Im Jahr 1926 wurde der sowjetische Politiker Anastas Mikojan zum sowjetischen Volkskommissar für Binnen- und Außenhandel ernannt und bekleidete auch später für mehrere Jahrzehnte leitende Posten. Nach einer zweimonatigen Reise in die Vereinigten Staaten im Jahr 1936 brachte er Technologien und Ausrüstung der Nahrungsmittelproduktion zurück, die dann in der Sowjetunion verwendet wurden. Aber all diese neuen Produkte mussten der sowjetischen Bevölkerung zunächst nähergebracht werden.
Das Duo Dichter Wladimir Majakowski und Künstler Alexander Rodtschenko entwarf 1925 in ihrem charakteristischen konstruktivistischen Stil ein Poster, auf dem stand: „Arbeiter / Fürchtet keine hohen Preise oder die NEP / Kauft billiges Brot / Helles, dunkles sowie Schwarzbrot und Brötchen / In allen Mosselprom*-Geschäften und an Ständen / Nur einen Steinwurf von jedem Haus entfernt!“
Während der Neuen Ökonomischen Politik (NEP) der frühen 1920er Jahre durfte der Privatsektor nur begrenzt tätig sein. Während der Staat private Händler tolerierte, versuchte er in jeder Hinsicht, sie davon abzuhalten, sich selbst zu bereichern. Plakate verlangten von der Bevölkerung, dass sie ihr Brot sowie andere Nahrungsmittel nicht bei privaten Händlern, sondern in staatlichen Mosselprom-Geschäften kauft. Man versuchte die Käufer mit günstigeren Preisen anzulocken.
Im Jahr 1923 begann die Sowjetunion „Gerkules“ [zu Deutsch „Herkules“], einen behandelten Haferbrei, zu produzieren. Es war ein völlig neues Produkt und musste daher erst einmal beworben werden. „Gerkules ist ein Garant für Gesundheit. Jeder bekommt Gesundheit, aber eben nicht immer genug davon“, besagt das Poster aus dem Jahr 1926.
Die großen Süßwarenfabriken Krasny Oktjabr [zu Deutsch „Roter Oktober“], Bolschewik und Babajewski wurden nach der Revolution verstaatlicht und Teil von Mosselprom. Es wurde behauptet, dass die Preise für Süßwaren aufgrund der verringerten Produktionskosten erheblich zurückgegangen seien und dass die im Produktionsprozess verwendeten Farbstoffe absolut harmlos seien.
Ein Poster von Boris Takke aus dem Jahr 1928 zeigt eine kommunistische Frau mit einem roten Kopftuch und einem Tablett voller Süßigkeiten und Kekse.
Zu dieser Zeit hatte Mosselprom eine Werbeagentur unter der Leitung von Konstantin Juon gegründet. Diese begann, Produkte auf malerischere Weise zu zeigen und sie mit vergrößerten Proportionen darzustellen. Die Plakate zeigten außerdem erstmals Merkmale verschiedener sozialer Gruppen.
Mikojan erwähnte den Besuch einer Eisfabrik in Amerika: „Seit jeher war Eiscreme in Russland als handwerkliches Produkt bekannt. Die Herausforderung bestand darin, ihre Massenproduktion zu ermöglichen und das Eis billig und erschwinglich zu machen... Also haben wir die gesamte Technologie für die Massenproduktion von Speiseeis aus den Vereinigten Staaten mitgebracht. Bald wurde der Bau der ersten Eisfabrik, für die wir die Ausrüstung aus den Vereinigten Staaten gekauft haben, mit der Moskauer Tiefkühlfabrik Nummer acht verwirklicht. In der Tat begann unsere Fabrik im Jahr 1938 mit der in den Vereinigten Staaten gekauften Ausrüstung Eis zu produzieren – doppelt so viel wie ursprünglich geplant.“
Auf einem Poster von Alexander Selenskij aus dem Jahr 1938 isst ein Junge ein Eis während er Ski fährt.
Die Sowjetunion importierte keine amerikanischen Maggi-Brühwürfel, sondern produzierte ihre eigenen. Sie wurden mit echtem Fleisch hergestellt und waren daher immer sofort vergriffen, sodass sie bei der breiten Masse kaum bekannt waren. „Fragen Sie überall nach Hühner-Brühwürfeln“, besagt ein Poster von Künstler Iossif Grischin aus dem Jahr 1937.
Im Jahr 1936 war Mayonnaise ein neues Produkt auf dem Moskauer Markt. Der Künstler Stepan Prokopzew zeichnete ein Schwein und einen Hecht, die ein Glas Mayonnaise umarmen. Der Slogan lautet: „Mayonnaise. Hervorragende Soße zu kalten Fleisch-, Fisch- oder Gemüsegerichten.“ Das Poster wurde im Jahr 1938 veröffentlicht.
Mikojan brachte aus den Vereinigten Staaten Probestücke von Ausrüstung und Grills mit, die dortige Straßenhändler für die Zubereitung von Buletten verwendeten, die zwischen zwei Scheiben Brot serviert wurden. Ab 1937 wurden sowjetische „Burger“ und Limonaden an Straßenständen in Großstädten verkauft. Dieses einfache Gericht hatte alle Chancen, populär zu werden, aber der Krieg mit Deutschland ab 1941 unterbrach den Aufstieg. Infolgedessen wurde die Massenproduktion von der benötigten Ausrüstung nie begonnen, und Burger wurden nie ein Teil der sowjetischen Küche.
Auf einem Plakat von Alexander Pobedinskij aus dem Jahr 1938 hält ein Mädchen in Uniform der Pionierorganisation ihrer Mutter ein Glas Milch hin. Im Vordergrund sieht man Milchflaschen, die Bürger zum Recycling abgegeben haben. Die pasteurisierte Milch war der Bevölkerung zuvor noch nicht bekannt, weshalb das Plakat erklärt, dass die Milch kein zusätzliches Kochen benötigt und vor dem Verzehr nicht in „einen anderen Behälter“ umgefüllt werden muss.
*Mosselprom, die Moskauer Vereinigung von Einrichtungen zur Verarbeitung von Erzeugnissen der landwirtschaftlichen Industrie, vereinigte nach der Revolution verstaatlichte Fabriken und bestand von 1922 bis 1937. Es gab außerdem regionale Niederlassungen in anderen Städten. Im Jahr 1937 wurde Mosselprom abgeschafft. Eine neue Agentur, SojusPischePromReklama, wurde 1938 unter der Schirmherrschaft von Narkompischeprom, dem Vorläufer des Ministeriums für Lebensmittelindustrie der UdSSR, gegründet und dann mit der Werbung für Lebensmittelprodukte beauftragt.
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