Puschkin und Lermontow: Ehre oder Tod

Nach dem Duell zwischen Alexander Puschkin und Baron  d'Anthès. Foto aus den freien Quellen

Nach dem Duell zwischen Alexander Puschkin und Baron d'Anthès. Foto aus den freien Quellen

Alexander Puschkin und Michail Lermontow gehören zu den bedeutendsten Dichtern Russlands. Beide lebten unangepasst und leidenschaftlich – das sollte ihnen zum Verhängnis werden: Sie fanden ihren Tod im Duell.

An einem winterlichen Tag im Januar standen sich in den Wäldern vor den Toren Sankt Petersburgs zwei Männer zum Duell gegenüber. Baron Georges-Charles de Heeckeren d'Anthès, ein französischer Offizier in russischen Diensten, und der Dichter Alexander Puschkin hielten ihre glänzenden Waffen aufeinander gerichtet. Der Baron eröffnete das Feuer. Von der Kugel getroffen fiel der Dichter in den Schnee. Seine Sekundanten transportierten Puschkin mit einem Schlitten zu seinem Haus. „Es ist vorbei. Ich muss gehen. Ich kann kaum noch atmen. Ich ersticke", soll Puschkin zu seinen Freunden gesagt haben. Auch die Ärzte gaben ihm keine Hoffnung mehr. Zwei Tage später, am 29. Januar 1837, starb einer der bedeutendsten russischen Dichter.

Puschkin und die Eifersucht

Puschkin gilt als Russlands Nationaldichter. Ihm selbst bedeutete das wenig, er wollte einfach nur ein freier Dichter sein: „Wem sollten wir dienen – dem Volk oder dem Staat? Dem Dichter ist das egal." Diese Haltung wurde ihm als Ungehorsam ausgelegt und brachte ihm mehrere Aufenthalte im Exil ein. Er hatte viele Feinde, und seine Beziehung zu Zar Nikolaus I., der das Treiben seiner Schriftsteller aufmerksam beobachtete, galt als schwierig.

Puschkin, ein eher klein gewachsener Mann mit lockigem Haar und bronzefarbener Haut, die er von seinen abessinischen Vorfahren geerbt hatte, war ein scharfsinniger und stolzer Mann, der die Frauen liebte. Und er war ein ruheloser Mensch, ein Enfant terrible. Seine Heirat mit Natalja Gontscharowa wurde von seinem Umfeld daher mit Erleichterung aufgenommen. Man hoffte, er würde endlich zur Ruhe kommen. Doch das verhinderte seine Eifersucht. Natalja war eine schöne Frau, eine Versuchung für die adeligen Männer, deren Blicke sie auf sich zog.

Puschkin wollte daher unabhängig vom Hofe werden und gründete zu diesem Zweck die Literaturzeitschrift „Der Zeitgenosse". Doch er hatte keinen Erfolg, die Einnahmen blieben aus. Hoch verschuldet war Puschkin gezwungen, bei Hofe eine Anstellung als Diener anzunehmen. In dieser Position war er verpflichtet, gemeinsam mit seiner Frau die Bälle im Palast zu besuchen, wo Natalja wieder das Interesse der Adeligen auf sich zog.

Vielleicht war die rasende Eifersucht des Dichters begründet, denn eines Tages erhielt Puschkin einen anonymen Brief, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass ein gewisser Orden betrogener Ehemänner die Ehre habe, ihn zum Assistenten und offiziellen Geschichtsschreiber zu ernennen. Der Schuldige stand für Puschkin schnell fest. Georges-Charles de Heeckeren d'Anthès, in Puschkins Augen ein Geck, hatte unverhohlenes Interesse an seiner Ehefrau gezeigt. Der Dichter hatte keine andere Wahl: Um seine Ehre wiederherzustellen, musste er d'Anthès zu dem Duell herauszufordern, das für ihn so tragisch enden sollte.

Die Nachricht von Puschkins Tod führte dazu, dass sich eine große Menschenmenge vor seinem Wohnsitz versammelte. Zar Nikolaus I. forderte Polizeischutz für das Haus an und hielt die Pläne für die Bestattung des Dichters geheim, da er eine Revolte fürchtete. Puschkin wurde mitten in der Nacht und in großer Eile im Swjatogorski-Kloster beigesetzt.

Lermontows tödlicher Humor

Der junge Kavallerieoffizier Michail Lermontow war tief beeindruckt von Puschkins Schicksal und warf in einem Gedicht den oberen Zehntausend vor, an Puschkins Ermordung mitschuldig zu sein. Er forderte d'Anthès' exemplarische Bestrafung. Das Gedicht wurde nie offiziell veröffentlicht, doch es verbreitete sich schnell und erreichte auch Zar Nikolaus. Der schickte Lermontow in den Kaukasus, wo zu jener Zeit Krieg herrschte. Der Zar hoffte, das Exil würde dem jungen Mann eine Lehre sein und einen Schlussstrich unter den Skandal ziehen. Doch als Lermontow aus dem Kaukasus zurückkehrte, war er bereits berühmt – nicht nur aufgrund seiner tollkühnen Haltung, sondern auch, weil er inzwischen zahlreiche weitere Werke verfasst hatte.

Im Jahr 1841 ging der Dichter wieder in den Kaukasus zurück. In der dortigen Stadt Pjatigorsk traf Lermontow seinen alten Waffenbruder Nikolai Martynow wieder, der ein recht einfacher Mann war. Martynow versuchte verzweifelt, Kontakte zu den jungen adeligen Frauen vor Ort zu knüpfen, indem er seine kaukasische Militäruniform zur Schau stellte. Lermontow, der selbst seinen Freunden gegenüber schroff und abweisend war, machte Martynow zum Ziel seiner hämischen und beleidigenden Späße, für die er bekannt war. Lange blieb Martynow geduldig. Als Lermontow jedoch begann, sich in Anwesenheit von Frauen in obszöner Weise über ihn lustig zu machen, reichte es ihm. Er forderte den einstigen Freund zum Duell.

Am 15. Juli 1841 fand das Duell im Vorland des Berges Maschuk statt. Lermontow soll absichtlich daneben geschossen haben, doch Martynow verfehlte sein Ziel nicht. Der Dichter verstarb noch an Ort und Stelle, er wurde nur 27 Jahre alt. Man sagt, es sei augenblicklich ein heftiger Sturm losgebrochen. Bei sintflutartigem Regen soll der Leichnam mehrere Stunden lang den entfesselten Elementen ausgeliefert gewesen sein, und nur ein einziger Freund soll bei ihm geblieben sein. „Der Tod eines Hundes für einen Hund", soll Zar Nikolaus gesagt haben. Doch auch er erkannte wenig später Lermontows Talent an: „Der Mann, der Puschkins Platz hätte einnehmen können, ist tot."

Zwei Tage später setzte man den Dichter wie bei einem Duell üblich ohne religiöse Zeremonie auf dem Pjatigorsker Friedhof bei. Später wurde Lermontows Leichnam in die Familiengruft auf Gut Tarchany in der Region Pensa überführt.

Lermontow schien dieses Duell vorausgeahnt zu haben. In seinem berühmtesten Roman, „Ein Held unserer Zeit", den er ein Jahr vor seinem Tod vollendet hatte, beschrieb er ein Duell zwischen seinem Protagonisten namens Petschorin und dem einfältigen Schwätzer Gruschnitzki, der große Ähnlichkeit mit Martynow hatte. Im Roman ist es Petschorin, der Gruschnitzki tötete. Doch das wirkliche Leben spielte nicht mit.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!