Die Wrack-Teile der Tu-154 entlang der Küstenlinie des Schwarzmeer-Kurorts Sotschi entdeckt.
TASSDie Wrack-Teile der Tu-154 wurden an der Küste des Schwarzmeer-Kurorts Sotschi entdeckt. / TASS
Ende Dezember stürzte ein Transportflieger des russischen Verteidigungsministeriums auf dem Weg ins befreite Aleppo in Syrien nur eine Minute nach dem Start im südrussischen Sotschi ins Schwarze Meer. An Bord der Maschine waren unter anderem auch Mitglieder des weltweit berühmten Alexandrow-Chores sowie die in Russland als „Doktor Lisa“ bekannt gewordene und sozial sehr engagierte Ärztin Jelisaweta Glinka. 92 Menschen kamen damals ums Leben. Warum diese Tragödie passierte, war vielen lange Zeit unverständlich. Ein knappes halbes Jahr nach der Katastrophe hat die Ermittlungskommission des russischen Verteidigungsministeriums nun ihre Ergebnisse veröffentlicht.
Die alles entscheidenden Sekunden
Am Morgen des 25. Dezember 2016 startete die Tupolew 154 in Moskau. 1620 Kilometer südlich, in Sotschi, machte der Flieger einen Zwischenhalt zum Auftanken vor dem längeren Streckenteil ins syrische Aleppo, das kurz zuvor vollständig von den Terroristen befreit worden war. Auf dem ersten Abschnitt gab es keinerlei Probleme, der zweite Start in Sotschi aber war von Anfang an von Problemen begleitet. Wie die Untersuchungen ergeben haben, hatte der Kapitän bereits bei der Suche der richtigen Startbahn Problem mit der Orientierung, konnte nicht erkennen, welche nun für seinen Start vorgesehen war und wie er sie erreichen sollte. Schon in diesen Minuten soll er sehr nervös gewesen sein.Sieben Sekunden nach dem Start dann entbrannte gar ein heftiger Konflikt zwischen dem Piloten und seiner Crew. Weil dem Kapitän die Flugrichtung unklar war, ging der Streit in Schimpfen und Beleidigungen über. In diesem Moment dann muss der Pilot völlig die Kontrolle über die Flugparameter verloren und die Crew völlig von ihrer Arbeit abgelenkt haben.
Noch als der Flieger an Höhe gewann, schob der Kapitän dann das Steuer von sich und bremste den Anstieg. In der 53. Sekunde, auf einer Höhe von gerade einmal 157 Metern, gab er die Anweisung, die Tragflächenklappen einzufahren, und verstieß damit gegen die geltende 500-Meter-Regel. Das Steuer stand derweil weiter auf Sinkflug.
Dass der Kapitän mittlerweile völlig die Orientierung im Raum sowie die Kontrolle über die Situation verloren hatte, führte dazu, dass das Flugzeug nur noch schneller sank. Und letztlich aus 231 Metern Höhe abstürzte. Schon nach 70 Sekunden Flug waren die Passagiere verloren: Der Flieger legte sich um 50 Grad auf die linke Seite und stürzte mit einer Geschwindigkeit von 540 Stundenkilometern in Richtung Erde.
Der Schuldige und die Verantwortlichen
Die Expertenkommission unterstreicht, dass die emotionale und physische Überbelastung des Kapitäns sowie fehlende Erfahrung unter erschwerten Flugbedingungen zu dem tragischen Absturz geführt haben. Ein Teil der Verantwortung liegt darum auch bei den Vorgesetzten des Piloten vom Luftwaffenstützpunkt Nummer 800 der russischen Luft- und Raumfahrtkräfte. Dort seien über 20 Regeln bei der Pilotenausbildung missachtet und eine „nicht eingeflogene“ Crew geschickt worden.Alle Spekulationen über mögliche technische Fehler oder Überfrachtung des Flugzeugs sind damit offiziell widerlegt worden. „Die Version einer Überladung des Flugzeugs ist schon vor Monaten außer Kraft gesetzt worden“, erläutert Pawel Bulat vom Internationalen Forschungszentrum der Universität für Informationstechnologien, Mechanik und Optik in St. Petersburg. Eine Tu-154 könne mit so einer Ladung nicht aus dem Gleichgewicht gebracht werden. „Und nun wurde faktisch einfach die Version bestätigt, dass der Pilot die Orientierung verloren hat.“ Bulat bestärkt außerdem, dass ein Teil der Verantwortung sicher bei den Vorgesetzten der 800. Basis liegt: „Das Problem ist, dass sich die Crew nicht erholen konnte. Die Frage ist: Warum mussten sie unbedingt nachts zu diesem Auftrag geschickt werden?“
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