Das Tschechow-Denkmal in Badenweiler. Foto: Dr. Bernd Gross / Wikimedia.org
„Badenweiler ist ein sehr origineller Kurort, aber worin seine Originalität besteht, ist mir noch nicht klargeworden“, schrieb Tschechow in einem Brief im Juni 1904. Dass Badenweiler zu einem wichtigen Ort in der Tschechow-Topografie geworden ist, hat mit chronischer Krankheit, Hoffnung und schließlich mit dem Tod zu tun. In den Schwarzwald war er zur Kur mit seiner Frau Olga Knipper gereist. In den wenigen Wochen, die ihm bis zu seinem Tod blieben, regelte er Finanzielles, machte sich über die deutschen Diäten lustig (lobte aber den Haferschleim), beklagte seine starke Gewichtsabnahme, litt unter der großen Hitze.
Beim Anblick der Frauen rügte er: „Keine einzig anständig gekleidete deutsche Frau, eine Geschmacklosigkeit, die trübsinnig macht.“ Am 15. Juni dann das Ende, das Olga Knipper in ihren Erinnerungen so beschreibt: „Er ließ Champagner bringen. Anton Pawlowitsch setzte sich auf und sagte (…): ‚Ich sterbe…’ Dann nahm er das Glas, drehte das Gesicht zu mir, lächelte sein wunderbares Lächeln, sagte: ‚Ich habe so lange keinen Champagner mehr getrunken…’, trank das Glas in aller Ruhe aus, legte sich still auf die linke Seite und war bald für immer verstummt.“
Badenweiler ist zu einem wichtigen Ort des Gedenkens an den großen russischen Schriftsteller, Dramatiker und Weltbürger geworden. Das hat mit der Liebe zum Werk des Autors zu tun, aber auch mit Missachtung, Kleingeist und Kuriosem – und der Förderung des Fremdenverkehrs. Es dauerte nur vier Jahre, bis 1908, da wurde in Badenweiler das erste Tschechow-Denkmal eingeweiht. Dieses schmolz man im Ersten Weltkrieg aber wieder ein, zu Rüstungszwecken. An die achtzig Jahre später (seit 1964 gab es immerhin einen Gedenkstein im Kurpark) initiierte der Direktor des Tschechow-Museums in Jushno-Sachalinsk eine Kampagne für ein neues Denkmal. Dieses wurde 1990 die 15 000 Kilometer in einem alten russischen Militärwagen herantransportiert, der in Badenweiler naturgemäß für Aufsehen sorgte.
Im Mai 1992 wurde das Denkmal aufgestellt. Noch in den Fünfzigerjahren war die Kurverwaltung skeptisch gewesen, ob es dem Ruf Badenweilers zugute käme, den finalen Aufenthalt des Dichters besonders herauszustellen – das könne doch dem Ruf des Kurortes abträglich sein. So wurden nicht alle öffentlichen wie kommerziellen Aktivitäten goutiert. 1985 wurde der Verleger des Diogenes Verlags von einer empörten Dame gebeten, doch bitte den Direktor des Park-Hotels zu bitten, seine „Tschechow-Bar“ wieder zu schließen, der Autor habe in seinem Werk immer wieder auf die „zerstörerische Wirkung des Alkohols“ hingewiesen. „Tschechow-Bar, das ist schlimmer als Mozart-Kugeln oder Schiller-Locken“, schloss Hilde Z. Man arbeitete aber unbeeindruckt weiter am lokalen und postumen Ruhm des Dichters, und 1998 wurde das Literarische Museum „Tschechow-Salon“ eröffnet, das auch anderer Literaten, die in Beziehung zu Badenweiler stehen (Crane, Hesse, Kolb, Schickele, Wohmann), gedenkt.
1999 dann die Gründung des Internationalen Literaturforums Badenweiler, 2009 der Deutschen Tschechow-Gesellschaft. Taganrog, südrussischer Geburtsort von Anton Tschechow, und Badenweiler sind längst Partnerstädte, und die deutsche Kurstadt wurde für ihre Aktivitäten mit der Puschkin- (2008) und der Tschechow-Medaille (2012) ausgezeichnet.
Im „Jahr der deutschen Sprache und Literatur in Russland und der russischen Sprache und Literatur in Deutschland“ findet vom 14. bis 20. Juli im Rahmen des bereits 16. Internationalen Literaturforums Badenweiler die Internationale Tschechow-Woche statt. Es gibt Vorträge, Theater- und Musikaufführungen. Höhepunkt ist die Ausstellung „Die literarische Weltkarte Anton Tschechows“, eine russisch-ukrainisch-deutsche Koproduktion. Dazu Heinz Setzer, der unermüdliche Ausstellungskurator: „Ist es doch vor dem Hintergrund der jetzigen Krisenverhandlungen zwischen West- und Osteuropa keineswegs selbstverständlich, dass unter ganz anderen Voraussetzungen getroffene Vereinbarungen noch zustande kommen. Es zeigt sich hier erneut, dass das Werk und der Name Tschechow wirklich das Potenzial besitzen, Gesprächskanäle offen zu halten und Begegnungen über Grenzen zu ermöglichen.“
Der Bundestagsabgeordnete und Russland-Beauftragte der Bundesregierung Gernot Erler referierte bei der offiziellen Eröffnung der Internationalen Tschechow-Woche am 16. Juli über die „Deutsch-russischen Kulturbeziehungen – Ein Weg zu einem friedlicheren Europa?“
Erler, der auch Präsident des Kuratoriums der Deutschen Tschechow-Gesellschaft ist, sagte: „Deutschland bleibt dabei, die Ukraine-Krise lässt sich nur politisch lösen.“ Die gegenwärtige russische Politik bezeichnete er als unberechenbar. „Unberechenbarkeit ist der schlimmste Feind der Partnerschaft.“
Der Kulturattaché der Botschaft der Russischen Föderation in Deutschland, Sergey Maguta, hob die großen Verdienste der Gemeinde Badenweiler, der Deutschen Tschechow-Gesellschaft und der vielen ehrenamtlich aktiven Helfer beim Zustandekommen der Internationalen Tschechow-Woche hervor. „Die zivilgesellschaftlichen kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland haben in Tiefe, Breite, Substanz und Vielfalt ein Ausmaß von nie gekannter Höhe erreicht“, resümierte der Vertreter Russlands.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!