin Kalatschow, Leiter einer unabhängigen Expertengruppe, im Gespräch mit RBTH.
"Monarchistische Organisationen erfüllen bei uns den Zweck, exotischen Ideen eine Plattform zu geben. Adelsgemeinschaften, die in den 90er Jahren populär waren, existieren so gut wie nicht mehr. Damals gab es eine Menge Organisationen, die das Adelsimage diskreditiert haben. Plötzlich wollte jeder Fürst oder Baron sein", erinnert sich Kalatschow.
Wahre Monarchisten würden laut Alik Danieljan "Kräfte sparen und abwarten". Frühestens in zehn Jahren könne man eventuell zu einer politischen Kraft werden. Bisher beschränke sich ihre Tätigkeit auf Treffen in Tee-Clubs und evangelischen Gruppen oder die Teilnahme an Versammlungen der Nachkommen des Ismailowski-Regiments.Letzteres sei nur ein schöner Name, der den Monarchisten gefalle. Echte Nachfahren gebe es nicht. Solche Clubs werden in der Regel von 15 bis 30 Personen besucht. Man versammle sich dort, führe Gespräche mit dem Priester und halte Präsentationen ab." Über "Europas Rechte" wie Donald Trump oder Marine Le Pen spreche man auch, jedoch "ohne Fanatismus". "Wir profitieren vom Aufstieg der rechten Kräfte weltweit. Wieso sollten wir uns darüber nicht freuen?", fragt Alik.
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