Bekannte Häftlinge in der Lubjanka waren der Terrorist Boris Sawinkow, der Dichter und Kritiker des Stalin-Regimes Osip Mandelstam und der Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn. Foto: Wladimir Fedorenko / RIA Novosti
Auftakt zum Grauen – die Saltyschicha
Im 18. Jahrhundert lebte am Lubjanka-Platz die Gutsherrin Darja Nikolajewna Saltykowa, genannt die Saltyschicha. Darja Saltykowa entstammte dem russischen Adel und war die Ehefrau eines Offiziers der Leibgarde. Als ihr Ehemann verstarb, begann sie, ihre Leibeigenen zu misshandeln, bevorzugt die Frauen und Mädchen. Sie wurden regelmäßig mit einem Holzscheit verprügelt oder ausgepeitscht, oft bis zum Tode.
Manchem Opfer wurden die Haare auf dem Kopf verbrannt oder mit der Wurzel ausgerissen. Die Gutsherrin verbrühte ihren Opfern das Gesicht mit kochendem Wasser, sie mussten hungern und frieren, und schwangeren Frauen trat sie in den Bauch – die Liste der Grausamkeiten ist lang. Sie soll weit über 100 Menschen ermordet haben.
Einige wenige Bauern hatten den Mut, Saltykowa bei der Polizei und dem Moskauer Gouverneur anzuzeigen. Doch Saltykowa hatte gute Beziehungen und soll die Behörden bestochen haben. Erst viel später gelang es zwei Bauern, deren Frauen Opfer der Saltykowa gewesen sein sollen, die Beschwerde der Zarin Katharina der Großen persönlich zu überreichen. Die Zarin war ernsthaft erzürnt. Im Mai 1764 begann endlich der Prozess, der vier Jahre dauerte. Lediglich 38 Morde ließen sich nachweisen und Saltykowa wurde zunächst zum Tode verurteilt. Katharina die Große wollte einerseits einen Schauprozess und eine harte Strafe für die grausame Mörderin. Sie wollte aber vermutlich nicht den Zorn des einflussreichen Adels auf sich ziehen und milderte so das Urteil schließlich ab.
Daria Saltykowa. Bild: Kourdjomow
Der Gutsherrin wurde der Adelstitel entzogen, das Vermögen wurde ihr aberkannt und die Zarin entzog ihr die mütterlichen Rechte. Sie soll die Mörderin für unwürdig erachtet haben, eine Frau genannt zu werden. Saltykowa wurde an den Pranger gestellt und verbachte den Rest ihres Lebens im Kloster Iwanow, angeblich in einer dunklen Zelle im Keller unter der Klosterkirche. Sie starb 1801 nach 33 Jahren Gefangenschaft.
Vom Gefängnis zur Gedenkstätte
Am Lubjanka-Platz steht noch heute ein 1897/98 erbautes Gebäude, das ursprünglich der Verwaltungssitz der Allgemeinen Russischen Versicherungsgesellschaft „Rossija“ war. Die Gesellschaft vermietete im Haus Wohnungen und Gewerbeflächen. Nach der Revolution 1917 liquidierten die Bolschewiken die private Versicherungsgesellschaft. In das nun verstaatlichte Gebäude zog die „WtschK“ ein, die Außerordentliche Allrussische Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution, Spekulation und Sabotage – die sowjetrussische Staatssicherheit.
Foto: Pressebild
Zu dieser Zeit war der Platz, an dem mehrere Moskauer Verkehrsstraßen zusammenliefen, sehr belebt. In der Mitte befand sich ein großer Brunnen, an dem die Kutscher Rast machten. Sie tränkten ihre Pferde und suchten währenddessen eine der vielen an der Lubjanka gelegenen Kneipen auf. Wenn ein Moskauer damals irgendwohin fahren wollte, ob nun innerhalb der Stadt oder darüber hinaus, suchte er sich eine Kutsche an der Lubjanka.
Ab 1920 befand sich in dem Gebäude ein eigenes Gefängnis. Die Kellerräume dienten auch zum Verhör politisch Gefangener. Die Inhaftierten wurden in einem Lastenfahrstuhl bei ohrenbetäubenden Motorengeräuschen oder aber zu Fuß durch die langen und düsteren Korridore zum Gefängnis geführt. Drei Tage wurden sie dort einem Dauerverhör ausgesetzt und verloren so jegliches Zeitgefühl. Auch Folterungen sollen hier durchgeführt worden sein. Im Gefängnis Lubjanka wurden zudem Hinrichtungen vorgenommen.
Innenhof der Lubjanka. Getty Images / Fotobank
Bekannte Häftlinge in der Lubjanka waren unter anderem der Terrorist Boris Sawinkow, der an vielen Attentaten auf Bolschewiken beteiligt war, der Dichter und Kritiker des Stalin-Regimes Osip Mandelstam und der Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn. Heute wird ein Teil des Gebäudes als Museum und Archiv genutzt. Der Besuch ist nur nach Voranmeldung möglich.
Am Lubjanka-Platz residierte auch der russische Geheimdienst KGB. Dorthin kamen die Verwandten der Unglücklichen, die sich zum Verhör in der „Behörde“ befanden. Sie überbrachten den Verdächtigten Lebensmittel und Briefe. Dorthin kamen aber auch die Denunzianten, oft freiwillige Helfer des KGB, die oft eine lange Schlange bildeten.
Ende des Schreckens
Foto: ITAR-TASS
1958 wurde mitten auf dem Lubjanka-Platz an der Stelle des Brunnens ein Denkmal für Felix Dserschinskij, Gründer der WTschK, errichtet. Das Denkmal galt als Symbol des Unterdrückungssystems. Am 22. August 1991 wurde das elf Tonnen schwere Denkmal unter dem Jubel der Bevölkerung wieder abgerissen. Veranlasst hatte das Gawriil Popow, Moskaus erster Bürgermeister nach Auflösung der Sowjetunion. Über das Denkmal kursierten viele Legenden, es hieß sogar, es sei aus reinem Gold gefertigt. Zurzeit befindet es sich im Kunst-Park Museon. Doch in den russischen Medien entflammt immer wieder die Debatte, ob das Denkmal nicht an seinen alten Platz zurückkehren soll.
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