Foto: Sergej Wawilow
Manche Dinge sind so einleuchtend, dass man sich wundert, warum nicht schon jemand früher auf die Idee gekommen ist. Unter dem Titel „Handmade in Germany" zeigen etwa 150 deutsche Betriebe noch bis zum 1. März im Moskauer Kunstgewerbemuseum ihre Produkte. Die vertretenen Unternehmen reichen vom Einmannbetrieb bis zum veritablen Mittelständler, ihre Produktpalette umfasst Lebensmittel, Spirituosen, Küchenutensilien, Geschirr, Spielzeug, Einrichtungsgegenstände und Luxusartikel. Im Prinzip könnte man sich auf der Ausstellung vollständig einrichten. Bekannte Marken wie Lamy oder Nymphenburger Porzellan wechseln sich ab mit unbekannten, kleinen Start-up-Unternehmen mit teilweise obskur anmutenden Produkten. Die Chance auf besondere Entdeckungen macht den Charme der Leistungsschau aus, die sich über insgesamt fünf Säle erstreckt.
Das Organisationsduo Katja Kleiss und Pascal Johanssen hat sich als Galerist und Kurator mit dem Direktorenhaus in Berlin einen Namen gemacht. Die beiden organisieren seit vielen Jahren das renommierte Berliner Festival für grafische Gestaltung „Illustrative". Dass die Optik der Ausstellung gelungen ist, überrascht daher nicht. Der Auftritt ist schlicht, elegant, stimmig und durchweg bodenständig. Das schätzen die Aussteller. „Die meisten Unternehmen sehen sich im Sinne des Deutschen Werkbundes als Kunstgewerbe. Leider stirbt dieser Begriff langsam aus", erklärt Kleiss. Auf die Frage, warum Moskau und Sankt Petersburg als erste Stationen der zweijährigen Welttournee ausgewählt wurden, antwortet sie, dass „Russland für viele Partner, obwohl nahe gelegen, noch immer ein unbekanntes Terrain ist."
Das Interesse am Konzept ist groß, es werden 10 000 Besucher im Verlauf der Ausstellung erwartet. Eröffnet wurde sie durch die Gastgeberin Elena Titowa, den deutschen Botschafter Rüdiger von Fritsch und Andrea von Knoop als Vertreterin der Wirtschaft in Russland. Unter den etwa 400 Gästen der Eröffnungsfeier fanden sich zahlreiche russische Geschäftsleute, Kunstschaffende und Vertreter der Kulturwelt.
Direktorin des Moskauer Kunstgewerbemuseums Elena Titowa. Foto: Sergej Wawilow
In ihrem Vortrag ging Andrea von Knoop auf die enge Vernetzung und die Tradition deutscher Handwerkskunst in Russland seit dem 18. Jahrhundert und deren Bedeutung für die Entwicklung der russischen Gesellschaft ein. Schon damals seien Qualitätsprodukte vom deutschen Buchbinder, Hutmacher oder Zuckerbäcker gerade für den gehobenen Bedarf Zeichen des guten Geschmacks gewesen. Ihr selbst gefalle insbesondere die Engelskapelle aus dem Erzgebirge: „Die Engel sammele ich seit Jahren selbst."
Für Botschafter von Fritsch ist die Leistungsschau eine „sehr gelungene, wunderbare Ausstellung", die die Bedeutung des Mittelstands und familiengeführter Unternehmen auszeichne. „Die Grundlage der Qualitätsarbeit liegt im einmaligen Bildungsgang des Handwerks, vom Lehrling über den Gesellen zum Meister, gepaart mit reichen künstlerischen Traditionen."
Foto: Sergej Wawilow
Die Ausstellung macht deutlich, welche Kreativität sich in Deutschland und Russland entfalten kann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Begegnungen deutscher Produzenten mit russischen Betrieben bilden einen Teil des Rahmenprogramms. Seminare zu Themen wie Porzellanherstellung wechseln sich ab mit Diskussionsrunden und Fachgesprächen über Gestaltung und Design. Dabei geht es aber auch um reale Geschäftsinteressen. So mancher deutsche Betrieb sucht Partner für den Vertrieb und Kooperationen in Russland.
Foto: Sergej Wawilow
Die Initiatoren der Veranstaltung selbst haben noch große Pläne. In Deutschland möchten sie im nächsten Jahr die Idee einer Manufakturenstraße umsetzen. Doch erst einmal soll es mit der Ausstellung auf den Spuren der Seidenstraße mit Schiff und Bahn nach Osten gehen. Auf Wiedersehen, Moskau – hallo Schanghai, Tokio, Miami und Abu Dhabi.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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