„Zwischenlandung in Moskau“ – Reiseführer durch das Moskau der sechziger Jahre

Im Jahr 1964 feierte einer der populärsten Filme des Sowjetkinos "Zwischenlandung in Moskau" seine Premiere auf den Internationalen Filmfestspielen von Cannes. Foto: RIA Novosti

Im Jahr 1964 feierte einer der populärsten Filme des Sowjetkinos "Zwischenlandung in Moskau" seine Premiere auf den Internationalen Filmfestspielen von Cannes. Foto: RIA Novosti

RBTH führt Sie zu den Originalschauplätzen des wohl populärsten sowjetischen Kinofilms „Zwischenlandung in Moskau“. Begleiten Sie uns auf den Wegen der Filmhelden Wolodja und Kolja zu bekannten Orten der russischen Hauptstadt, die auch heute noch einen Besuch wert sind.

„Zwischenlandung in Moskau“ ist einer der populärsten Filme des Sowjetkinos, der auch international Beachtung fand. Im Jahr 1964 feierte er seine Premiere auf den Internationalen Filmfestspielen von Cannes. Regisseur Georgi Danelia gewann in der Kategorie „Besondere Erwähnung von jungen Filmregisseuren“. Zudem wurde der Film 2014 in die Kategorie „Venezia Classici“ der Internationalen Filmfestspiele von Venedig aufgenommen. Der Film spielte an Originalschauplätzen im Moskau der 1960er-Jahre. Diese Orte gibt es noch heute und ihr Besuch lohnt sich.   


Roter Platz und GUM – Machtzentrale und Einkaufsparadies

Im Film gehen die Helden Wolodja und Kolja über den Roten Platz ins Kaufhaus GUM (Glawny uniwersalny magasin, zu Deutsch „Hauptkaufhaus“).

Der Rote Platz war der wichtigste Ort der Sowjetunion. Hier im Kreml wurden wegweisende politische Entscheidungen getroffen. Von hier aus ging Nikita Chruschtschow auf einen neuen Regierungskurs, der als Tauwetter-Periode in die Geschichtsbücher eingegangen ist. Es war die Zeit der Liberalisierung der Gesellschaft von der Mitte der fünfziger bis zur Mitte der sechziger Jahre, die Phase der Entstalinisierung in der UdSSR. 1956, auf dem XX. Parteitag der KPdSU, verurteilte der neue sowjetische Führer Nikita Chruschtschow den Personenkult um Josef Stalin. Das Jahr markierte den Beginn einer Rehabilitierung politischer Gefangener, 1957 richtete Moskau das erste internationale Festival der Jugend und Studenten aus, zu dem 34 000 Gäste aus 131 Ländern empfangen wurden.

Im GUM treffen Wolodja und Kolja die junge Aljona, die als Verkäuferin in der Schallplattenabteilung arbeitet.

In der Sowjetunion galt das GUM als Symbol für Aufschwung und Wohlstand, es war das größte Kaufhaus des Landes. Noch heute ist es ein edler Einkaufstempel. Ein Besuch dort stand und steht bei Moskaureisenden ganz oben auf der Programmliste. Im GUM soll es das beste Eis ganz Russlands geben.

 

Mosfilm-Studios – Erfolgreich mit Georgi Danelia

„Zwischenlandung in Moskau“, der als sein Meisterwerk gilt, drehte Regisseur Georgi Danelia für Mosfilm, das größte Filmstudio der Sowjetunion. Foto: ITAR-TASS

„Zwischenlandung in Moskau“, der als sein Meisterwerk gilt, drehte Regisseur Georgi Danelia für Mosfilm, das größte Filmstudio der Sowjetunion. Besonders erfolgreich waren auch seine Filme „Das Gastmahl der Rose“ („Ne geroj“), „Marathon im Herbst“ („Osenni marafon“), „Mimino“ („Mimino“) und „Pasport“ („Pasport“). „Zwischenlandung in Moskau“ spielte erstmals in der sowjetischen Filmgeschichte mit den stilistischen Möglichkeiten des italienischen „Neorealismus“ und der französischen „Nouvelle Vague“. 1964 wurde auf den Internationalen Filmfestspielen in Cannes mit dem französischen Film „Die Regenschirme von Cherbourg“ ein Beitrag als bester Film ausgezeichnet, der an Danelias Meisterwerk erinnert. 


Flughafen Scheremetjewo – Wo die Reise den Anfang nimmt

„Zwischenlandung in Moskau“ ist die leichte und unprätentiöse Geschichte des jungen Arbeiters Wolodja aus Sibirien, der eine Erzählung in einer Moskauer Zeitschrift veröffentlicht hat und in die Hauptstadt reist, um einen bekannten Schriftsteller zu treffen. Dort lernt er den Metroarbeiter Kolja kennen. Den ganzen Film hindurch fahren die beiden immer wieder durch das sommerliche Moskau und geraten in verschiedenste komische Situationen. Wolodja landet bei seiner Ankunft in Scheremetjewo, dem damals wie heute wichtigsten Flughafen des Landes. 


Gerassimow-Institut für Kinematografie – Denkmal für eine Kultfigur

Das Denkmal vor dem Eingang des Institus für Kinematografie in Moskau erinnert an den Kultfigur der sechziger Jahre Gennadi Schpalikow sowie an den Filmemacher Andrej Tarkowski und den Schriftsteller und Schauspieler Wassili Schukschin. Foto: Lori/ Legion Media

 Der Film war auch ein großer Erfolg für Gennadi Schpalikow, Drehbuchautor, Dichter, Regisseur und  Kultfigur der sechziger Jahre. Er starb früh. Einige Jahre nach seinem Tod setzte man ihm ein Denkmal vor dem Eingang des Gerassimow-Instituts für Kinematografie. Es ist ein Denkmal für drei Studenten des Instituts, die ihrer Universität große Ehre gemacht haben. Neben Schpalikow wird so an den sowjetischen Filmemacher Andrej Tarkowski und den Schriftsteller, Regisseur und Schauspieler Wassili Schukschin erinnert.


Metrostation „Universität“ – Der Stolz der Arbeiterklasse

Im Film singt Kolja das Lied „Ich schreite durch Moskau“ von Andrej Petrow (Musik) und Gennadi Schpalikow (Text). „Die ganze Welt ist manchmal schön, unbegreiflich, was passiert ist, ein Sommerregen ist gefallen, ein normaler Sommerregen…“, heißt es darin. Es sollte eines der bekanntesten sowjetischen Lieder über die Hauptstadt werden, nicht weniger populär als „Moskauer Nächte“. Es wurde bis heute immer wieder interpretiert und ist auch  ein halbes Jahrhundert später noch beliebt.

Am Ende des Films kommt der Metroarbeiter Kolja zur Metrostation „Universität“. Die Moskauer Metro war der Tempel sowjetischer Errungenschaften, jede Station ein Kunstwerk. Die Metrostationen wurden mit Marmor verkleidet, mit kunstvollen Mosaiken und Skulpturen geschmückt. Arbeiter und Bauern aus allen Ecken des Landes sollten bei einem Moskaubesuch stolz auf ihre Leistungen sein können, die so beeindruckend an den Metrostationen zu erkennen waren. Die Metro wie auch das Ausstellungszentrum WDNCh, der Gorkipark und andere Kulturobjekte fügten sich ideal in das System der ideologischen Erziehung ein.


Gorki-Park – Erholung im Großstadtdschungel

Der leichte, helle und luftige Film „Zwischenlandung in Moskau“ ist auch das Werk des großen sowjetischen Kameramanns Wadim Jussow. Er hatte erst kurz zuvor die Dreharbeiten an Andrei Tarkowskis „Iwans Kindheit“ abgeschlossen. Später drehte Jussow mit Tarkowski „Solaris“. Eine der markantesten Szenen in diesem Film spielt im Gorki-Park. Dort „verfolgen“ die Helden einen Erholungsuchenden und werden beinahe von der Miliz gefasst.


Michalkow-Denkmal in der Powarskaja uliza – Eine kreative Familie

Die schauspielerische Besetzung ist hervorragend. Die jungen Talente Galina Polskich, Jewgeni Steblow und Alexei Loktjew spielten mit unübertroffener Hingabe und überbordender Energie. Sie wurden unterstützt von den etwas älteren komödienhaften Figuren, deren Rollen Rolan Bykow, Wladimir Bassow und Lew Durow spielten. Viele von ihnen waren bereits echte Stars, einige sollten es noch werden. Über viele Jahre hinweg war dieser Film, was seine hochkarätige Besetzung betraf, beispiellos.

Foto: RIA Novosti

Eine der wichtigsten Rollen, die des Metroarbeiters Kolja, spielte der damals erst 18-jährige Schauspieler und spätere Regisseur Nikita Michalkow. Sein Kolja war einfach gestrickt und einnehmend, sprühend vor Optimismus und voller Menschlichkeit. Michalkow wurde ein großer Schauspieler. Er erhielt später für „Die Sonne, die uns täuscht“ einen Oskar. Nikita Michalkows Vater war der Dichter Sergei Michalkow, der die Nationalhymnen Russlands und der Sowjetunion verfasst hat. Für ihn steht ein Denkmal neben seinem früheren Wohnhaus in der Powarskaja uliza. Übrigens ist auch Nikita Michalkows Bruder Andrei Kontschalowski Filmregisseur.


Tschistoprudnyj bulwar – Von der Müllhalde zum beliebten Treffpunkt

Wolodja wird auf dem Tschistoprudnyj bulwar von einem Hund gebissen. Kolja bittet ihn zu sich in seine Wohnung, die am Teich Tschistyje prudi liegt, einem historischen Ort. Im 17. Jahrhundert befanden sich dort die sogenannten Poganyje bolota, eine Deponie für Abfälle. Im Jahr 1703 kaufte Alexander Menschikow, der künftige Gefolgsmann des Zaren Peter des Großen, das große Grundstück. Er veranlasste eine Säuberung des Teiches. Seitdem heißt er Tschistyj („sauber“). Heute ist der Ort ein beliebter Treffpunkt der Moskauer, häufige Filmkulisse und Motiv vieler Bücher.

 

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