Vergessene Veteranen: Polaroids als Zeichen gegen den Krieg

Die Großmutter von Arthur Bondar Galina Bondar. Foto: Arthur Bondar

Die Großmutter von Arthur Bondar Galina Bondar. Foto: Arthur Bondar

Der Fotograf Arthur Bondar porträtierte fünf Jahre lang Weltkriegsveteranen aus der Ukraine und Russland. Daraus entstand die Ausstellung „Signatures of War“, die im April im Moskauer Sacharow-Zentrum zu sehen sein wird. Im Gespräch mit RBTH erklärt er seine Beweggründe für dieses Projekt.

Mehr als fünf Jahre lang hat Arthur Bondar mit einer Polaroid-Kamera ukrainische und russische Veteranen des Zweiten Weltkriegs fotografiert und sie anschließend gebeten, diese zu signieren. Die Bilder von Bondars Projekt „Signatures of War" (zu Deutsch: „Signaturen des Krieges") wurden schon in zahlreichen Zeitschriften veröffentlicht und weltweit in Ausstellungen gezeigt. Vor den Feierlichkeiten zum Gedenken an den 70. Jahrestag des Kriegsendes im Mai möchte Bondar 70 seiner Porträts in einem Buch veröffentlichen. Um das Projekt finanzieren zu können, startete er eine Crowdfunding-Kampagne über das Internetportal planeta.ru.

 

RBTH: Warum lag Ihnen so viel daran, die Fotos auch signieren zu lassen?

Arthur Bondar: Wir hinterlassen viele Spuren, wenn wir aus dem Leben gehen, zum Beispiel Briefe, Tagebücher oder Fotos. Als ich anfing, an diesem Projekt zu arbeiten, fiel mir ein Brief meiner Großmutter väterlicherseits in die Hände, die eine Veteranin war. Sie beschrieb ihr Leben während des Zweiten Weltkriegs sehr detailliert.

Ich fand außerdem eine Menge Fotos in ihrem Archiv, sie waren auf der Rückseite alle signiert, das wollte ich für mein Projekt übernehmen. Die Polaroid-Kamera war ein perfektes Instrument dafür. Wir können heute mit den Mitteln der Grafologie aus der Handschrift eines Menschen viel herauslesen. Ich denke, Unterschriften können uns eine Menge über eine Person erzählen.

Was genau hat Sie am Brief Ihrer Großmutter so berührt, dass es Sie zu diesem Projekt ermuntert hat?

Den eigentlichen Anstoß zu diesem Projekt war der Tod meiner Großmutter mütterlicherseits. Auch sie war eine Veteranin des Zweiten Weltkriegs. Ich überlegte lange, wie ich die Erinnerungen dieser Menschen vor dem Vergessen bewahren und sie in eine fesselnde Geschichte verwandeln könnte.

Da die Mutter meines Vaters und ihre Schwester noch lebten, beschloss ich, sie zu besuchen und zu ihren Weltkriegserinnerungen zu befragen. Meine

Großmutter überließ mir ihre Briefe, in denen sie ihr Leben während der Kriegsjahre, die Besetzung und ihre Deportation in ein Arbeitslager bei Dresden beschrieb. So kam mir die Idee zu meinem Projekt.

Warum haben Sie Ihre Arbeit auf Fotos von Veteranen aus Russland und der Ukraine beschränkt?

Ich habe mich nicht auf bestimmte Regionen wie Russland oder die Ukraine festgelegt. Alle Veteranen sind in der Sowjetunion zur Welt gekommen und haben für die Sowjetunion gekämpft. Ich habe Veteranen unterschiedlichster Nationalitäten getroffen, die nach dem Krieg in der Ukraine geblieben sind: Russen, Kasachen, Weißrussen, Moldauer und andere. Ich habe 2010 in der Ukraine mit dem Projekt begonnen und dort drei Jahre lang Porträtfotos gemacht. Damals dachte ich, das Projekt sei damit beendet.

Aber Sie haben weitergemacht?

Die jüngsten Entwicklungen im Osten der Ukraine überzeugten mich, dass ich einen Beitrag zur Verständigung der Menschen leisten muss, etwas, das der Konfrontation entgegenwirkt. Ich wollte einen Beitrag zum Frieden

leisten. Also setzte ich meine Arbeit in Russland fort. Ich wollte zeigen, dass wir alle gleich sind. Die Menschen leiden auf beiden Seiten der Frontlinien. Es gibt keine Wahrheit in diesem Krieg, wir werden am Ende keinen Gewinner haben. Wir werden alle verlieren.

Was sagen die Veteranen zum aktuellen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine?

Viele Veteranen sind wirklich verwirrt angesichts der aktuellen Lage. Sie nennen es die größte Tragödie der Nachkriegsära. Ein Veteran erinnerte daran, dass Russen und Ukrainer in derselben Armee, in denselben Truppeneinheiten und in denselben Schützengräben gegen Nazi-Deutschland gekämpft haben. Heute töten sie einander. Es ist eine Katastrophe.

Ist es leicht, mit den Veteranen ins Gespräch zu kommen?

Viele Veteranen lassen sich gerne fotografieren. Sie freuen sich, dass jemand ihnen Aufmerksamkeit schenkt. Manche wollen sich aber auch nicht fotografieren lassen. Das ist ihr gutes Recht. Wir müssen ihren Wunsch natürlich respektieren.

Wo wurden Ihre Arbeiten schon gezeigt?

Das Projekt „Signatures of War" wurde in Kanada, den USA, in Frankreich und dort 2013 auch in der ukrainischen Botschaft in Paris gezeigt. Und in diesem April planen wir eine Ausstellung im Moskauer Sacharow-Zentrum.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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