Der Fotograf Frank Herfort hat seine Diplomarbeit über Moskau verfasst. Foto aus dem persönlichen Archiv
RBTH: Herr Herfort, Sie sind in Leipzig, also in der ehemaligen DDR geboren. Hat das Ihr Interesse an der Sowjetunion und Russland beflügelt?
Frank Herfort: In meiner Kindheit hat meine Mutter mir öfter von ihren deutsch-sowjetischen Freundschaftsreisen zum Baikalsee und nach Moskau erzählt. In den Schulbüchern meines älteren Bruders gab es immer große Traktoren auf den Kolchosen und stolze Pioniere vor Mahnmälern zu sehen. Der Zugang zur Sowjetunion war schon intensiver als beispielsweise zu Italien. Doch von einem geweckten Interesse kann ich da eigentlich noch nicht sprechen, obwohl mich die Transsibirische Eisenbahn schon immer begeistert hat. Ich habe es aber bis heute nicht geschafft, da mitzufahren.
Warum haben Sie sich für die Fotografie entschieden und Moskau als Thema für Ihre Diplomarbeit gewählt?
Ich wollte immer unterwegs sein, immer etwas Neues machen, nie wissen, was morgen kommt, und mich auch nicht darum kümmern. Und Bilder mag
ich mehr als Worte. Mit der Fotografie kann ich das alles verbinden. Warum Moskau? Ich weiß es bis heute eigentlich nicht genau. Ich hatte geplant, meine Diplomarbeit über London zu verfassen, da ich mich zu diesem Zeitraum auch schon dort aufhielt, doch eine innere Stimme sagte mir, dass ich nach Moskau muss. Nicht einmal zwei Wochen später fuhr ich von London über Hamburg nach Moskau. Der Gedanke an Moskau sorgte für bessere Stimmung als der an London.
Sie sind sehr oft und lange durch Russland gereist. Was hat Sie am meisten überrascht? Was unterscheidet die Menschen in den Regionen voneinander, was die russischen Städte?
Unterschiede zwischen den Regionen gibt es gar nicht so viele. Russen sind meistens nett, haben immer Zeit, sind aufgeschlossen, interessiert und sehr gastfreundlich. Nur Moskau ist anders. Dort sind die Menschen schon aggressiver, schneller und abgeklärter. Die Leute aus den Regionen mögen ja auch keine Moskauer. Ich mag beide.
Foto: Frank Herfort
Die postsowjetische Architektur, die Sie fotografieren, ist oft erstaunlich skurril und pompös. Warum ist das so?
Ich denke, das hängt mit der russischen Geschichte zusammen. Minimalismus und Reduktion sind in Russland eher selten anzutreffen, vor 200 Jahren nicht und auch nicht heute. Alles, was schön und teuer ist, muss halt glänzen, vergoldet sein und irgendwie nach etwas aussehen. Das gilt auch für die Architektur nach dem Zerfall der Sowjetunion. Sie hat sich an vorangegangen Epochen orientiert, die Stile wieder aufgegriffen
und noch mal alles vermischt. Dazu kamen noch ein paar knalligere Farben, um noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen. Es geht ja bei den Häusern auch um Größe und Prestige. Die Phase dieser Architektur ist aber schon wieder vorbei. Alle neuen Projekte in Russland sehen ganz anders aus, nicht unbedingt besser, sondern wie überall auf der Welt. Was ja auch irgendwie langweilig ist. Das mochte ich an den Häusern früher so, sie hatten ihren ganz eigenen Stil.
Warum haben Sie kein Buch über sowjetische, sondern über postsowjetische Architektur gemacht? Was interessiert Sie als Fotograf an dieser Architektur?
Mit Büchern über sowjetische Architektur kann man ganze Buchläden füllen, doch über postsowjetische Architektur findet man hingegen nur ein Buch, und zwar meins. Ich mache gerne etwas Neues, etwas, das man so noch nicht gesehen hat. Bei meinen Fotos geht es mir auch weniger um die Architektur, sondern mehr um die Bilder. Die Häuser bieten mir eine tolle Kulisse, um meine Bilder entstehen zu lassen.
Foto: Frank Herfort
Welche Stadt hat Ihnen besonders gefallen, hat Sie am meisten inspiriert? Wo haben Sie Ihre besten Fotos gemacht?
Moskau war für mich sehr inspirierend, doch am schönsten ist schon Sankt Petersburg. Doch dort fehlt ein Hauch Energie und Drive. Die anderen Städte sind für mich irgendwie alle gleich, auch wenn das die Jekaterinburger sicherlich nicht gerne hören.
Sie wohnen in Moskau und Berlin. Manche Russen, die in Berlin leben, fühlen sich dort wie zu Hause. Was unterscheidet Ihrer Meinung nach diese beiden Städte, was haben sie gemeinsam?
Also ich finde, dass Berlin und Moskau extrem unterschiedlich sind. Ich sehe da absolut keine Gemeinsamkeiten, bis auf die Tatsache, dass beide Großstädte sind. Die Kombination aus beiden Städten ist halt klasse. Fürs Abenteuer gehe ich lieber nach Moskau, doch Radfahren ist besser in Berlin. Und die Mieten sind in Berlin viel günstiger. Meine erste Einzimmerwohnung in Moskau im Sowjetblock mit 29 Quadratmetern kostet jetzt fast 1 800 Euro Miete pro Monat. Natürlich fühlen sich da viele eher in Berlin zu Hause als in Butovo am Autobahnring mit Blick auf die Kraftwerke.
Foto: Frank Herfort
Sprechen Sie Russisch? Und falls ja, wann haben Sie damit angefangen, die Sprache zu lernen?
Ja, inzwischen schon. 2009 oder 2008 habe ich mal einen Crashkurs am Landesspracheninstitut in Bochum gemacht, dort habe ich in zwei Wochen Russisch gelernt. Dann noch mal drei Monate an der Lomonossow-Universität in Moskau, doch da habe ich so gut wie nichts mitbekommen. Im Großen und Ganzen habe ich es auf der Straße gelernt. Ich beherrsche den Slang und alle schlimmen Wörter, aber wenn ich eine E-Mail auf Russisch schreiben müsste, bräuchte ich wahrscheinlich zwei Wochen.
Haben Sie viele Freunde in Russland? Stellen Sie in Russland aus?
Ja, ich kenne sehr viele Leute in Russland beziehungsweise in Moskau. Meine nächste Ausstellung wird im September in der GLAZ Galerie sein. Nächstes Jahr wird meine Arbeit „Imperial Pomp“ im Architekturmuseum Shusev zu sehen sein.
Wie muss man Ihrer Meinung nach Russland fotografieren? Welche Ratschläge können Sie Fotografen geben?
So richtige Ratschläge kann ich da eigentlich nicht geben, ich denke, es ist wie überall auf der Welt. Mit viel Geduld und Respekt vor den Menschen kann man alles machen.
Tatiana Firsowa ist Chefkorrespondentin von RIA Novosti in Berlin.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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