Nachwuchs für die Bühne: Ballett-Ausbildung in Russland

Foto: Artjom Schitenjow/RIA Novosti

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Russisches Ballett genießt weltweit einen hervorragenden Ruf. Was auf der Bühne so leicht aussieht, ist das Ergebnis harter Arbeit. Nur wenige der Ballettschülerinnen, die oft schon in sehr jungen Jahren mit dem Training beginnen, schaffen es bis an die Spitze. Und mit Ende 30 endet die Karriere bereits wieder.

Was erfüllt die Russen mit Stolz? An erster Stelle steht die Eroberung des Weltraums durch die erste bemannte Raumfahrt. Und gleich danach kommt das Ballett. Obwohl nur drei Prozent der russischen Theaterbesucher bevorzugt eine Ballettaufführung besuchen, hat es dennoch ein hohes Ansehen. Das war schon zu Sowjetzeiten so. An den Ballettakademien kämpften bis zu 100 Bewerber um einen der begehrten Plätze. Maria Subbotowskaja, die das Ilse-Liepa-Tanzstudio mitbegründet hat, ist überzeugt: „Nichts bildet den Körper so aus wie Ballett. Die Bewegung zur Musik des Korrepetitors bringt dem Kind die klassische Musik nahe. Alle Bewegungen sind harmonisch und schön. Sie formen den Körper, vor allem die Haltung." In ihrer Schule können bereits Kinder im Alter ab zweieinhalb Jahren mit dem Unterricht beginnen.

Russisches Ballett wird im Ausland vor allem mit dem Bolschoi- oder dem Mariinski-Theater verbunden. Dort tanzen hauptsächlich Absolventen der Moskauer Staatlichen Akademie für Choreografie und der Sankt Petersburger Waganowa-Ballettakademie. Von Beginn an wird dort ausgesiebt. Auf die harten Aufnahmeprüfungen dieser Akademien kann man sich kaum vorbereiten, eine große Rolle spielt die Physis wie etwa Gelenkigkeit, Sprungfähigkeit und die Fußwölbung, aber auch die Musikalität. Allerdings brachten die größten international bekannten russischen Tänzerinnen wie Anna Pawlowa, Galina Ulanowa oder der Solotänzer Rudolf Nurejew nur durchschnittliche physische Voraussetzungen mit.

Maria Subbotowskaja weiß, dass echte Talente selten sind. In den acht Jahren seit Gründung ihrer Ballettschule haben es nur fünf ihrer Elevinnen an die Moskauer Staatliche Akademie für Choreografie geschafft. „98 Prozent der Kinder nehmen Ballettunterricht ohnehin nur zum Spaß. Wenige haben den Ehrgeiz weiter zu kommen. Wenn dann eine talentierte Schülerin dabei ist, muss sie punktgenau gefördert werden", berichtet sie. Körperliche Voraussetzungen seien zwar wichtig, doch daran könne man arbeiten, sagt sie. Viel wichtiger noch sei aber Spaß am Ballett. „Wenn das Kind Lust hat und einen Traum verwirklichen möchte, dann ist das viel mehr wert. Zwang führt nicht zum Erfolg", so ihre Erfahrung. „Wichtig ist der Charakter und die Disziplin", betont sie. Wenn das gegeben sei, dann würden die Kinder intensiv gefördert, immer in Absprache mit den Eltern. Das Ballett werde zum Mittelpunkt des Lebens.

Ein harter Weg bis zum kurzen Erfolg

Die 38-jährige Natalia Mostowaja war früher Balletttänzerin. Stundelang trainierte sie täglich an der Stange. Ihr Traum, einmal Primaballerina zu werden, brachte die Ukrainerin nach Moskau. Sie trat in Zirkusvorstellungen und Shows auf, bevor sie schließlich Ballettlehrerin wurde. Heute leitet sie

die Ballettschule Ribambelle. Es war ihr eigener Wunsch, Balletttänzerin zu werden. Das sei sehr wichtig gewesen, betont sie: „Viele Eltern unterschätzen diesen Beruf. Sie beschließen, dass ihr Kind tanzen soll. Wenn nun aber dem Kind die Begabung oder aber auch die Lust fehlt, wird es Probleme geben." Mostowaja warnt davor, Druck auszuüben: „Wenn Eltern ihre Kinder zwingen und zu viel Druck ausüben, kann das ein Kinderleben zerstören." Sie gibt zu bedenken, dass es selbst von den Absolventen der Ballett-Akademien nur fünf Prozent in ein renommiertes Ensemble schaffen und noch weniger von ihnen Solotänzer werden.

Entsprechend groß ist der Konkurrenzdruck, vor allem unter den Mädchen. Jungen sind ohnehin äußerst selten an den Tanzakademien vertreten. Seit der Gründung 2006 wurden im Tanzstudio Ilse Liepa nicht mehr als 15 Jungen unterrichtet. Männer hätten wohl eine pragmatischere Einstellung zur Berufswahl, glaubt Natalja Mostowaja. Für die Mehrheit der Balletttänzerinnen ist die Karriere zu Ende, bevor sie überhaupt begonnen hat. „Balletttänzerinnen haben nur sehr wenig Zeit, schon mit 38 beginnt das Rentenalter", sagt Mostowaja und fügt hinzu: „Wenn es bis zum Alter von 23 nicht mit der Karriere geklappt hat, dann sollte man ernsthaft über Alternativen nachdenken." Die meisten stiegen dann auf den Beruf der Tanzlehrerin um, würden heiraten oder machten eine zweite Ausbildung, so ihre Erfahrungen. Der Traum vom Ballett koste Zeit, manchmal die Gesundheit und viel Geld. In Moskau kosten drei Tage Unterricht im Monat etwas mehr als 400 Euro.

Eine Alternative zu den Ballettschulen für Kinder sind sogenannte Tanzzirkel, von denen es in Moskau einige Tausend gibt. Viele sind kostenlos. Laut einer Umfrage des Allrussischen Zentrums für Meinungsforschung WZIOM, die im Mai 2012 durchgeführt wurde, nutzen 61 Prozent der russischen Familien Freizeiteinrichtungen. 17 Prozent der Kinder besuchen dort die Tanzangebote. Tanzen steht damit statistisch an zweiter Stelle, nur übertroffen noch von Sportangeboten. 16,4 Prozent der Kinder im Alter zwischen fünf und sechs Jahren träumen nach einer Umfrage der Stiftung „Kinder der Welt" aus dem Mai 2013 von einer künstlerischen Laufbahn, auch als Balletttänzerin oder -tänzer. Eine professionelle Karriere entwickelt sich daraus aber trotzdem äußerst selten.

Auch die Moskauerin Alla Kremlewa wollte einmal Tänzerin werden. Zehn Jahre hat sie dem Tanzen gewidmet: „Es hat mir Riesenspaß gemacht, ich lebte von einem Training zum andern, tanzte sogar zu Hause, wiederholte die Bewegungen, lernte nach Videoclips. Dann erlitt ich eine Verletzung, war nicht mehr so belastbar und konnte mein Niveau nicht mehr steigern, obwohl der Wille da war." Heute leitet Kremlewa die Abteilung für Vor- und Grundschulbildung der Firma Nowyj disk und denkt darüber nach, ihre Tochter zum Ballettunterricht zu schicken.

 

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