Trotz des Kalten Krieges erreichte die Operngröße Weltruhm.
Yuryi Abramochkin / RIA NovostiAlleine schon ihr Name – Galina Wischnewskaja – ist klangvoll und theatralisch. Dabei war ihr Mädchenname typisch russisch und eher banal: Iwanowa. Wischnewskajas Familiengeschichte war geprägt von tragischen Momenten. Ihr Vater wurde vor dem Krieg verfolgt und ihre Mutter brannte mit ihrem Liebhaber durch. Aufgezogen wurde die Operndiva deshalb von ihrer Großmutter. Ihren Familiennamen bekam Wischnewskaja von ihrem ersten Ehemann, mit dem sie für nur kurze Zeit während des Zweiten Weltkrieges verheiratet war.
Wischnewskaja kam durch Zufall ans Bolschoi-Theater. Foto: Sholomovich/RIA Novosti
Ihre Jugend verbrachte die Opernsängerin in Leningrad zur Zeit der Leningrader Blockade durch faschistische Truppen in den Jahren 1941 bis 1944. Noch in hohem Alter erinnerte sich Wischnewskaja an die tägliche Ration von 150 Gramm Brot und an die zugeschneiten Straßen, auf denen wochenlang Leichen lagen, die niemand beerdigte. An den Abenden in dieser Zeit sang Wischnewskaja im Haus der Offiziere für Marinesoldaten, die damals die Stadt verteidigten.
Ihre Karriere begann der Opernstar in der Operette – und dies ohne jegliche höhere Gesangsausbildung. Im Jahr 1943 zog Wischnewskaja von Kronstadt nach Leningrad, wo sie die ältere Gesangslehrerin Vera Garina kennenlernte und bei ihr für einige Jahre Gesangsunterricht nahm. Zur selben Zeit begann sie als Beleuchterin in einem Operettentheater zu arbeiten, wo sie später in den Chor aufgenommen wurde und anschließend als Solistin ihre Karriere begann. Im Kriegsjahr 1944 zog sie mit dem Theater durch Kriegsgebiete und Kolchosen in der Oblast Leningrad, die gerade von den Faschisten befreit worden waren. „Wir haben, wo immer es ging, dicht aneinander gedrängt geschlafen, haben jeden Tag in zugefrorenen Sälen auf Bühnen aus Schnee gesungen.“
In den Jahren des „Eisernen Vorhangs“ war sie eine der wenigen, für die dieser gelüftet wurde. Sie erhielt die Erlaubnis, auf den besten Bühnen der Welt zu singen, und tat dies nicht nur mit dem Bolschoi-Theater, sondern auch solo, wenn sie als Gaststar eingeladen wurde. Für Furore sorgte ihr Auftritt im Teatro alla Scala im Jahr 1964, wo sie die Liù in „Turandot“ spielte und gemeinsam mit Birgit Nilsson und Franco Corelli auftrat.
Galina Wischnewskaja war die Gattin des Cellisten Mstislaw Rostropowitsch, mit dem sie zwei Töchter hatte. Foto: Sholomovich/RIA Novosti
Im Jahr 1955 heiratete Wischnewskaja den berühmten Cellisten Mstislaw Rostropowitsch. Dank ihres Ehemanns stieg sie in den Kreis der größten Musiker aller Zeiten auf, welche sogar – wie beispielsweise Benjamin Britten und Dmitri Schostakowitsch – Rollen in ihren Stücken für ihre Stimme maßschneiderten. Rostropowitsch war auch der Dirigent der Oper „Eugene Onegin“, mit deren Interpretation sie sich in den Geschichtsbücher der russischen Musik verewigte.
Die russische Dichterin und Schriftstellerin Anna Achmatowa widmete Wischnewskaja sogar das Gedicht „Sluschaja golos“ (zu Deutsch „Der Stimme hörend“), nachdem sie ihre Interpretation von Heitor Villa-Lobos Werk „Bachianas Brasileira“ im Radio gehört hatte. Zudem wurde ihr vom französischen Komponisten Marcel Landowski die Oper „Galina“ gewidmet, die auf ihrer gleichnamigen Autobiografie basiert. Die Oper wurde 1996 in der Opéra National de Lyon uraufgeführt.
Wischnewskaja und ihr Ehemann waren aufgrund ihrer Freundschaft zum Literaturnobelpreisträger Alexander Solschenizyn gezwungen, der Sowjetunion den Rücken zu kehren. Solschenizyn wurde wegen seiner antisowjetischen Haltung und seinen anprangernden Werken über das sowjetische Lagersystem verfolgt und fand im Landhaus des Ehepaares Unterschlupf, bis er 1974 die Sowjetunion verließ.
Wischnewskaja mit ihrem Gatten Mstislaw Rostropowitsch. Foto: Vladimir Vyatkin/RIA Novosti
Die russische Operngröße verabschiedete sich 1982 mit ihrer Rolle als Tatjana in der Oper „Eugen Onegin“ in Paris von der Opernbühne. Zur Würdigung ihres musikalischen Lebenswerkes erhielt sie in Frankreich den Orden der Ehrenlegion. Nach ihrem Abschied von der Bühne erhielt sie dennoch zahlreiche Einladungen von Schauspielhäusern. So trat sie 2002 als Kaiserin Katharina II. im Stück „Sa serkalom“ (zu Deutsch „Hinter dem Spiegel“) im Tschechow-Kunsttheater in Moskau auf.
In den Jahren der Perestroika erhielten Wischnewskaja und auch ihr Ehemann die russische Staatsbürgerschaft zurück, woraufhin sie in ihre Heimat, genauer nach Moskau, zurückkehrten. Dennoch behielten sie ihre damalige Schweizer Staatsbürgerschaft. 2002 gründete Wischnewskaja ihr eigenes Opernzentrum in Moskau, das jungen Solisten gewidmet und bis heute in Betrieb ist.
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