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Massandra ist ein malerischer Ort an der Südküste der Halbinsel Krim. Überall finden sich Berge, Grotten, Naturquellen und Wasserfälle. Nachdem Katharina II. die Krim 1783 vom türkischen Khanat erobert hatte, schenkte sie das Grundstück, auf dem heute das Schloss steht, Karl Heinrich von Nassau-Siegen, dem französischen Konter-Admiral und europaweit bekannten Abenteurer. Doch weder der Franzose noch seine zahlreichen Nachkommen zogen jemals auf der Krim.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zählte das Anwesen dann zu den vielen Anwesen des Krim-Gouverneurs Graf Woronzow, der in Alupka, unweit von Massandra, ein prächtiges Schloss nach britischer Art errichten hatte lassen. Sein Sohn, Semjon Woronzow, begann 1879 dann damit, auch in Massandra ein Schloss zu bauen, doch bald darauf starben sowohl der Architekt als auch der Bauherr selbst: Das Anwesen wurde zu einer Bauruine.
Nikolai II. mit seiner Frau Alexandra Fjodorowna / TASS
1889 wurde es vom Staat für 85 000 Rubel erworben. Zar Alexander III. sollte hier eine Sommerresidenz erhalten. Aber auch er starb, ohne die Fertigstellung des Palastes erleben zu können. Nikolai II. vollendete den Bau und die Innenausstattung des Schlosses schließlich – zu Ehren seines verstorbenen Vaters.
Doch die Romanows wohnten nie auf dem Schloss – nicht mal für eine einzige Nacht blieben sie dort. Das kaiserliche Anwesen auf der Krim lag in Lewadia und der Massandra-Palast diente nur zur kurzen Erholung während der Jagd, bei Spaziergängen oder nach dem Besuch der Kirche der Enthauptung Johannes des Täufers, die zu Anfang des 19. Jahrhunderts in der Nähe einer Bergquelle erbaut worden war. Nach der Revolution wurde sie zerstört.
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Drei Schlösser um Jalta herum verdeutlichen, wie das 19. Jahrhundert die große Architektur der Vergangenheit neu erdacht hatte: das britische Schloss von Alupka, die italienische Villa in Livadia und das französische Schloss in Massandra. Der erste französische Architekt, der in Massandra noch zur Zeit des Grafen Woronzow gearbeitet hatte, war Etienne Bouchard. Er konzipierte das Schloss nach dem Vorbild mittelalterlicher Schlösser der Loire mit ihren runden Türmen und hohen Dächern.
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Zur Zeit der Romanows war dann Maximilian Messmacher mit dem Bau beauftragt. Der deutsche Architekt war für seine Villen in Sankt Petersburg berühmt. Messmacher erhielt das Grundgerüst seines Vorgängers, verfeinerte jedoch die Details und fügte noch einige Elemente der Renaissance und des Rokoko Ludwigs XIII. hinzu. So verlieh er dem Schloss mehr Leichtigkeit und Eleganz. Das vorher raue Schloss – aus grauem Kalkstein erbaut – erhielt offene Balkone und Terrassen, verspielte Balustraden und eine hübsche halboffene Treppe. Die Wände wurden mit hellgelben Mettlach-Fliesen bestückt. So lebte das Schloss auf, als frohe Illustration der Märchen von Charles Perrault.
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Das französische Chick setzte sich im Park fort, der vor dem Schloss angelegt wurde. Blumenparterres mit Fontänen laufen stufenweise hinab und eröffnen so den Ausblick auf die umliegende Landschaft. Geschmückt werden sie von Skulpturen, teils aus Kunststein, teils Gipskopien antiker Statuen aus dem Kaiserlichen Museum der schönen Künste in Berlin.
Arbeitszimmer von Maria Fjodorowna, Mutter des letzten russischen Kaisers Nikolaus II. / Legion Media
Da die Romanows nicht geplant hatten, in dem Palast zu wohnen, gab es keine Dienstgebäude – außer einem Wachhäuschen. Mit einer Eintrittskarte konnte deshalb jeder das Gelände betreten, um die Architektur und den Park zu bestaunen. Die Karten verkaufte das Büro der kaiserlichen Gutsverwaltung.
Der Speisesaal / Legion Media
Die Ausstattung des Palastes war bescheiden, auf kurze Erholungsstopps zugeschnitten. Dem Schloss fehlt auch deshalb die sonst obligatorische Enfilade und im kaiserlichen Schlafzimmer steht statt eines Bettes eine Sofagarnitur. Die Zimmer wurden insgesamt nach unterschiedlichen Epochen gestaltet, wie es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts üblich war: Das Esszimmer erstrahlt im Geiste der Renaissance mit Holztafeln und schweren holzverzierten Anrichten; das Boudoir ist im Stil des Rokokos gehalten; die kaiserlichen Arbeitszimmer in neoklassischer Manier.
Nach der Revolution diente das Schloss eine Zeit lang als Sanatorium, bis 1948 die streng bewachte Datscha des sowjetischen Führers Josef Stalin eingerichtet wurde. Er besuchte sie zweimal. Und auch die Generalsekretäre Nikita Chruschtschow und Leonid Breschnew waren hier zu Gast. Erst 1992 wurde in dem Massandra-Palast ein Museum eröffnet.
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