Der Orenburger Schal – ein Symbol russischer Volkskunst

Seit mehr als 150 Jahren ist die Orenburger Tuchstickerei weltweit berühmt. Foto: Lori/Legion Media

Seit mehr als 150 Jahren ist die Orenburger Tuchstickerei weltweit berühmt. Foto: Lori/Legion Media

Wie auch Chochloma, der Lebkuchen aus Tula, Keramik aus Gschel oder Klöppelspitzen aus Wologda ist der Orenburger Schal ein bekanntes Symbol russischer Volkskunst.

Die Geschichte des Schals ist eng mit einer regionalen Besonderheit des Gebietes Orenburg verbunden. Dort ist die Zucht einer einzigartigen Ziegenart mit weichem und strapazierfähigem Fell ansässig. Die Ziegen der Region haben sich an die strengen Winter mit Schneestürmen und niedrigen Temperaturen angepasst. Das Ziegenfell ist nur 17 Mikrometer dick und damit vier Mal dünner als Menschenhaar und anderthalb Mal dünner als Angorafell.

 

Die Geschichte des Orenburger Schals

Die Anfänge der Orenburger Strickerei reichen etwa 250 Jahre zurück. Bereits Mitte des 18. Jahrhundert zogen die Strickwaren aus dieser Region sowohl die Aufmerksamkeit der Forscher als auch der Jaik-Kosaken, die sich in der Festungsstadt neu angesiedelt hatten, auf sich.

Fremde überraschte es vor allem zu sehen, dass die einheimischen Kalmücken und Kosaken in anscheinend leichter Kleidung die bitterkalten

Abhängig von Stricktechnik und Größe kostet ein Orenburger Schal zwischen 100 und 1 500 Euro.

Handgefertigte Schals gibt es nur in natürlichen Farben – in Weiß, Dunkelbraun und Grau.

Winter mit Temperaturen von bis zu minus 40 Grad Celsius überstanden. Das Geheimnis war, wie man erkannte, das Tuch aus jenem seidigen Haar, das man den Orenburger Ziegen herauskämmte. Die Kosaken tauschten zunächst bei den Ziegenzüchtern Tuchware gegen Tee und Tabak. Mit der Zeit änderten die Kosaken aus dem Ural ihre Stricktechniken und nahmen Elemente der Spitzenklöppelei und der Stickerei in ihre Arbeiten auf. In dieser Form wurden die Orenburger Schals und andere gestrickte Tücher damals weit über die Grenzen Russlands hinaus berühmt. Im Ausland waren sie erstmals 1857 auf einer internationalen Messe in Paris zu sehen.

Als das Russische Reich Ende des 19. Jahrhunderts zu zerfallen begann, waren die Schals aus Orenburg bereits eine so anerkannte „Marke", dass sie selbst in England produziert und auf den Markt gebracht wurden – freilich mit dem Zusatz „Nach Orenburger Art", denn die echte Ware aus Russland war alles andere als günstig zu haben.

Unter dem hohen Preisdruck und angesichts zunehmender Nachfrage gewann die Fertigung der Ziegenhaar-Tücher zu Beginn des 20. Jahrhunderts deutlich an Tempo. 1910 gab es bereits über 20 000 Tuchstrickerinnen.

 

Die verschiedenen Arten der Schals

Die Variationen der Orenburger Schals sind nicht sehr zahlreich. Es gibt das einfache Tuch – oder den Schal –, das nach Ajour-Strickart gefertigte Schultertuch und die Stola. Die beiden zuletzt genannten Tücher mit feinen Mustern trägt man nicht wegen ihrer wärmenden Eigenschaften, sondern

als Schmuck. Die besten Ajour-Tuchstrickerinnen leben in den Dörfern Scholtoje und Schischma. Trotz seiner Größe – das Standardmaß beträgt 2,10 Meter mal 2,0 Meter – kann man das Ajour-Tuch leicht zusammenlegen, sodass es etwa in einem Gänseei Platz findet oder sich durch einen Ehering ziehen lässt. Auf diese Art prüfte man vor hundert Jahren noch, ob ein Tuch wirklich aus Orenburg kam. Die Tücher haben einen großen Seidenanteil; sie bestehen zu zwei Dritteln aus Wollhaar und zu einem Drittel aus Seide. Um ein solches Tuch mit der Hand zu fertigen, braucht man etwa einen Monat.

Nicht immer ist Tuchfertigung Handarbeit. Im Gebiet Orenburg gibt es mehrere Tuchfabriken. Maschinell hergestellte Ware ist in der Regel kostengünstiger; sie ist dafür aber weniger filigran und hat kein einzigartiges Muster.

Die Orenburger Tuchstrickerinnen entwerfen die Muster ihrer Tücher selbst. Diese haben sehr unterschiedliche Gestalten und tragen in der Regel volkstümliche Bezeichnungen wie „Jolotschka" („Grätenmuster"), „Koschatschi Lapki" („Katzenpfötchen"), „Kruglaja Malinka" („Runde Himbeere") und „Schaschetschki" („Schachbrettmuster").

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