Zar Nikolaus II. trifft im Jahr 1911 mit Vertretern der jüdischen Gemeinde zusammen. / Archivfoto
Als Juden bezeichnete man in Russland schlicht alle Anhänger des Judentums – auch jene, die bereits zum Christentum konvertiert waren.
Bis in die 1860er-Jahre zählte die jüdische Gemeinde der damaligen Hauptstadt nur wenige hundert Mitglieder. Denn laut dem „Gesetz über die Grenzlinie jüdischer Sesshaftigkeit“ aus der Zeit Jekaterinas II. durften Juden nur für kurze Zeit Sankt Petersburg besuchen, um Handel zu treiben oder Streitsachen vor dem Senat zu klären. Erst nach den Reformen Alexanders II. durften sich jüdische Handwerker, Kaufleute, ehemalige Soldaten und Bildungsbürger jenseits der Grenzlinie ansiedeln.
Die Juden Sankt Petersburgs stammten größtenteils aus dem Westen des Russischen Reiches und dessen damaligen Ostseeprovinzen. Sie lebten überwiegend in ärmlichen Verhältnissen, verdienten ihren Lebensunterhalt als Kleinhandwerker, Schuster, Schneider oder eben Kleinhändler. Reiche Juden gab es jedoch auch: Bankiers und Bauunternehmer. Sie waren eine bedeutende Größe in der Finanzwelt der Hauptstadt und spendeten großzügig für die jüdische Gemeinde.Der jüdische Bezirk befand sich hinter dem Sennaja-Platz und dem Mariinski-Theater, um die Choral-Synagoge herum. Hier drängten sich kleine Werkstätten, koschere Küchen und Geschäfte. Im Jahr 1870 gab es in der Stadt bereits vier Synagogen und drei Gebetshäuser. 1893 entstand ein Ensemble großer und kleiner Synagogen, andere Gotteshäuser wurden geschlossen.
Anfang des 20. Jahrhunderts lebten in Sankt Petersburg rund 20 000 Juden. Während des Ersten Weltkriegs kamen weitere 30 000 als Flüchtlinge hinzu. Im Bildungsbürgertum war der Anteil der jüdischen Bevölkerung besonders hoch: 44 Prozent der Gerichtshelfer, über 50 Prozent der Zahnärzte und 17 Prozent der Allgemeinärzte waren Juden.
Das italienische Restaurant Quisisana im Newskij Prospekt 46, Sankt Petersburgs Hauptstraße. / Archivfoto
Die italienische Diaspora in Sankt Petersburg zählte nie mehr als 1 500 Menschen. Doch besetzten ihre Mitglieder praktisch von der Stadtgründung an Schlüsselpositionen im Kunst- und Kulturleben der Stadt. Italienische Musiker gründeten die Sankt Petersburger Musikerschule mit: Seit den 1880er-Jahren waren italienische Opern- und Ballettensembles regelmäßig auf Tournee in der Stadt, bis 1885 traten italienische Opernsänger im Petersburger Bolschoi-Theater, dem heutigen Konservatorium, auf. Italienische Schauspielerdynastien gründeten den ersten Zirkus und das erste Puppentheater der Stadt. Außerdem waren die Italiener Sankt Petersburgs Wein- oder Baustoffhändler. So importierten sie etwa den berühmten Carrara-Marmor nach Russland.
Die italienische Künstlerelite bewohnte vorzugsweise den noblen Admiraltejski-Bezirk und suchte die Nähe zu kaiserlichen Theaterhäusern. In jenem Stadtbezirk befand sich bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges auch die italienische Botschaft in einer edlen Residenz. Mit Beginn des Krieges aber brachen die diplomatischen Beziehungen zwischen Russland und Italien ab.
Die schwedische Kirche St. Katharina zu Beginn des 20. Jahrhunderts./ Archivfoto
Den harten Kern der schwedischen Diaspora in Sankt Petersburg bildeten Kriegsgefangene aus dem Nordischen Krieg sowie Fachleute und Ingenieure, die von Peter dem Großen für den Bau der Metropole angeheuert wurden. Der Mittelpunkt des Gemeindelebens war bis in das 20. Jahrhundert hinein die Kirche der Heiligen Katharina. Viele Schweden siedelten sich in der Nähe der Kirche an und gaben dem Bezirk seinen Namen: Schwedski.
In den 1870er-Jahren lebte ein Drittel der 5 000 Schweden im historischen Kern der russischen Hauptstadt. Bis 1910 zogen die meisten von ihnen aber in die Industriegebiete der Wassiljewski-Insel und auf der Wyborger Seite.
Die schwedischen Facharbeiter und Ingenieure waren gefragte Spezialisten auf den Schiffswerften und in den Fabriken der Brüder Nobel, der berühmtesten Schweden Sankt Petersburgs. Die Heirat des schwedischen Königs Gustav V. mit der Cousine Nikolais II. Maria Pawlowna intensivierte die russisch-schwedischen Beziehungen.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Arzamas Academy.
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