Waleri Gergijew: „Ich hoffe, die Gewinner genießen internationalen Ruhm“ Foto: EPA
„Rossijskaja gaseta": Dieses Jahr begann der Tschaikowski-Wettbewerb zum ersten Mal nicht direkt mit der ersten Ausscheidungsrunde, sondern einer Vorrunde. Was ist der Grund für diese Neuerung?
Gergijew: Wir haben uns dafür entschieden, weil nur der Live-Auftritt einen umfassenden Eindruck von einem Musiker vermitteln kann. Nach den Ergebnissen der Vorrunde in der Kategorie „Klavier" ist bereits klar, dass das Niveau sehr hoch sein wird. Bei den Pianisten haben sich die Teilnehmer als so gut herausgestellt, dass statt der üblichen 30 Wettbewerber 36 in die erste Runde einziehen.
Die Gewinner des letzten Wettbewerbs vor vier Jahren sind auf Tournee gegangen. Es war das erste Mal, dass der Wettbewerb eine konkrete Zielsetzung hatte: Künstler für Konzerte zu finden. Wie fällt das Fazit aus?
Fast alle Finalisten des letzten Wettbewerbs sind mit mir aufgetreten, nicht nur in Sankt Petersburg, Moskau und anderen Städten Russlands, sondern auch im Ausland. Dasselbe planen wir auch nach dem diesjährigen Wettbewerb. Natürlich haben die Gewinner mehr Möglichkeiten als die anderen Finalisten. Das bedeutet aber nicht, dass man sich nicht auch für sie interessieren wird.
Wie schätzen Sie heute Ihre Erfahrungen mit Daniil Trifonow, dem Gewinner des letzten Wettbewerbs, ein, den Sie in die besten Konzertsäle der Welt gebracht haben?
Trifonow hat im Grunde genommen all das bekommen, was der Wettbewerb einem Gewinner bringen kann. Entscheidend ist aber, dass er sich nicht nur wie ein Gewinner des Wettbewerbs verhalten hat, sondern auch wie ein Musiker, der plötzlich in vielen Ländern das Interesse des Publikums auf sich zieht. Seine ersten Auftritte haben starke, positive Reaktionen hervorgerufen, und in ihm kam der Wunsch auf, nicht nur mit mir aufzutreten, sondern auch mit anderen Orchestern. Es ist eine wahrlich internationale Geschichte, die Gott sei Dank großartig verlaufen ist.
Seit dem 15. Juni treten noch bis zum 3. Juli 120 Musiker mit Klavier, Violine, Cello und Gesang vor einer weltweit anerkannten Jury auf.
Der gesamte Wettbewerb sowie alle einzelnen Auftritte werden per Livestream übertragen und bleiben auch nach Ende des Wettbewerbs weitere vier Jahre lang verfügbar.
Die technische Neuerung des letzten Wettbewerbs waren qualitativ hochwertige Online-Übertragungen, die auf der ganzen Welt positive Resonanz erhalten haben. Jetzt wird der französische Sender Medici für den Livestream zuständig sein. Wie sind Sie zu dieser Entscheidung gekommen?
Die Erfahrungen während des letzten Wettbewerbs waren in vielerlei Hinsicht sehr gut. Doch Medici ist ein professioneller Sender, der sich seit Langem in Europa und mittlerweile auch in den USA bewährt hat. Vor einem halben Jahr etwa haben sie den Auftritt des Orchesters des Mariinski-Theaters in der New Yorker Carnegie Hall übertragen. Unsere Experten arbeiten bereits seit Längerem mit Medici zusammen, und jetzt eben auch das Organisationskomitee des Wettbewerbs.
Was erwarten Sie von dem bevorstehenden Wettbewerb? Wird es einen jungen, noch unbekannten Künstler als Gewinner geben?
Ich hoffe sehr, dass wir bei dem Wettbewerb sehr viele junge, sowohl auf künstlerischer als auch auf menschlicher Ebene talentierte Künstler kennenlernen werden. Und ich hoffe, dass unsere Gewinner nicht nur kurzen, sondern Jahre andauernden Ruhm genießen dürfen. Für mich selbst ist das auch eine besondere, emotionale Situation, denn ich habe 1988, als ich selbst noch ein junger Dirigent war, dem Londoner Publikum die ganz jungen Jewgeni Kissin und Vadim Repin vorgestellt. Seitdem sind fast 30 Jahre vergangen, doch dieses wunderbare Erlebnis begleitet mich bis heute. Das Entdecken neuer Talente ist für mich deshalb unerlässlich, interessant und bringt mir große Freude.
Der internationale Tschaikowski-Wettbewerb findet seit 1958 alle vier Jahre statt.
Viele seiner Gewinner erreichten anschließend weltweite Bekanntheit. Zu den bekanntesten Siegern gehören unter anderem die Russen Michail Pletnjow und Denis Mazujew sowie der US-Amerikaner Van Cliburn.
1990 gewann der deutsche Musiker Gustav Rivinius in der Kategorie „Violoncello“.
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