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Dass Shelest ein schillerndes Talent in sich trug, war schon in ihren Ausbildungsjahren offensichtlich. Alles an ihr strahlte Harmonie aus: die Proportion ihrer Gliedmaßen, die Kondition zum Aneignen der Technik und ihr Gesicht, das sich durch die Hand eines Maskenbildners leicht veränderte.
Auf der Sankt Petersburger Ballettschule wurde sie auf Anhieb zum Liebling von Agrippina Waganowa, jener großen Reformatorin der Ballettdidaktik. Bald schon übernahm die junge Ballerina die Hauptrollen im Kirow-Theater, das heute Mariinski heißt. Shelest, eine Ballerina von auffällig tragischem Temperament, wurde zum Liebling der Choreografen – sie gilt als Co-Autorin der Mechmene Banu in der „Liebeslegende“ von Juri Grigorowitsch, ihrem damaligen Ehemann.
Im Kirow-Theater wirkte Shelest jedoch zu einer Zeit, in der es dort vor lauter Stars viel zu eng wurde: Zur gleichen Zeit tanzten auch Dudenko, Ulanowa und Ossipenko. Und Shelest hatte alle Talente, außer dem einen: Für sich einzustehen, gelang ihr nicht. Viele Rollen, von denen sie träumte, gingen an ihr vorbei.
Die Rolle der Giselle – ein unvergessliches Ereignis, für alle, die sie gesehen haben – wurde Shelest erst kurz vor ihrer Pensionierung zuteil. Sie tanzte sie nur einmal, bevor sie sich 1963 von der Bühne verabschiedete. Auch Videoaufnahmen der tanzenden Ballerina sind einzigartig – es existiert nämlich nur eine einzige.
/ Alexander Makarov/RIA Novosti
Das Kirow-Theater verband große Hoffnungen mit Timofejewa. Davon zeugt allein schon die Tatsache, dass sie gleich in ihrem ersten Jahr nach dem Abschluss der Tanzschule Waganowas die Hauptpartie im „Schwanensee“ tanzte. Doch am nächsten Tag schon habe man sie wieder als Statistin in der Oper „Dubrowski“ eingesetzt, erinnerte sich die Ballerina, um sie dann wieder eilends aus dem Ensemble herauszunehmen – für eine weitere Hauptrolle.
Sich damit abfinden, konnte die stolze Timofeeva nicht. 1956 wechselte sie ans Bolschoi-Theater und wurde eine der ersten Schülerinnen der legendären Galina Ulanowa.
Technische Hürden kannte die große und wohlgebaut Timofeeva nicht, sie passte zum heroischen Stil des Sowjetballetts. Doch auf die Bühne kam sie, nachdem die letzte Stunde des Sowjetballetts bereits geschlagen hatte. Timofeeva musste sich in das lyrische Standardrepertoire einfügen. Doch konnte sie auch einer Rolle wie Giselle Individualität einhauchen.
Auch das Leben jenseits der Bühne hielt Bewährungsproben für Timofeeva bereit. Nachdem ihre langjährige Ehe mit dem Regisseur Gennadi Roschdestwenski gescheitert war, heiratete sie den Komponisten Kyrill Moltschanow. Für sie schuf er das Ballett „Macbeth“, in dem Timofeeva die Lady Macbeth tanzte. Doch verstarb der Komponist am Tag der Premiere in der Loge des Bolschoi-Theaters.
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Als eine der letzten Schülerinnen Waganowas bezauberte Ossipenko auf den ersten Blick durch ihre Schönheit: Sie wirkte wie eine Aristokratin auf einem Kunstgemälde. Doch beherrschten ihre Füße jene im Sowjetballett geforderte Virtuosität nur mit Mühe. Bei der Abschlussprüfung befreite Waganowa ihre talentierte Schülerin gar von der Ausführung einer Fouetté.
Wo andere durch Virtuosität und Elan hervorstachen, überzeugte Ossipenko durch Eleganz und Erlesenheit. Das klassische Standardrepertoire war ihrem Talent nicht genug. Sie nahm an den revolutionären Premieren der „Steinernen Blume“ und der „Liebeslegende“, beide von Juri Grigorowitsch geschaffen, teil.
Nach dessen Umzug nach Moskau tat sie das Unglaubliche: Sie verließ das Kirow-Theater trotz ihrer Rolle als Primaballerina und wechselte gemeinsam mit ihrem Mann und Partner John Markowski zu einer Halb-Amateurtruppe, die von Leonid Jakobson gegründet worden war – alles nur, um mit dem Choreografen zusammenarbeiten zu können. Wenige Jahre später wechselte sie schließlich zum neuen Ensemble des jungen Boris Eifman.
Nicht weniger schillernd kam ihre schauspielerische Individualität auch in den Nebenrollen in den Filmen Alexander Sokurows zur Geltung: In „Gramvolle Gefühllosigkeit“ und „Russische Arche“ hatte sie Auftritte.
Eine außergewöhnliche Persönlichkeit war sie in jedem Fall: Ossipowa war mehrmals verliebt und verheiratet, wurde mehrmals verlassen und verließ selber, zog einen Sohn groß und bewältigte seinen tragischen Tod. Heute bildet sie junge Talente aus, die mit Begeisterung von der Zusammenarbeit mit ihr erzählen.
/ Alexander Makarov/RIA Novosti
Eine Ballerina, deren Ruhm den von Maximowa übertreffen würde, ist nur schwer vorstellbar. Sie war noch eine Schülerin, als sie der belgischen Königin und dem dänischen Choreografen Harald Lander als ein Wunder der Ballettkunst vorgestellt wurde.
Gleich nach der Ballettschule tanzte sie die Hauptpartie in der „Steinernen Blume“ und hatte phänomenalen Erfolg bei der ersten Tournee des Bolschoi in China und den USA. Gleich zu Beginn ihrer Karriere entwickelte sich ihr szenisches und später auch ihr persönliches Duett mit ihrem Schulfreund Wladimir Wassiljew. Sie wurden gar für die Hauptrollen der Werbe-Doku „UdSSR mit offenem Herzen“ ausgewählt – dank den Dreharbeiten konnten sie ihre Flitterwochen in Paris verbringen.
Rollen und Anerkennung ergossen sich über Maximowa. Noch in der UdSSR tanzte sie die Hauptpartie in Béjarts Ballett „Romeo und Julia“, Roland Petit rief sie nach Marseille und sie spielte in Franco Zeffirellis „Traviata“.
Die Wenigsten aber wissen, dass Maximowa 1975 bei einem Sturz eine Wirbelsäulenverletzung erlitt. Sie verbrachte Monate im Krankenhaus. Viele Verletzungen heilten, doch eine blieb: Sie konnte keine Kinder mehr gebären. Die Genesung war mühsam, doch sie kehrte auf die Bühne zurück und tanzte noch lange Zeit danach.
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