David Bowie: Legenden der Transsibirischen Eisenbahn

From station to station. Travels with Bowie 1973-1976, Geoff MacCormack. Genesis publications
Die Transsibirische Eisenbahn verbindet Moskau mit Wladiwostok und bedient damit die längste Eisenbahnstrecke der Welt – sie ist über 9 000 Kilometer lang. Mit der Transsib, so wird die Eisenbahn kurz genannt, sind viele Geschichten, Filme und Legenden verbunden. Eine erzählt, wie 1973 David Bowie in die Sowjetunion kam.

Legenden über David Bowie gibt es viele – selbst in Wladiwostok, die als Militär- und Hafenstadt im Fernen Osten Russlands bis 1992 für Ausländer geschlossen war. „Eine alte Geschichte besagt, dass Bowie zusammen mit Iggy Pop auf den Straßen aufgetreten sei und dabei gar die chinesisch-sowjetische Grenze illegal überquert habe“, erzählt der Historiker Sergej Kornilow, ein Mitglied der Russischen Geografischen Gesellschaft. „Man glaubte lange, das sei ein Märchen – genauso wie die Legende, dass das Denkmal auf dem zentralen Platz in Wladiwostok dem ersten Album von Pink Floyd ‚The Piper at the Gates of Dawn‘ gewidmet sei.“ Das Denkmal, von dem Kornilow spricht, stellt einen roten Partisan mit einer Trompete in der Hand dar.

Doch dann fand der Journalist Ruslan Wakulik Beweise für die Echtheit der Legende: Publikationen von Robert Musel, einem Journalisten der US-Nachrichtenagentur United Press International, der Bowie bei seiner sagenhaften Reise durch die UdSSR begleitete, sowie Briefe von Bowie an seinen PR-Manager Sherry Vanilla bezeugen, dass der Musiker im Frühling 1973 mit dem Zug durch Russland gefahren war. Auch Fotos von David Bowie auf dem Roten Platz in Moskau tauchten auf. Lange Zeit wurde an ihrer Echtheit gezweifelt.

From station to station. Travels with Bowie 1973-1976, Geoff MacCormack. Quelle:Genesis publications

1973 war ein Jahr, in dem sich die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und den USA verbesserten. Ein Jahr später fand das bekannte Treffen des sowjetischen Staatschefs Leonid Breschnew und seinem amerikanischen Amtskollegen Gerald Ford in Wladiwostok statt. Möglicherweise wurden die Einreiseregelungen in die Sowjetunion für Ausländer zu jener Zeit etwas gelockert. Jedenfalls befand sich Bowie da gerade auf einer Tournee in Japan, wo er anschließend ein Motorschiff bestieg, das zu Ehren des Gründers der sowjetischen Geheimdienste „Felix Dserschinski“ hieß.

An Bord gab der Musiker ein kleines akustisches Konzert für die Fahrgäste und war bald in Nachodka, einem Hafen in der Nähe von Wladiwostok. Nachodka war nie eine geschlossene Stadt, weswegen sie teilweise Funktionen der Hauptstadt Wladiwostok in der Region übernahm. So wurden etwa internationale Veranstaltungen meistens in Nachodka durchgeführt. Der bekannte norwegische Forschungsreisende Thor Heyerdahl und andere berühmte Gäste aus dem Ausland reisten ebenfalls stets nach Nachodka.

Quelle: Youtube

Man sagt, Bowie hätte Flugangst gehabt. So wird die Wahl des Motorschiffs und später der Eisenbahn erklärt. Es ist nicht bekannt, wo er in die Transsibirische Eisenbahn von Wladiwostok nach Moskau eingestiegen ist. Nachodka befindet sich abseits der Strecke, sodass der Musiker entweder nach Wladiwostok oder bis zu einer anderen Station hätte fahren müssen.

„Ich denke, er war in Wladiwostok, er hätte entweder am Bahnhof oder an der Vorortstation Ugolnaja einsteigen können“, meint Sergej Kornilow. „Man erzählt, seine Haare hätten eine radikale Farbe gehabt und er hätte einen silbernen Regenmantel und eine rote Hose angehabt“. Der Musiker wäre also zwischen all den konservativ gekleideten sowjetischen Bürgern, auch in einer Hafenstadt, aufgefallen.

In einem Brief von David Bowie heißt es: „Sibirien war unglaublich beeindruckend. Tagelang sind wir durch herrliche Wälder, über Flüsse und breite Ebenen gefahren. Ich konnte kaum glauben, dass es in der Welt noch solche Landschaften unberührter, wilder Natur gibt“. Und Robert Musel schrieb: „Uns fiel auf, dass die Menschen in Sibirien sehr freundlich sind und je mehr man sich Moskau nähert, die Leute unfreundlicher werden.“

From station to station. Travels with Bowie 1973-1976, Geoff MacCormack. Quelle:Genesis publications

Übrigens war Bowie nicht der einzige prominente Fahrgast der Transsibirischen Eisenbahn. Zu verschiedenen Zeitpunkten besuchten die Staatschefs von Vietnam und Nordkorea, Hồ Chí Minh und Kim Jong-il, die östlichen Tore der Transsib – den Bahnhof in Wladiwostok. Es ist zudem belegt, dass der Schriftsteller Somerset Maugham, der in die Sowjetunion als britischer Spion einreiste, im Restaurant am Bahnhof Wladiwostok zu Mittag aß. Und 1994 kehrte der russische Schriftsteller Alexander Solschenizyn nach zwanzig Jahren im amerikanischen Exil über Wladiwostok mit der Transsib nach Moskau zurück.

Von Wladiwostok bis Moskau braucht die Transsibirische Eisenbahn fast eine Woche, in der sie insgesamt sieben Zeitzonen durchquert. In den ersten Tagen sind fast keine großen Städte zu sehen. Erst westlich vom Ural ist die Fläche mehr oder weniger dicht besiedelt. Gerade Touristen fahren die Strecke von Moskau bis Wladiwostok am liebsten mit der Transsib. Denn sie erhalten so ganz andere Einsichten als vom Flugzeug aus. Aber zurück bevorzugen viele dann doch das Flugzeug, weil eine Woche im russischen Zug für die Befriedigung der Abenteuerlust völlig langt.

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