Diliara Larina hat alles versucht, um die Beziehung mit ihrem Freund nicht in die Brüche gehen zu lassen. Sie hat alles versucht, um abzunehmen – und es schließlich geschafft. Zum Date erschien sie in ihrem eng anliegenden Kostüm und machte Eindruck auf ihren Freund. Die Beziehung aber ging trotzdem in die Brüche. Da machte es bei Larina „klick": Frau sollte ihrem Körper treu sein! Und so begann ihre Karriere als Plus-Size-Model.
Die Stereotype in der Mode überwinden
Wie das nationale Forschungszentrum Gesunde Ernährung mitteilt, sind fast 59 Prozent der russischen Frauen übergewichtig. Die Modelstandards schaffen also Komplexe bei Millionen Russinnen. Eine der Ursachen dafür ist das Angebot in den Geschäften: „Du kommst in einen Laden, suchst Übergrößen, aber die gesamte Plus-Size-Kollektion scheint versteckt zu sein, reingedrückt in die Ecken", erzählt Larina. „Die Designer nutzen Models mit großen Kleidergrößen nur, um Freiheit zu propagieren und die Anomalität von molligen Frauen zu demonstrieren. Aber das Wertvollste, was du hast, ist dein Körper, und den stecke ich in alles, was mir gefällt", sagt sie selbstbewusst.
Die durch die Gesellschaft aufoktroyierten Ideale zu ändern ist schwer. Katalina Gorskikh, Plus-Size-Model aus Sankt Petersburg, meint, das beste Mittel, um Vorurteile zu überwinden, sei, am eigenen Vorbild zu zeigen,
dass frau durchaus eine Figur jenseits festgelegter Normen haben und dennoch ein vollwertiges Leben führen kann.
Unterstützt werden Gorskikh und Larina von Menschen wie dem in Russland populären Fotokünstler mit dem Pseudonym Beliy Den („Lichter Tag"). Vor laufender Kamera des Fernsehsenders Rossia warb er für Plus-Size-Models: „Mit einem fülligen Model kann man wirklich ein ungewöhnliches Image schaffen, es appelliert an so einen gewissen Urinstinkt. Magere Frauen wecken wohl eher den Wunsch danach, die Dame füttern zu müssen."
Dilyara Larina erklärt, dass das Wichtigste für Plus-Size-Models nicht üppige Formen seien, sondern ein hübsches und ungewöhnliches Gesicht sowie innere Ausstrahlung. „Eine schöne und körperlich gepflegte Frau zieht die Aufmerksamkeit der Männerwelt auf sich", sagt sie. „Mir gefällt mein Gewicht, weil es mein Gewicht ist. Und darin stecke ich – was kann teurer und lieber sein als der eigene Körper, in dem sich die Seele wohlfühlt?"
In der Haute Couture ist kein Platz für Plus Size
Die Welt der Haute Couture nimmt Plus-Size-Models nicht gerne an. Die Models, die es dennoch auf den Laufsteg oder in die Glamour-Journale schaffen, sind eher die Ausnahme. „Wir sind die Freaks der Modeindustrie, keinesfalls aber sind wir eine Alternative!", bekräftigt Larina.
Dabei wächst im Ausland die Nachfrage nach Plus-Size-Models mit jedem Jahr. Katalina Gorskikh berichtet, dass sie ständig Angebote für Jobs im Ausland erhalte. Doch die Anforderungen an Plus-Size-Models seien in Europa ganz andere, sie seien strenger als in Russland, erzählt sie. Und Larina ergänzt: „Ich habe so das Gefühl, als würden die Designer in Europa nicht mal auf die Straße rausgehen und Frauen mit Größe 50 gar nicht wahrnehmen", kritisiert sie. „Wir wollen so sein wie die Frauen, die die Kleider kaufen, wie die potenziellen Abnehmerinnen für die Produkte, für die wir werben", betont Larina.
Die jungen Frauen unternehmen viel, um der Gesellschaft zu zeigen, dass auch füllige Frauen ihren Platz in der Welt der Mode haben. Ein weiteres Plus-Size-Model, Alexandra Scherbakova aus Sankt Petersburg, will Mut
machen: „Ich organisiere einen Plus-Size-Schönheitswettbewerb für junge Frauen namens ‚Severnaya Avrora' (‚Aurora des Nordens') und führe in Sankt Petersburg und Moskau Meisterklassen durch. 2011 habe ich selbst den Schönheitswettbewerb ‚La Donna Dolce' gewonnen."
Die wichtigste Aufgabe sehen diese jungen Frauen darin, gleiche Rechte auf Schönheit für alle zu erringen. An Video- und Fotosessions teilnehmen, Selbstbewusstsein zeigen und von Komplexen frei zu sein – das ermöglicht ihnen, die stereotypen Vorstellungen von weiblicher Schönheit zu überwinden. Dilyara Larina wiederholt unermüdlich: „Es sind nicht die Schwierigkeiten, vor denen ich Angst habe. Es ist eher so, dass ich nicht in ein anderes Land fahren will, wo alles schon fertig ist. Ich will hier wühlen und ich will hier ändern, was mir nicht gefällt. Ich bin nicht sauer, weil unser Land rückständig ist, ich gehe einfach nur vorwärts und mache. Und wenn ich sehe, wie viele Frauen aus anderen Ländern sich uns anschließen, denke ich, dass mir das doch nicht schlecht gelingt."
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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