Das weibliche Gesicht des Krieges

Die berühmte Scharfschützin Ljudmila Pawlitschenko tötete in erbitterten Kämpfen 309 gegnerische Soldaten und Offiziere. Foto: ITAR-TASS

Die berühmte Scharfschützin Ljudmila Pawlitschenko tötete in erbitterten Kämpfen 309 gegnerische Soldaten und Offiziere. Foto: ITAR-TASS

Die ersten Erwähnungen weiblicher Kriegerinnen reichen bis in das 17. Jahrhundert zurück. Seitdem konnten sich russische Frauen immer wieder durch Mut und Heldentum auszeichnen. Heute gelten kämpfende Frauen fast schon als selbstverständlich.

Obwohl hauptsächlich Männer in den Krieg ziehen, hat dieser in der Kultur und in der Geschichte vieler Völker auch ein weibliches Gesicht. In Russland gibt es die Metapher des Krieges in Gestalt der finsteren und traurigen Mutter-Heimat. Sie ist der Appell an die Instinkte der Soldaten und die Erinnerung an ihre Mission, die Schwachen zu beschützen. In dieser Bedeutung ist sie in Russland von Anbeginn seiner Geschichte bekannt.

Die ersten Erwähnungen von weiblichen Kriegern reichen in das 17. Jahrhundert zurück. Während des Bauernkriegs 1670 bis 1671 führte die „russische Jeanne d'Arc", Alena Arsamasskaja, über zwei Monate lang eine Truppe von etwa 2 000 Aufständischen an, die sich in der Festung Temnikow (im heutigen Mordwinien) verschanzt hatte. Nach der Einnahme der Festung wurde Alena Arsamasskaja gefoltert und zum Tode durch Verbrennen in einem Blockhaus verurteilt. Man beschuldigte sie der Räuberei, des Ketzertums und der Hexerei. Der deutsche Reisende Johann Frisch, ein Zeitgenosse Arsamasskajas, verglich sie mit einer Amazone, die „die Männer mit ihrem ungewöhnlichen Mut übertraf". Er berichtete: „Als ihre Truppe schon zerschlagen war, leistete sie weiter beharrlichen Widerstand und tötete noch sieben oder acht Gegner."

Ungeachtet des engagierten Auftretens und Handelns einiger, die staatlichen Geschicke lenkenden Frauen im Russland des 18. Jahrhunderts waren die großen Schlachten des Russischen Reiches in erster Linie Männersache. Der Vaterländische Krieg von 1812, auch bekannt als Napoleons Russlandfeldzug, war dann der erste Krieg, bei dem auch Frauen ausgezeichnet wurden. Auf Erlass vom 8. Februar 1816 ehrte man Generals- und Offizierswitwen, deren Männer in den Schlachten gefallen waren, sowie Frauen, die in Lazaretten gearbeitet hatten, mit der Medaille „In Gedenken an den Vaterländischen Krieg". Insgesamt wurden 7 606 solcher Medaillen verliehen.

Im Krieg von 1812 kämpfte auch erstmals eine Frau in einer regulären militärischen Einheit. Die als „Jungfrau-Kavalleristin" in die Geschichte eingegangene Nadjeschda Durowa diente im Alter von 23 Jahren mit persönlicher Erlaubnis des Zaren unter dem Namen Alexander Alexandrow zuerst im Husarenregiment, danach bei den Ulanen. Durowa nahm auch an der Schlacht bei Borodino, einer der entscheidenden Schlachten des Krieges teil, wo sie ernsthafte Verletzungen erlitt.

Hundert Jahre nach Durowa folgte Rimma Iwanowa ihrem Beispiel und bewies sich als erste Frau in den Reihen der russischen Armee. Mit einem

Lidija Litwak

 

Lidija Litwjak war die bekannteste Jagdfliegerin des Zweiten Weltkriegs. Sie flog ungefähr 150 Kampfeinsätze und zerstörte in Luftschlachten sechs Flugzeuge und einen Beobachtungsballon.

Am 1. August 1943 kam sie in einer Luftschlacht ums Leben. Erst im Jahr 1979 wurden ihre sterblichen Überreste gefunden und feierlich beigesetzt. Postum zeichnete man sie mit dem Titel „Held der Sowjetunion" aus.

Männernamen getarnt leistete sie militärische Sanitätsdienste. Als ihre wahre Identität ans Licht kam, setzte sie ihre Tätigkeit unter ihrem richtigen Namen fort. Nachdem zwei Offiziere der Kompanie tödlich verletzt worden waren, übernahm sie am 9. September 1915 das Kommando über einen Angriff und stürmte einen feindlichen Schützengraben. Dort wurde sie allerdings von einem Geschoss getroffen und starb – sie wurde nur 21 Jahre alt. Per Erlass von Nikolaus II. wurde die Heldin postum mit dem höchsten russischen Orden jener Zeit ausgezeichnet, dem Russischen Orden des Heiligen Georg IV. Grades.

Während des ersten Vaterländischen Krieges war der Militärdienst einer Frau in der regulären Armee freilich ein Einzelfall. In den Jahren des Großen Vaterländischen Krieges (1941 bis 1945), der eine Tragödie weitaus größeren Maßstabs über das Land brachte, verschrieben viele Tausend Frauen ihr Schicksal der Armee. Nahezu 100 Frauen wurden für ihre Tätigkeiten als Partisaninnen oder Nachrichtenhelferinnen, beim Aufklärungsdienst oder im Lazarett mit dem Titel „Held der Sowjetunion" ausgezeichnet.

Frauen kämpften an vorderster Front. Die berühmte Scharfschützin Ljudmila Pawlitschenko tötete in erbitterten Kämpfen 309 gegnerische Soldaten und Offiziere. Zum Zeitpunkt ihrer Entlassung aus der Armee wegen Verletzungen war sie gerade einmal 25 Jahre alt.

Kurz nach Beginn des Großen Vaterländischen Krieges wandte sich die schon damals bekannte Fliegerin Marina Raskowa persönlich an das ZK

der KPdSU mit dem Antrag, ihr den Aufbau eines Frauen-Geschwaders zu genehmigen. Ihrer Bitte wurde stattgegeben. Es meldeten sich aber so viele Interessentinnen, dass man beschloss, nicht ein, sondern gleich drei Geschwader zu gründen, die sich nur aus Frauen zusammensetzten. Die Fliegerinnen des 586. Jagdfliegerregiments wurden für die Verteidigung Moskaus, in den Schlachten um Stalingrad und bei Kursk eingesetzt. Sie flogen etwa 9 000 Einsätze und zerstörten dabei 38 feindliche Flugzeuge.

In den Luftschlachten brachten es die Pilotinnen der Jagdbomber zu beträchtlichem Ruhm. Als am 2. Juni 1943 neun sowjetische Petljakow Pe-2-Flugzeuge in der Nähe der Kosakensiedlung Kiewskaja im Kuban-Gebiet einen Angriff flogen, wurden sie von acht deutschen Jagdbombern attackiert. Die Fliegerinnen begegneten dem Feind mit einem konzentrierten Feuer. In dieser Schlacht zerstörten sie vier deutsche Jagdflieger und kehrten ohne Verluste zu ihrem Flugplatz zurück.

Die Tradition der Fliegerinnen lebt bis heute fort. Kürzlich wurde die erste Frauen-Hubschrauberstaffel in der Geschichte Russlands gegründet. Sie wird unter dem Namen „Kolibri" geführt. Insgesamt dienen in den Streitkräften der Russischen Föderation etwa 50 000 Frauen.

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