Bismarcks russische Liebe

Bismarck verliebte sich auf den ersten Blick in Jekaterina Orlowa – ohne Rücksicht darauf, dass er verheiratet war und drei Kinder hatte. Foto: DPA

Bismarck verliebte sich auf den ersten Blick in Jekaterina Orlowa – ohne Rücksicht darauf, dass er verheiratet war und drei Kinder hatte. Foto: DPA

Während seiner Zeit im diplomatischen Dienst wurde Otto von Bismarck nach Frankreich gesandt. Dort verliebte er sich in Jekaterina Orlowa – und sollte sie nie vergessen.

Otto von Bismarck weilte 1862 im französischen Badeort Biarritz. Zu dieser Zeit war die Stadt ein Erholungs- und Kurort der Aristokratie. Das hat sich übrigens seither kaum verändert: Noch heute kann man in der Stadt an der Atlantikküste Staatspräsidenten und andere hochgestellte Persönlichkeiten antreffen.

1862 berief der preußische König Wilhelm I. Bismarck aus Sankt Petersburg ab und sandte ihn nach Paris, wo er sich mit dem Hof von Napoelon III. bekannt machen sollte. Ihn zum Ministerpräsidenten zu ernennen, wollte der König einstweilen noch nicht. Aus Sehnsucht nach der „großen Politik“ stieg Bismarck in Biarritz im Hôtel d’Europe ab und wollte dort eigentlich nur ein paar Tage verbringen. Eine zufällige Begegnung änderte jedoch seine Pläne.

Im Hotel sah er eines Abends einen Bekannten, Nikolai Orlow. Der russische Botschafter in Belgien war Sohn eines Grafen, er hatte im Krimkrieg gekämpft, war währenddessen zehn Mal verwundet worden und hatte dabei ein Auge verloren. In Biarritz hielt sich Orlow gemeinsam mit seiner 22-jährigen Frau Jekaterina auf. Die einzige Tochter des russischen Fürsten Nikolai Trubezkoi hatte eine vorzügliche Ausbildung genossen, konnte gut Klavier spielen und sprach drei Fremdsprachen fließend. Obendrein war sie sehr hübsch.

Bismarck verliebte sich auf den ersten Blick in Jekaterina Orlowa – ohne Rücksicht darauf, dass er verheiratet war und drei Kinder hatte und dass dem zukünftigen „Eisernen Kanzler“ bis zu seinem 50. Geburtstag nur noch drei Jahre fehlten. Johanna, Bismarcks Frau, erfuhr bald von der Leidenschaft ihres Mannes – noch dazu von ihm selbst: „Hinter mit Heidekraut bewachsenen Felsen verborgen vor den Blicken der Leute, blicke ich aufs Meer, das grün und weiß von Schaum und Sonne ist; bei mir die köstlichste aller Frauen, die dir sehr gefallen wird, wenn du sie erst näher kennenlernst“, schrieb Bismarck seiner Gattin. „Sie ist originell, fröhlich, klug und freundlich, hübsch und jung.“ Wirklich besorgt sein musste seine Frau allerdings nicht, Bismarck hat in seinem Leben nie eine Affäre begonnen.



Ein Zweiglein und ein Anhänger

Zwischen dem preußischen Diplomaten und der Frau des russischen Diplomaten entwickelte sich eine sentimentale, platonische Beziehung. Sie gingen oft baden, davor streiften sie lange durch die Gassen von Biarritz und unterhielten sich über alles auf der Welt. Orlowa sprach Deutsch und Bismarck Russisch. Er hatte mit dem Russischlernen begonnen, als er nach Sankt Petersburg kam, und hatte den Jura-Studenten Wladimir Alexejew als Nachhilfelehrer engagiert.

Fürst Orlow leistete dem preußischen Politiker und seiner Frau keine Gesellschaft. Er beobachtete die Schwärmerei seiner Frau Jekaterina, die Bismarck „Onkelchen“ nannte, nachsichtig aus der Entfernung. Bismarck dagegen war kaum wiederzuerkennen: Ein Mann von außergewöhnlichem Verstand, der seit 15 Jahren an die Spitze der politischen Macht strebte und den man später den „Vereiniger der deutschen Staaten“ nannte, hatte plötzlich andere Interessen. „Ich habe die Politik vollständig vergessen und lese keine Zeitungen mehr“, schrieb Bismarck seiner Frau. „Wie sehr hoffe ich, dass man mich weiterhin nicht nach Berlin abrufen wird!“ Selbst seinen Hochzeitstag hatte Bismarck vergessen, was ihm bis dahin noch nicht passiert war.

Der Enkel Nikolai Orlows schrieb in seinen Erinnerungen, dass keine andere Frau Bismarck je so bezaubert hätte wie Jekaterina Orlowa – und das nicht nur wegen ihrer Jugend und Schönheit, denn schöne Frauen hätte er auch schon vorher kennengelernt. Womöglich zog Jekaterina Bismarck durch ihre Natürlichkeit und Sorglosigkeit in ihren Bann. Streiche versetzten sie in Entzücken, sie liebte es, ihre Freunde zu erschrecken und aufzuziehen. Eine Frau, die das Ideal einer vornehmen Dame, Intelligenz und kindliche Unbekümmertheit in sich vereinigte, war Bismarck bis dahin noch nicht begegnet.

Doch nach der kurz andauernden Biarritzer Idylle musste Otto von

Bismarck sich wieder vollständig der Politik widmen. Jekaterina Orlowa vergaß er jedoch nie. In seinem Zigarrenetui bewahrte er ein winziges Olivenbaumzweiglein auf – eins von zwei Geschenken der Fürstin. Das zweite trug Bismarck in seiner Brusttasche. Es war ein Achatanhänger mit ihrem Namen. Gemäß seinem Testament wurden dem Eisernen Kanzler von allen seinen zahlreichen Orden und Auszeichnungen nur dieser Anhänger und das Zigarrenetui mit dem Olivenbaumzweiglein aus der Umgebung von Biarritz mit ins Grab gelegt.

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