Russlands Troika: Kutschfahrten wieder in Mode

Foto: WItalij Besrukich / RIA-Novosti

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Die Tradition des Kutschenhandwerks war in Russland schon fast ausgestorben, doch in den letzten Jahren erleben die Pferdegespanne einen wahren Boom. Inspirieren lassen sich moderne Kutschenbauer von historischen Fuhrwerken, die die Zeit in Museen überdauert haben.

Die älteste russische Pferdekutsche auf Rädern ist mindestens eintausend Jahre alt. Unter der Bezeichnung Kolymaga wurde sie von Nomadenstämmen im Süden des Landes genutzt. Anfang des 17. Jahrhunderts wurden die ersten richtigen Kutschen aus Westeuropa nach Russland eingeführt. Bis Mitte des 17. Jahrhunderts nahm die Zahl der Kutschen so drastisch zu, dass es sogar zu Verkehrsstaus auf Moskaus Straßen kam. Zar Fjodor führte daher eine Beschränkung ein, die es nur noch Mitgliedern der Bojaren-Duma erlaubte eine Kutsche zu verwenden.

Während das Stadtbild noch von importierten Kutschen geprägt war, begann allmählich die  Fertigung ähnlicher Fahrzeuge im Inland. Die russischen Kutschen unterschieden sich nicht sonderlich von denjenigen, die in Europa gefertigt wurden, da die ursprünglichen Herstellungsverfahren und die Handwerker von dort stammten, erzählt der Kutschenhersteller und Liebhaber historischer Fuhrwerke, Michail Kasjonkin. Damals wurden in ganz Russland viele Schulen eingerichtet, um talentierte Jungen zu Kutschenmachern auszubilden. Eine dieser Schulen befand sich im Dorf Pachrino im Süden von Moskau. Die Auszubildenden verbrachten dort zwölf Jahre, um das Handwerk zu erlernen. Damit waren sie aber noch lange nicht fertig, sondern hatten lediglich den Status eines Lehrlings. Vollwertige Handwerker wurden nur die talentiertesten und fleißigsten Schüler.


Die Kutsche als Statussymbol

Die Krönungskutsche von Katharina der Großen. Foto: D. German / RIA-Novosti

Genau wie heutzutage die Autos, spiegelten damals die Kutschen den sozialen Status des Eigentümers wider. Die Kutschen mit den reichsten Verzierungen und der großzügigsten Ausstattung gehörten dem Zaren. In der Eremitage in St. Petersburg kann heute noch die vergoldete Kutsche besichtigt werden, mit der die Zarinnen Katharina I. und Katharina II. zu ihrer Krönungszeremonie fuhren. Die Krönungskutsche wurde als Sonderauftrag von einer französischen Manufaktur gefertigt. Im 19.

Jahrhundert war es üblich, luxuriöse Kutschen aus Frankreich einzuführen. Die einfacheren Modelle, gewissermaßen die „economy class“ der von Pferden gezogenen Fahrzeuge, wurden in Russland gebaut, sowohl von einzelnen Handwerksmeistern, als auch in kleinen Manufakturen. Der populärste von russischen Meistern gefertigte Kutschen-Typ basierte auf den französischen Phaetons – leichten Wagen mit Faltdach. Normalerweise waren an der Herstellung der Fahrzeuge drei separate Betriebe beteiligt, von denen eine das Fahrgestell, die zweite das Chassis und die dritte das Dach und die Sitze fertigte.


Modernes Kutschen-Handwerk

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Pferdekutschen nach und nach vom Automobil verdrängt. Das Handwerk des Kutschenbauers war nicht mehr gefragt. Die ersten Kraftfahrzeuge verwendeten zunächst noch viele Elemente der Kutschen, aber mit der weiteren Entwicklung des Kraftfahrzeugdesigns wurde die Ähnlichkeit zwischen Auto und Kutsche immer geringer.

Zwischenzeitlich war die Pferdekutsche ein Relikt längst vergangener Zeiten, das oft nur noch in Museen und historischen Kostümfilmen zu sehen war. Doch inzwischen ist das Interesse an diesem alten Transportmittel wieder zum Leben erwacht. Das Fahren mit einer Kutsche ist inzwischen in russischen Städten eine beliebte Touristenattraktion geworden.

Postkarte, Anfang des 20. Jahrhunderts: Eine Kutsche fährt über den Arbatskaja-Platz in Moskau. Quelle: RIA-Novosti

Kutschenbauer Michail Kasjonkin profitiert von der Renaissance des Kutschfahrens. Ende der Achtzigerjahre baute er seinen ersten Wagen. Inzwischen leitet er eine Firma, die Pferdewagen, Kutschen und Schlitten verschiedenster Art anfertigt. „Früher war ich im Reitgeschäft, und es war natürlich nur ein logischer Schritt, statt Reitausflügen Kutschenfahrten anzubieten. So baute ich meine erste Kutsche, dann die nächste, und so begann alles. Ich habe fast mein ganzes Leben davon geträumt, das zu tun.“, berichtet Kasjonkin.

Er entwirft seine Kutschen anhand alter Entwürfe selbst. Inspiration sucht

er in Museen bei  historischen Modellen. „Einige Kutschen habe ich in der Eremitage finden können, auch das Filmstudio Mosfilm verfügt über ein paar Kutschen in seinem Fundus“, berichtete er.

Die Käufer sind größtenteils Unternehmer, die Kutschen als eine Touristenattraktion vermieten, sowie Pferdebesitzer, die sich mit einer Kutsche ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk machen wollen.

 

Die russische Troika

Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Troika, ein Gespann aus drei Pferden, erfunden, um den Pferdegespann-Verkehr zu beschleunigen. Sie wurde zu einem russischen kulturellen Wahrzeichen, fast ebenso wie die Balalaika oder der Wodka. Nikolai Gogol hat sie in seinem Roman „Die Toten Seelen" als ein Symbol für schnelles Reiten – und für Russland selbst – unsterblich gemacht. Troikas fuhren auf der unbefestigten Straße zwischen Moskau und St. Petersburg, einer Strecke von ungefähr 750 Kilometern. Für diese Entfernung benötigten sie eine ganze Woche. Mit der Einführung der Postkutschen in den 1820er Jahren verkürzte die Reisezeit sich auf fünf bis vier Tage.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

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