Naishuller: „Niemand hat bisher einen guten Actionfilm in Moskau gedreht"

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Mit „Hardcore Henry“ feierte der russische Regisseur Ilya Naishuller seine persönliche Premiere auf der großen Bühne des Films. Aus dem Drehbuch wurde ein beeindruckender, aber auch blutiger Actionfilm, der durchgehend aus der Perspektive des Hauptdarstellers gedreht wurde. Produziert wurde er vom bekannten russischen Regisseur und Filmproduzenten Timur Bekmambetow, Drehort war Moskau.

Ilya Naishuller begann seine Karriere als Regisseur vor drei Jahren, als er in der Indie-Rockband Biting Elbows spielte und beim Dreh des Musikvideos zum Song „Bad M…er“ Regie führte. Das im Ego-Shooter-Stil gefilmte Video wurde innerhalb kürzester Zeit zu einem YouTube-Hit, in den ersten zehn Tagen wurde es zehn Millionen Mal angeschaut (Stand heute: 33 Millionen Klicks). Auch der bekannte Filmproduzent und Regisseur Timur Bekmambetow stieß auf das Video und rief Naishuller an, um ihm vorzuschlagen, einen ganzen Film im Stil dieses Videos zu drehen. 2014 begannen die Arbeiten und auch im Westen rief das Projekt großes Interesse hervor. So investierte ein amerikanischer Vertrieb rund 17,5 Millionen Euro in die Promotion des Films und damit ein Vielfaches der rund 1,75 Millionen Euro, die in die Produktion flossen. RBTH traf Naishuller nach der Premiere für ein Interview.

Ilya Naishuller. Foto: PressebildIlya Naishuller. Foto: Pressebild

RBTH: Der Film ist das erste russische Projekt, das in mehreren Ländern gleichzeitig in die Kinos kommen wird. War das von vornherein Ihr Ziel?

Ilya Naishuller: Ja, das war es. Deshalb einigten sich Timur Bekmambetow und ich uns auch darauf, den Film englischsprachig zu drehen.

Ihre Teilnahme am Filmfestival in Toronto ist bereits Ausdruck der großen Wertschätzung, insbesondere weil Ihr Film dort uraufgeführt wurde. Haben Sie während der Vorführung die Reaktionen der Zuschauer verfolgt?

Aber sicher! Wir selbst hatten bis dahin ja keine Ahnung, wie die Zuschauer auf den Drive, der vom Bildschirm ausgeht, reagieren würden. Uns war sehr wohl klar, dass wir einen krassen Film gedreht haben. Es gab jedoch in der Geschichte des Films viele geile Dinge, die vom Publikum nicht verstanden wurden.

„Hardcore Henry“ beginnt mit einer langen Actionszene. Ich hatte die Befürchtung, dass die Gewalt die Zuschauer abschrecken und ermüden könnte. Ich betrat den Saal, als das Licht bereits ausging. Die ersten zehn Minuten schauten die Besucher den Film in Todesstille an. Danach waren Applaus und positive Rufe im Saal zu hören, der Film fand Anklang. So verflüchtigten sich auch meine letzten Zweifel, ob die Zuschauer den Film richtig verstehen und aufnehmen würden.

Wollten Sie von Beginn an in Moskau drehen?

Ja, das war so geplant. Ich war überzeugt davon, dass sowohl ausländische als auch russische Zuschauer meine Drehortwahl positiv bewerten würden. Das russische Publikum wird sich daran erfreuen, in „Hardcore Henry“ bekannte Orte zu erkennen, sei es der Zuckerbäckerstil des Stalin-Empires am Lenin-Prospekt oder die Puschkinski-Brücke.

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Es ist klar, dass die Zuschauer in den USA nicht verstehen werden, dass der Film in Moskau gedreht wurde, da darin keine Standardsehenswürdigkeiten wie die Basilius-Kathedrale oder der Kreml zu sehen sind. Für Ausländer wird diese neue urbane Landschaft spannend, neu und ungewöhnlich sein. Einen internationalen Actionfilm in New York, London oder Paris zu drehen, ist heute nichts Neues mehr. Einen guten Actionfilm, dessen beeindruckende Szenen in den Straßen von Moskau gedreht wurden, hat vor uns noch niemand gemacht. Ich erhalte hierzu durchweg positives Feedback, auch des westlichen Publikums.

Wird Ihr nächstes Projekt auch englischsprachig sein?

Ja, allerdings wird es höchstwahrscheinlich auch kein russisches Projekt mehr sein. Es geht nicht darum, dass dies meine grundsätzliche Haltung ist, sondern vielmehr darum, dass ich mich im modernen russischen Film fehl am Platz fühle. Russischsprachige Projekte, die mich interessieren würden, sind nicht in Aussicht.

Schauspieler Sergej Waljajew. Foto: PressebildSchauspieler Sergej Waljajew. Foto: Pressebild

Was wird Ihr nächster Film sein? Ein Blockbuster mit vielen Kampfszenen?

Obwohl es ein Angebot gab – ein Filmprojekt mit einem Budget von beinahe 90 Millionen Euro und Topdarstellern –, werde ich von dieser Idee wohl Abstand nehmen. Zunächst möchte ich nach „Hardcore Henry“ etwas komplett anderes drehen. Ein neues Genre wäre daher keine schlechte Idee. Außerdem habe ich inzwischen so viele verschiedene Angebote bekommen, dass ich die Möglichkeit habe, mir selbst auszusuchen, wo ich mitmachen möchte und wo nicht. Ich habe derzeit die Möglichkeit, mich in Ruhe umzuschauen und abzuwägen. Es passiert schnell, dass man nach einem guten Erstlingsfilm einen falschen Schritt tut und der zweite Film zu einer Niete wird. Eine solche Entwicklung möchte ich auf jeden Fall vermeiden.

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