Sie wären eine Bereicherung für jede Sprache.
Varvara GrankovaAllmählich infiltriert dieses russische Wort auch das Deutsche. Und zwar nicht als Übersetzung, sondern als direkte Transliteration: Silowiki.
Politikexperten waren es, die den Wortschatz der Russen vor etwa zehn Jahren um diesen Begriff erweiterten. Damals begannen politische Beobachter, eingehend über die Machtkämpfe und Intrigen unterschiedlicher Gruppen im Kreml zu berichten.
Die Silowiki sind einflussreiche Chefs russischer Sicherheitsbehörden. Sie kämpfen gegen die Liberalen darum, welche politischen Ziele wichtiger sind: Sicherheit und Souveränität oder freie Marktwirtschaft und weitreichende Bürgerrechte.
Solche ideologischen Gräben sind keine eigens russische Erfindung. Diese Gegensätze kommen in vielen Staaten in unterschiedlicher Ausprägung vor. Dort, wo die Demokratie noch keine Wurzeln geschlagen hat, treiben meist Chefs von Sicherheitsbehörden und Armee Staatsstreiche voran. Um diese Machtschicht mit all ihrer undurchsichtigen Komplexität in nur einem Wort zum Ausdruck zu bringen, sagt man eben „Silowiki“.
Die Sowok-Epoche ist der Inbegriff von zermürbender Stagnation und grauer Langeweile, kennzeichnend für die letzten zwei Jahrzehnte der UdSSR.
Ein Sowok-Bürger ist demnach ein passiver, antriebsloser Mensch, der viel von seinem Staat erwartet und sich mit dem wenigen begnügt, was er tatsächlich bekommt. Die Zeit, in der er lebt, ist von Lüge und Doppelmoral durchzogen: Um sozialer Ächtung zu entgehen, nimmt der Sowok-Bürger an sinnlosen gesellschaftlichen Ritualen teil (alternativlose Pseudowahlen angeblicher Volksvertreter zum Beispiel).
Von einer Kritik an der Regierung sieht er selbstverständlich ab und beschwert sich nicht allzu sehr über sein armseliges Leben, auch wenn die offiziellen Erklärungen mit seiner Realität längst nichts mehr zu tun haben.
Das Wort stammt von einem russischen Verb ab, das so viel bedeutet wie „Karten neu mischen“. Und in der Tat haben die Begegnungen auf einer Tussowka starken Zufallscharakter: Man weiß nie, wen man dort wirklich trifft, in welchen bunten Haufen man dort hineingerät.
Später wurde die Bedeutung des Worts auch auf soziale Gruppen und auf virtuelle Chats ausgeweitet – abgegrenzt nach ideologischen, religiösen oder auch beruflichen Merkmalen. Dies, und nicht die Party, macht inzwischen den Kern einer Tussowka aus. So ist in Künstlerkreisen etwa davon die Rede, dass es für den Erfolg besser sei, zu einer einflussreichen – künstlerischen, literarischen, musikalischen – Tussowka zu gehören.
Auch politische Gruppen lassen sich danach kategorisieren: die liberale vs. die patriotische Tussowka beispielsweise.
Gemäß den Ponatija zu leben, heißt, sich an die strengen Normen der eigenen Gang zu halten und den Staat, das Gesetz und die Gesellschaft abzulehnen. Diese Normen sind eine Art informelle Ethik, die auf bestimmten Vorstellungen von Gerechtigkeit und gegenseitigem Respekt basiert. Demnach ist es ein absolutes Tabu, die eigenen Leute zu belügen oder zu beleidigen. So tragen die Ponatija zur Abgrenzung der eigenen Gruppe von der Außenwelt bei.
Ein wahrer Ausbruch der Kriminalität in den Neunzigerjahren führte dazu, dass die bis dato marginale Gangstersprache um sich griff. Seitdem ist der Ausdruck auch in der bürgerlichen Welt ein Begriff: „Er lebt nach den Ponatija“ heißt es immer dann, wenn jemand nach eigenen Vorstellungen handelt und dabei auch mal das Gesetz bricht, wenn es der eigenen Gruppe dient.
Davon können die meisten Russen ein Lied singen: schrankenlose Willkür. „Bespredel“ zeichnet sich, anders als „Ponatia“, dadurch aus, dass hierbei überhaupt keine Regeln und Normen gelten – weder juristische noch informelle.
Auch dieser Begriff stammt aus der Unterwelt und bezeichnete ursprünglich den Zustand in den russischen Straflagern und Gefängnissen. Bespredel war dabei nicht nur Sache der Gefangenen, sondern auch ihrer Wächter.
Dieses Wort gehört seit den Neunzigern zum allgemeinen Wortschatz der Russen und bezeichnet auch und vor allem das Treiben korrumpierter Staatsdiener, die nach eigenem Ermessen zuungunsten einfacher Leute schalten und walten. Dann spricht man eben vom Beamten-Bespredel.
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!