Aufgetischt: Kulinarisches aus dem Kreml

Michail Gorbatschow bevorzugte helle, kernlose Weintrauben, kandierte Früchte, Datteln und Nüsse. Foto: ITAR-TASS

Michail Gorbatschow bevorzugte helle, kernlose Weintrauben, kandierte Früchte, Datteln und Nüsse. Foto: ITAR-TASS

Lenin gab seine spartanische Lebensweise nur für ein gutes Bier auf, Stalin liebte Wein und Weißfisch. Auch die Essgewohnheiten späterer sowjetischer Staatsmänner waren so verschieden wie ihre Charaktere. RBTH blickt in die Töpfe der Kreml-Küche.

Lenin: Bier als einziger Genuss

Wladimir Iljitsch Lenins Leidenschaft war die Politik. Essen war für ihn nur eine Nebensächlichkeit, wie man aus den Memoiren seiner Frau und politischen Weggefährtin Nadjeschda Krupskaja erfährt. Demnach habe es bei den Lenins kein „Mittagessen“ oder „Abendessen“ gegeben, sondern Nahrung. Das lässt an Kranke und Diätkost denken, aber nicht an Genuss. Lenin zeigte eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber Essen. „Es schien ihm gar nicht aufzufallen, was er gerade aß. Wenn man ihn direkt fragte, ob ihm ein bestimmtes Gericht schmecke, dann konnte er keine aufschlussreiche Antwort geben“, schreibt der Historiker William Pochljobkin, ein ausgewiesener Kenner der russischen Küche, in seinem Buch „Schto jel Lenin?“ (zu Deutsch: „Was aß Lenin?“). Begeistern konnte er sich nur für ein gutes Bier. Kein Wunder, war er doch an der Wolga aufgewachsen, wo bis heute das in ganz Russland geschätzte Bier „Schiguljowskoje“ gebraut wird. Später verbrachte er einige Jahre in der Emigration in der Bierhochburg Deutschland. Mit dem Gerstensaft kannte er sich also aus.

Stalin: Schlemmen wie beim Diktator 

Josef Stalin hingegen war ein Genießer. Georgien, wo Josef Stalin zur Welt kam und welches seinen Geschmack prägte, hat eine überaus reiche kulinarische Tradition. Die berühmten georgischen Weine, Süßigkeiten aus getrockneten Früchten, Weißkäsesorten, würzigen und scharfen Suppen und Fleischgerichte verwandeln den Mittagstisch einer georgischen Familie in ein Festgelage, so auch bei Stalins. Stalin vergaß diese kulinarische 

Vielfalt auch in den Jahren nicht, die er im Untergrund verbrachte. Später, während seiner Verbannung in Sibirien, machte er mit der russischen Küche Bekanntschaft, vor allem mit ihren Fischgerichten, und entdeckte eine neue kulinarische Leidenschaft. Viele Jahre später erinnerten sich Angehörige der Parteispitze, die dem Generalissimus Gesellschaft leisten durften, wie sie anfangs die Nase rümpften, wenn man Stroganina aus Weißlachs, das sibirische Carpaccio, servierte, diese Spezialität des russischen Nordens dann aber doch probierten. Stalin ließ frischen Weißlachs speziell für die Kremlküche nach Moskau einfliegen. 

Lud Josef Stalin zum Essen ein, blieb man unter sich. Das Servierpersonal bediente die Gäste nicht, es deckte den Tisch mit erstem und zweitem Gang, Vorspeisen und Desserts und zog sich danach zurück. Beim Essen wurden oft politische Angelegenheiten diskutiert, überflüssige Zuhörer gab es daher nicht. Die hochkarätigen Gäste füllten ihre Teller selbst mit  Schtschi, der traditionellen Suppe aus frischem oder eingelegtem Kohl, oder mit Chartscho, einer scharfen kaukasischen Suppe aus Lammfleisch, Reis und Tomaten. Zum Essen wurden stets über zehn Wodka- und Cognacsorten gereicht, unter anderem der berühmte Cognac aus der Brennerei im dagestanischen Kisljar, mit dem Stalin höchstpersönlich Winston Churchill belieferte. Stalin selbst war ein mäßiger Trinker. Er bevorzugte zeit seines Lebens Zinandali und Teliani, weißen und roten Wein aus Kachetien.

Chruschtschow: Fleisch ist sein Gemüse 

Nikita Chruschtschow war ein begeisterter Fleischesser. Aus Obst, und wenn es noch so exotisch war, und Gemüse machte er sich nicht viel. Auf einer Reise in die USA lernte er zwar Mais kennen und ließ, begeistert von der fortschrittlichen amerikanischen Landwirtschaft, ein ganzes Viertel der sowjetischen Ackerfläche damit bebauen. Doch Mais diente in der Sowjetunion vor allem als Tierfutter. Mit ihm wollte man das Defizit an Fleischprodukten beheben. Für die wiederum hatte Chruschtschow eine besondere Schwäche.

Nikita Chruschtschow war ein begeisterter Fleischesser. Foto: ITAR-TASS

„Mit Fleisch haben wir sehr viele Speisen zubereitet“, erinnert sich seine Hausköchin Anna Dyschkant. „Er hatte eine Vorliebe für Filets, das wir auf eine spezielle Art brieten. Wir gossen Öl in die Pfanne und tupften diese dann mit einer Serviette aus, bis sie halb trocken war. Dann klopften wir das Filet und brieten es. Die Beefsteaks schmeckten wunderbar.“ Ein weiteres Leibgericht Chruschtschows waren Wareniki, eine Art Ravioli mit magerer Füllung. Am liebsten aß er aber Jäger-Kulesch, eine sehr nahrhafte kasachische Speise aus Getreide und Speck, ein Mittelding zwischen herzhafter Suppe und Ragout. Zum Nachtisch gab es Torten aus der Kreml-Konditorei.

Breschnew: Luxus im Teller 

Leonid Breschnew liebte Krebssuppe. Dieses alte russische Gericht wurde vor der Revolution in vornehmen russischen Häusern häufig serviert und geriet dann in Vergessenheit. Die Suppe ähnelt der mediterranen Ratatouille. Ihre Zubereitung ist relativ einfach. Wichtigste Zutat sind etwa zwei Dutzend lebende, große Flusskrebse. Die muss man leicht in einer klaren Fisch-Bouillon ankochen. Danach löst man das zarte Fleisch von den Schenkeln und Scheren und röstet die Schale. Die geröstete Schale wird zermahlen und etwa fünf Minuten lang in einem Schmortopf in Schmalz erhitzt.

Leonid Breschnew auf Jagd. Foto: ITAR-TASS

Diese Suppeneinlage und das Fleisch werden danach in die Bouillon gelegt und zum Kochen gebracht. Dazu kommen Schwarzer Pfeffer, ein Lorbeerblatt und Dill nach Geschmack – fertig ist das Lieblingsgericht des Menschen, unter dessen Regierung die UdSSR eine Ära der Stagnation durchlebte. Der von Breschnew bevorzugte Wodka war der Subrowka aus Belarus. Er wird aus einer Pflanze gewonnen, die im Naturschutzgebiet Białoweża-Urwald wächst. 

Gorbatschow: Geschmackvolle Zurückhaltung 

Einige Jahre später wurden im Białoweża-Urwald die Vereinbarungen über die Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und die Auflösung der Sowjetunion unterzeichnet, übrigens nicht wie oft angenommen von Michail Gorbatschow, der als Architekt der Perestroika gilt. Gorbatschow, der heute in Russland kein gutes Ansehen hat, wusste nichts von der  Unterzeichnung der Verträge. Auch beim Essen hielt er sich häufig zurück und ernährte sich mit Bedacht, denn er neigte zu Übergewicht, wie der damalige Kreml-Koch Anatoli Galkin einmal der Webseite „Segodnya.ua“ verriet. Gorbatschow verlangte oft einen Salat.

Warme Gerichte aß er selten, den Kuchen bekam der Koch. „Gorbatschow bevorzugte helle, kernlose Weintrauben, kandierte Früchte, Datteln und Nüsse“, erzählt Galkin. Gar nicht wegzudenken aus dem täglichen Speiseplan des sowjetischen Präsidenten war Kascha, Buchweizengrütze. Die wurde ihm in wahrhaft fürstlicher Vielfalt serviert. „Für die Buchweizengrütze gab es je nach Stimmung verschiedene Rezepte. Man kochte ihn als zarten Brei oder eher körnig, mit Pilzen, Schinkenspeck. Manchmal bestellte er  auch Reis- oder Hirsebrei“, erinnert sich sein Koch. Kalorienreiche und üppige Speisen genehmigte sich das Ehepaar Gorbatschow nur zu großen Festessen. Aber selbst zu solchen Anlässen waren die Gorbatschows keine Freunde eines Übermaßes an Delikatessen. Auch heute noch hält  Gorbatschow, der sich in Deutschland medizinisch behandeln lässt, Diät – allerdings nicht mehr nur aus Prinzip, sondern weil die Ärzte ihm diese verordnet haben. 

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