Klingt nicht sehr romantisch, oder? Die Kartoffelernte war Teil des sogenannten „freiwilligen Pflichtprogramms“, wonach die Sowjetbürge dem Staat beim Einbringen der Ernte helfen sollten/mussten. Studenten, Beamte und Soldaten wurden auf die Felder geschickt. Und so arbeiteten viele junge Menschen den ganzen Sommer bis September zusammen und erholten sich natürlich auch zusammen. Das war eine prima Gelegenheit, die wahre Liebe zu finden.
Sowjetische Studenten sollten (mussten) auch oft auf Baustellen ihres sozialistischen Vaterlandes arbeiten. Solche Baubrigaden wohnten oft in Lagern alle zusammen. Nach dem strengen Arbeitstag verbrachten die Jugendlichen den Abend in fröhlicher Atmosphäre mit Liedern und Gitarre.
Eines der größten Privilegien für Sowjetbürger war eine Reise in andere sozialistische Staaten: Bulgarien, Ungarn oder auch in die DDR. Solche organisierten Gruppen reisten per Bus oder mit der Bahn und die Touristen mussten irgendwie immer zusammen bleiben. So kam man nicht nur zu vielen neuen Eindrücken, sondern auch Bekanntschaften.
Die Sowjetbürger wanderten gern. Wie romantisch ist es doch, den Sonnenaufgang in den Bergen und die Nächte am Lagerfeuer zu genießen. In der UdSSR gab es natürlich organisierte Touren und man wusste nie, mit wem man Schulter an Schulter die Reise verbringen und das Zelt teilen wird. Dennoch blieben viele neuen Wanderfreunde oft auch ein Teil des weiteren Lebens.
Das jeweils örtliche Kulturhaus war vor allem in kleineren Städten und Dörfern einer der beliebtesten Orte, um Freunde und Bekannte zu treffen sowie neue kennenzulernen. Filmvorführungen, Vorträge oder Aufführungen des lokalen Amateurtheaters waren seltene unterhaltende Abwechslungen vom Arbeitsalltag. Und eine perfekte Gelegenheit, seinem großen Schwarm nachzuschauen, boten die dunklen Konzert- und Kinosäle auch.
Wie die junge Frauen in dem Filmklassiker „Moskau glaubt den Tränen nicht“ betrachteten viele die Staatliche Lenin-Bibliothek nicht nur als Ort des Wissens, sondern auch einer der besten Orte, um in Moskau seine große Liebe zu treffen. Besonders das legendäre Raucherzimmer war prädestiniert für kleine Rendezvous.
Szene aus „Moskau glaubt den Tränen nicht“:
"Ich habe einen Bibliotheksausweis zum Wissenschaftssaal der Lenin-Bibliothek!"
"Wozu das denn?"
"Stell die nur vor, was für Männer! Akademiker, Philosophen ... "
"Und was willst du dort machen? Denen beim Lesen zuschauen?"
"Du verstehst das nicht! Es gibt ja auch ein Raucherzimmer ... "
Eine andere Protagonistin aus demselben Film „Moskau glaubt den Tränen nicht“ fand ihre Liebe derweil in einem üblichen Vorortzug (Elektritschka). Millionen von Menschen nutzen die Pendlerzüge übrigens bis heute, um von zu Hause zur Arbeit und dann zur Datscha zu kommen. Und so sieht man oft dieselben Leute, wenn man immer zur gleichen Zeit fährt.
Fabriken, Werkhallen und sogar Forschungsinstitute waren (und sind!) Orte, wo man seine große Liebe treffen kann. Der Acht-Stunden Arbeitstag bedeutete, dass die Leute auch Mittagessen, Arbeitspausen und Subbotniks (sowjetische Tradition unbezahlter Arbeitseinsätze am Wochenende) zusammen verbrachten. Kein Wunder, dass der sowjetische Klassiker „Liebe im Büro“ aus dem Jahr 1977 immer noch zu den beliebtesten Filmen in Russland gehört.
Viele sowjetische Jugendliche, die zum Studieren oder Arbeiten in Großstädte umzogen, wohnten in Wohnheimen. Meist gehörte das Bett im Studenten- oder Arbeiterwohnheim gleich mit zur Bezahlung.
Das Leben in solch einer Gemeinde war natürlich immer turbulent: Einwohner organisierten Partys, tauschten Sachen aus und stritten sich um einen Platz in der Küche. Und verliebten sich natürlich auch!
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